Rubrik: Pflanze / Tier / Thema des Monats
Januar 2020: Das Eichhörnchen ( Sciurus vulgaris )
Wer kennt sie nicht, die flinken, lustigen Gesellen, die kopfüber stammauf und abwärts kletternden Kobolde, welche rastlos
durch unsere Parks und Wälder jagen? Schon von Kind auf sind wir begeistert vom unterhaltsamen Treiben der roten und braunen
Flitzer. Alle kennen die beliebten Eichhörnchen oder Eichkatzen bestens - und doch existiert viel Unwissen und manches
Vorurteil über die gewandten und cleveren Tierchen. Beispiele:
Warum soll das Eichhörnchen als "Art des Monats Januar" dienen?
Die halten doch jetzt ihren Winterschlaf!
Falsch geraten! Es ist ein altes Vorurteil, dass Eichhörnchen einen ausgedehnten Winterschlaf in ihrem warmen, weich
gepolsterten Nest = Kobel pflegen. In Wirklichkeit halten die Tiere lediglich eine "Winterruhe", das heißt: sie schlafen
dann mehr und länger als in der warmen Jahreszeit. Sie sind aber auch im Winter fast täglich wenige Stunden aktiv, suchen
ihre im Herbst angelegten Futtervorräte auf oder "überfallen" von Menschen angelegte Futterstellen in Gärten, Parks und
an Waldrändern.
Was bedeutet die Redewendung: "Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen"?
Eichhörnchen besitzen nur geringe Fettreserven. Da sie auch im Winter fast täglich unterwegs sind, benötigen sie - wie
wir Menschen auch - "was ordentliches zwischen die Kiemen". Dieser Bedarf wird durch energiereiche Nahrung gedeckt: z.B.
durch Früchte und Samen von Buche, Eiche, Kiefer, Ahorn, Fichte und Kastanie, vor allem aber durch Nüsse. Wo aber sollen
diese Früchte im Winter herkommen? Die cleveren Tierchen verstecken ihren Winterbedarf bereits im Herbst an sicheren Stellen,
z.B. im Boden, in hohlen Bäumen oder in Baumritzen. Allerdings kann es vorkommen, dass sie diese bei hohen Schneelagen
nicht mehr erreichen oder - trotz guten Geruchssinns - einfach nicht mehr wiederfinden. Und dann beginnt die mühsame
Ernährungssuche . . .
Übrigens: mit dem Verstecken (und nachfolgendem Vergessen) tragen Eichhörnchen zur kostenlosen Verbreitung vieler
einheimischer Baum- und Straucharten bei.
Bei uns gibt es zwei verschiedene Eichhörnchen-Arten: eine rötliche und eine dunkelbraun gefärbte Rasse!
Wieder falsch! Weltweit gibt es zwar 29 verschiedene Eichhörnchen-Arten, bei uns ist aber nur eine Art, das (Europäische)
Eichhörnchen, heimisch. Die Farbe der Felloberseite kann variieren von Hellrot (häufiger) bis Dunkelbraun (seltener), ohne
dass es sich dabei um unterschiedliche Arten oder Rassen handelt.
An den Farbunterschieden lässt sich weder das Geschlecht (männlich / weiblich), noch die Herkunft (einheimisch / zugewandert)
oder gar die Religionszugehörigkeit (evangelisch / katholisch) ableiten: wie bei uns Menschen gibt es eben auch bei
Eichhörnchen Rothaarige und Brünette!
Was ist eigentlich richtig: Sind Eichhörnchen niedlich und sympathisch oder sind sie - wie manche Leute behaupten - böse
und schlimme Nesträuber?
Weder noch!! Wir Menschen denken da sehr vereinfachend, oft auch zu sympathie-getragen. Es kann nicht darum gehen, ob wir
eine bestimmte Tier- oder Pflanzenart als sympathisch oder unsympathisch empfinden. Beim Eichhörnchen werden (durch den
Menschen) fast alle Eigenschaften als sympathisch betrachtet; "negative" Nebenerscheinungen wie das Ausrauben von Vogelnestern
werden als seltener Betriebsunfall empfunden und verdrängt. Dabei ist die gelegentliche Nestplünderung ein natürlicher Vorgang,
welche dem Nahrungserwerb und damit dem Erhalt der Art dient.
Was sonst noch interessiert . . .
Eichhörnchen zählen zur Familie der Nagetiere, werden von Kopf bis Schwanzspitze ca. 35 bis 45 cm lang und können 7 bis 10
Jahre alt werden (im Schnitt aber nur 3 Jahre). Nach der Paarung kommen zwischen März/April bis Juli/August ein bis sechs
Jung-Hörnchen zur Welt, die im Kobel großgezogen werden. Die meiste Zeit des Jahres leben die Tiere als Einzelgänger.
Für das Leben in Bäumen sind die Eichhörnchen bestens gerüstet und ausgestattet: sie können sehr geschickt und wendig
klettern, sich stammauf und -abwärts bewegen, auf dünnen Ästchen entlang turnen und vier bis fünf Meter weit springen.
Ihre größten Fressfeinde sind der Baummarder und der Habicht; es kommt aber auch vor, dass sie unter Epidemien leiden
oder von Parasiten befallen werden.
Bei Fütterung bitte beachten: wegen der möglicherweise enthaltenen Blausäure keine Mandeln auslegen, gewürzte und gesalzene
Nüsse meiden, keine angeschimmelten Früchte verfüttern.
Text: Eberhard Mayer, Foto: Artur Calmbacher
Februar 2020: Der Mittelspecht ( Dendrocopos medius )
Vermutlich gibt es nur wenige Menschen, die den Mittelspecht überhaupt kennen.
Kommt er in unserer Gegend vor?
Ja - es gibt ihn hier bei uns, auch in Filderstadt. Man muss kein Experte sein, um ihn zu erkennen, aber man muss schon
geduldig und genau hinschauen, um ihn vom Buntspecht, seinem sehr ähnlichen großen Bruder, zu unterscheiden. Beide sind
schwarz-weiß gefärbt, beide haben etwas Rot an Kopf und Unterschwanzdecken, und der Mittelspecht ist nur minimal kleiner
als der Buntspecht.
Aussehen: Was sind die wichtigsten Unterschiede zum Buntspecht?
- Stirn und Scheitel des Mittelspechts sind bei beiden Geschlechtern rot gefärbt, beim Buntspecht besitzt nur das Männchen
einen roten Nackenfleck am Kopf
- Unterschwanzdecken und Steiß sind nicht satt karminrot wie beim Buntspecht, sondern nur rosa gefärbt
- Bauch und Flanken sind schwach gelbbraun getönt, mit zarten dunklen Längsstrichen (beim Buntspecht = weiß)
- der schwarze Wangenstreif des Buntspechts fehlt beim Mittelspecht
- die Körperlänge des Mittelspechts erreicht maximal 22 cm, beim Buntspecht ist sie ca. 2 cm länger.
Lebensraum: Wo finden wir den Mittelspecht? Wie ernährt er sich?
Man kann ihn hauptsächlich in alten Laubwald-Beständen mit hohem Totholzanteil finden, vor allem in Eichenwäldern. Das
liegt daran, dass sich sein verhältnismäßig schwacher Schnabel eher zum Stochern als zum Hacken eignet. Grobrissige Rinde
zum Aufsuchen stamm- und rindenbewohnender Insektenarten findet er am ehesten in alten Eichen und Eschen, weniger in Buchen
und anderen Baumarten mit glatter Rinde. In unseren Streu-obstwiesen stochert er deshalb auch gerne in der groben Borke
alter Birnbäume. Oben in den Baumkronen sammelt er mit Vorliebe Blattläuse.
Im Winter wagt er sich an Futterplätze in Gärten, Obstwiesen und an Waldrändern. In der kalten Jahreszeit schmeckt ihm dann
auch pflanzliche Kost wie Obst, Nüsse und verschiedene Samen.
Stimme: Warum hat der Mittelspecht den Spitznamen "Quäker" erhalten?
Vermutlich kann man ausschließen, dass Mittelspechte der religiösen Gemeinschaft der "Quäker" angehören - worauf ist dann
dieser Spitzname zurückzuführen?
Schon jetzt im Februar, und während der gesamten Balzzeit bis zum Ende des Frühjahrs, kann man den klagenden, quäkenden,
4-5-silbigen Revier-Gesang im Eichenwald hören. Es gehört Mut dazu, dieses Quäken als "Gesang" zu bezeichnen; etwas
übertrieben gesagt, könnte man es eher als Hilferuf eines vom Erstickungstod bedrohten Wesens verstehen. Das Quäken kann
schauerlich und unheimlich klingen, auf jeden Fall ist es im Gesangs-Repertoire unserer heimischen Vögel ein
unverwechselbarer Balzgesang.
Neben der Quäkerei, mit welcher der Mittelspecht sein Revier absteckt, hört man häufiger und ganzjährig seine
"quik-quek-quek-quek-quek"-Rufreihen. In der Erregung werden dann die roten Kopffedern auffällig gesträubt.
Was sonst noch interessiert:
Wichtig: Mittelspechte trommeln nicht! Nur in sehr seltenen Ausnahmesituationen wurden bisher trommelnde
Exemplare nachgewiesen.
Mittelspechte halten sich fast ausschließlich auf Bäumen auf, sind geschickte Kletterer und können sogar "hängend"
entlang von Seitenästen und mit dem Kopf nach unten stamm-abwärts klettern.
Ihre Bruthöhle benutzen sie i.d.R. mehrjährig. Das Gelege mit 5-6 Eiern wird etwa 2 Wochen lang bebrütet (überwiegend
vom Männchen - wie bei allen Spechtarten!). Die Nestlinge werden danach 3 Wochen in der Höhle gefüttert und nach dem
Ausfliegen noch 2 Wochen geführt.
Kurioses: Pinocchio - ein Filderstädter Mittelspecht
Vom September 2015 bis März 2016 tauchte am Ortsrand Bonlanden regelmäßig ein seltsamer Mittelspecht auf. Aufgrund eines
Gen-Defekts musste er sich mühsam und mit schrauben-förmig deformiertem Schnabel seine Nahrung am Futterplatz holen.
Leider war "Pinocchio" (wie wir ihn nannten) im nächsten Winter nicht mehr zu sehen.
Text: Eberhard Mayer, Foto: R. Ablondi
März 2020: Die Robinie ( Robinia pseudoacacia )
Der Baum des Jahres 2020 ist die Robinie oder Scheinakazie.
Sie gehört zur Familie der Hülsenfrüchtler, in die Unterfamilie der Schmetterlingsblütler. Die Gattung Robinia wurde
von Carl von Linné im Jahre 1753 erstmals zugeordnet; bis dahin auch gerne mit den echten Akazien verwechselt.
Der Name weist auf den französischen Hofgärtner Robin hin, der angeblich die Art aus Nordamerika eingeführt hat.
Im siebzehnten Jahrhundert wurde der Baum wegen seiner schönen Blüten und der bizarren Wuchsform gerne in barocken
Parkanlagen und Gärten gepflanzt. Heute findet man ihn auch in den Innenstädten, wo er als robuster Straßenbaum Salz
und schlechtem Boden widersteht.
Bei uns in Europa kommt die aus Nordamerika eingeführte Gewöhnliche Robinie vor. Im Stadtwald Filderstadt ist sie nur
an wenigen Waldorten zu finden.
Der lichtbedürftige Pionierbaum wird in der Regel nicht sonderlich hoch, selten bis dreißig Meter. Er verträgt Dürre und
Trockenheit und kann schwierigste Standorte neu besiedeln. Sein Splintholz ist gelb bis weiß, das gelbbraune Kernholz ist
äußerst widerstandsfähig gegen Fäulnis und Insektenbefall. Es ist sehr hart und glänzt, wenn es poliert wird. Es wurde
im Weinbau als Pfahlholz verwendet, um die Reben abzustützen. Auch bei kleineren Brückenkonstruktionen und Stegen war es
beliebt. Heute ist es aufgrund der Haltbarkeit, die unser Eichenholz noch übertrifft, beim Spielplatzbau sehr gesucht.
Im Musikinstrumentenbau wird es aufgrund seiner guten Klangeigenschaften gerne für den Bau von Xylophonen benützt. Die
Robinie wirft im Herbst ihre gefiederten Blätter ab. Die Einzelblättchen sind kurz gestielt und ganzrandig. Sie können
sich bei starker Sonneneinstrahlung aufrichten und bei Abnahme des Lichts wieder absenken. Ihre Nebenblätter sind häufig
zu Dornen umgewandelt, die insbesondere in der Jugend eine beachtliche Länge bis drei Zentimeter erreichen. Mit diesen
Dornen und Gift schützt sie sich gegen den Fraß von Tieren. Alle Teile des Baumes, insbesondere die Rinde und Früchte,
gelten für den Menschen und Tiere, besonders Pferde, als sehr giftig. In der Homöopathie werden gleichwohl Auszüge zur
Anwendung bei Verdauungsbeschwerden angewendet.
Im Frühjahr, von Mai bis Juni, fällt sie insbesondere durch ihre achselständigen, weißen und traubenförmig angeordneten
Schmetterlingsblüten auf. Diese sind gut zehn bis zwanzig Zentimeter lang. Wo viele Robinien beieinanderstehen kann auch
der süßliche Duft gut wahrgenommen werden. Er lockt die Insekten zur Bestäubung und zeigt den Weg zur süßen Nektarquelle.
Die fließt so reichlich, dass mancherorts ein sortenreiner "Akazienhonig" gewonnen werden kann.
Die Samenstände erinnern an Erbsenschoten, die eben typisch für Hülsenfrüchtler sind. Sie werden bis zwölf Zentimeter lang
und enthalten zwei bis fünfzehn, braun bis schwarze, nierenförmige Samen, die bis zu dreißig Jahre keimfähig bleiben.
So macht die Art in Naturschutzgebieten, leider auch in Filderstadt, Probleme. Aufgrund ihrer Robustheit und des invasiven,
ausbreitungsfreudigen Charakters, verdrängt sie hier seltene Pflanzen. Dazu verfügt sie, üblich bei Schmetterlingsblütlern,
über Knöllchenbakterien im Wurzelbereich, die Stickstoff aus der Luft binden und den Boden damit anreichern können. Viele
heute selten gewordene Pflanzenarten, wie Orchideen, können aber zu viel Stickstoff überhaupt nicht vertragen und sterben
ab. Hinzu kommt ein vitales Ausschlagen aus den Wurzeln, so dass die Art, wenn sie einmal Fuß gefasst hat, nur sehr schwer
wieder zu entfernen ist. Sägt man einen Baum ab, treibt er massiv aus den Wurzeln einfach neue Schösslinge. Je sandiger der
Boden am Standort, desto schneller kann sie ganze Flächen mit riesigen Wurzelausläufern besiedeln. Diese Eigenschaft nutzt
man teilweise im Straßenbau: Steile Böschungen können so relativ schnell bewurzelt und verfestigt werden. In der
Forstwirtschaft wird sie bisher nur zur Rekultivierung und Festigung von Deponiekörpern, besonders in Böschungsbereichen,
eingesetzt. In Filderstadt gibt es einen kleinen Bestand am Stollenhauweg, auf der Deponie Wolfsklinge, im Bereich des
Schützenhauses Bonlanden. Aufgrund ihrer bodenverändernden Eigenschaften und ihrer Tendenz zur unkontrollierten Ausbreitung
ist aber eher zur Vorsicht bei der Anpflanzung geraten.
Text: Eckard Hellstern , Fotos: E. Hellstern, E.Mayer (Blüte)
April 2020: Die Wiesen-Schlüsselblume ( Primula veris )
Die Wiesen-Schlüsselblume wurde von der Loki-Schmidt-Stiftung zur Blume des Jahres 2020 erwählt.
Alle Primula-Arten sind geschützte Pflanzen. Sie sind noch nicht vom Aussterben bedroht, aber gefährdet. Die Wiesen-
oder Echte Schlüsselblume - auch Duftende Primel, Arzneiprimel, Badenke oder Himmelsschlüssel genannt - blüht, wie der
lateinische Name sagt, im zeitigen Frühjahr. In Primula steckt das lateinische Wort prima = die erste, die frühe und veris
bedeutet wahr, wahrhaftig.
In Filderstadt kommt die Wiesen-Schlüsselblume auf trockenen Wiesen und an Waldrändern oft zusammen mit der etwas
häufigeren Hohen Schlüsselblume (Primula elatior) vor. Es gibt Bastarde (Hybriden) zwischen beiden Arten, die dann nicht
einfach zu bestimmen sind.
Bei der Wiesen-Schlüsselblume erwachsen aus einer Blattrosette mit länglich pfeilförmigen Blättern 5 bis 20 dottergelbe,
duftende Blüten in einer einfachen einseitswendigen Dolde auf aufrechten Stängeln. Die einzelne Blüte hat die Form eines
Schlüssels und die nach einer Seite geneigte Dolde ähnelt einem Schlüsselbund.
Die Wiesen-Schlüsselblume ist eine ausdauernde Pflanze mit senkrechtem Rhizom. Sie wird von kleinen, frühen Insekten
bestäubt und vermehrt sich durch winzig kleine Samen. Die beiden Schlüsselblumen-Arten sind an folgenden Merkmalen zu
unterscheiden:
- Die Wiesen-Schlüsselblume hat länglich pfeilförmige Blätter, bauchig glockenförmige Kelchblätter, die Blütenblätter sind
dottergelb mit 5 kräftig orangefarbenen Schlundflecken.
- Die Hohe Schlüsselblume hat länglich eiförmige Blätter, blaß goldfarbene Blütenblätter ohne Schlundflecken, ist jedoch
in der Blütenmitte etwas dunkler.
Zu erwähnen ist noch die Bedeutung als Arzneipflanze. Verschiedene Wirkstoffe der Wiesen-Schlüsselblume verflüssigen den
Schleim in Bronchien und Nase und sind deshalb unter anderem in Husten- und Erkältungsmitteln enthalten.
Zum Schluß noch ein Gedicht von Heinrich Waggerl:
Wenn Gott zum lieben Osterfest
die Himmelsschlüssel sprießen läßt
für jede arme Seele einen.
Dann finden aber jene keinen,
die sich zur Lebzeit schon erkeckten
und welche auf die Hüte steckten.
Oh Mensch, denk an dein eignes Grab,
brich keine Schlüsselblume ab!
Dies mag nicht für jeden ein zwingender Grund sein, die Blumen nicht zu pflücken, es gemahnt aber jeden von uns daran, dass
die Natur endlich ist und wir gut daran tun, mit unserer Umwelt pfleglich umzugehen.
Text: Brigitte Spahr , Fotos: Eberhard Mayer (Steinenfurt 30.03.20), Peter Freitag / pixelio.de
Mai 2020: Die Turteltaube ( Streptopelia turtur )
Die Taube als Symbol für Friede, Zuversicht und ewige Liebe hat eine lange Tradition. Die Redewendung "Die Zwei sind wie
die Turteltäubchen" umschreibt zwei Liebende im besonders zärtlichen Umgang miteinander. Dieser Ausdruck ist vielen Menschen
bekannt. Weit weniger bekannt ist hingegen die namensgebende Turteltaube aus der Familie der Tauben. Sie ist die kleinste
bei uns heimische Taubenart. Leider gibt es in Filderstadt keine Brutvorkommen und wir können sie, wenn überhaupt, dann nur
äußerst selten auf dem Durchzug bei einem Zwischenstopp entdecken. Seit 1987 bis heute war das ganze 10 Mal der Fall, sagt
Eberhard Mayer von den Biotopkartierern Filderstadt. Will man Turteltauben beobachten und ihren markanten Gesang hören, dann
empfiehlt sich z. Bsp. eine Reise ins Kaiserstuhlgebiet.
Der Gesang der Turteltaube wirkt zarter, aber eintöniger als bei anderen Tauben und lässt sich gut von anderen Vogelstimmen
unterscheiden. Ihr namensgebendes, fast schnurrendes, tiefes "turrr-turrr-turrr"-Gurren trägt sie ausdauernd und manchmal
tonal wechselnd vor. Wie ihre Verwandten hat auch die Turteltaube eine rundliche Gestalt mit kleinem Kopf. Mit einer
Körperlänge von 25 bis 28 Zentimetern (etwa so groß wie eine Amsel) und einer Flügelspannweite von 45 bis 50 Zentimetern
ist sie jedoch kleiner und viel graziler. Auch ihre Flügel unterscheiden sich deutlich: Schlank und spitz zulaufend
ermöglichen sie einen schnellen Flug für den weiten Zugweg.
Am meisten fällt der Jahresvogel 2020 durch sein unverwechselbares farbenfrohes Gefieder auf, das nahezu exotisch anmutet.
Vogelfreunde erkennen die Turteltaube gut an ihrem deutlich gestuften, dunklen Schwanz mit weißem Ende. Oberkopf und die
äußeren Oberflügeldecken sind blaugrau, ihr Rücken und die inneren Oberflügeldecken hingegen rostbraun mit schwarzen
Federmitten gefärbt. Die Halsseiten der Turteltaube ziert jeweils ein schwarz-weiß gestreifter Fleck. Kehle und Brust
sind zart rötlich gefärbt. Ein deutlich rötlicher Lidring umrandet das Auge, welches orange bis rot leuchtet.
Die Turteltauben gehören zu den Zugvögeln und sind die einzigen Langstreckenzieher unter den Taubenarten Mitteleuropas.
Sie verbringen die Winter südlich der Sahara zwischen Westafrika und Äthiopien. Mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde und
bis zu 700 Kilometer am Stück fliegen sie im Herbst durch die Nacht gen Süden. Nach diesem kräftezehrenden Flug benötigen
sie immer wieder Pausen an geeigneten Orten, wo sie sowohl Futter als auch Wasser auftanken. Bei uns in Baden-Württemberg
ist sie daher etwa von Ende April bis August nur ein Sommergast. Leider ein Sommergast, der immer seltener wird und nur
noch in wenigen Gebieten vorkommt. Ursprünglich waren Turteltauben in Auwäldern, an Waldsäumen und Lichtungen zuhause,
die heute zunehmend fehlen. Die Tauben sind zwar flexibel genug, um auf andere Lebensräume auszuweichen, doch das reicht
nicht aus: Die Bestände sind in den letzten Jahrzenten stark zurückgegangen. Wegen des dramatischen Bestandseinbruchs
von 89 % wurde die Turteltaube auch vom NABU und LBV zum "Vogel des Jahres" gekürt. Demnach liegt ihr Bestand in
Deutschland nur noch zwischen 12.500 und 22.000 Brutpaaren. Bis 2009 war er doppelt so hoch. Die Turteltauben-Bestände
sind in den meisten europäischen Ländern seit den 1970er Jahren rückläufig und nahmen seit 1980 um 79 Prozent ab. Heute
brüten in Europa 3,2 bis 5,9 Millionen Paare, wobei Spanien, Frankreich, Italien und Rumänien innerhalb der EU die meisten
Turteltauben beherbergen. In Großbritannien ist die Art mit einem Rückgang von 94 Prozent fast ausgestorben.
Und die Turteltaube hält leider noch einen traurigen Rekord: Sie ist der erste vom NABU gekürte Vogel des Jahres, der
auch als global gefährdete Art auf der weltweiten Roten Liste steht - auf einer Stufe mit dem stolzen Kaiseradler oder
dem prächtig-schillernden großen Hyazinth-Ara am Amazonas! Unser Jahresvogel 2020 ist zudem die einzige Taubenart, welche
im Übereinkommen zur Erhaltung wandernder, wild lebender Tierarten (Convention on the Conservation of Migratory Species of
Wild Animals) aufgeführt ist.
Text: Claudia Simon , Foto: NABU - Michael Wimbauer
Juni 2020: Der Wasserschlauch ( Utricularia vulgaris )
Der Echte Wasserschlauch ist eine karnivore (fleischfressende) Pflanze mit aquatischer Lebensweise. Er gehört zur
gleichnamigen Gattung der Wasserschläuche (Utricularia). Diese umfasst sieben in Mitteleuropa vorkommende Arten, welche
gemeinsam 2015 von den nationalen Tauchsportverbänden von Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Wasserpflanze des
Jahres gekürt wurden. Sechs von ihnen sind (noch) in Baden-Württemberg zu finden, stehen jedoch traurigerweise alle auf
der Roten Liste des Landes. Hauptgefährdungsgrund ist die Trockenlegung von Feuchtbiotopen. Auch der echte Wasserschlauch
ist als stark gefährdet klassifiziert (Kategorie 2 der Roten Liste) und in vielen Gebieten Baden-Württembergs nur noch
selten anzutreffen.
Umso erfreulicher ist es, dass in Filderstadt stellenweise - etwa am Steinbruchteich im Gewann
Bechtenrain und am Uhlberg - noch Vorkommen mit zahlreichen Individuen zu finden sind.
Der Wasserschlauch besiedelt stille oder schwach fließende Gewässer und kommt dabei sowohl mit nährstoffarmen wie auch
nährstoffreichen Lebensbedingungen zurecht. Sicherlich wird diese eher unscheinbare, aber durch ihre Lebensweise sehr
beeindruckende Pflanze von vielen im ersten Moment übersehen, ein zweiter Blick lohnt sich daher. Am einfachsten entdeckt
man den Wasserschlauch zwischen April und August. In dieser Zeit ragen die Blüten über die Wasseroberfläche hinaus und
bestechen mit ihrer filigranen Form und einem satten Gelb. Als Bestäuber sind hauptsächlich Schwebfliegen, seltener auch
Bienen zu nennen. Auch eine Selbstbestäubung ist möglich. Die Samen sind schwimmfähig und werden schwimmend oder durch
Wasservögel verbreitet. Alle Pflanzenorgane außer der Blüte sind ganzjährig untergetaucht und daran perfekt angepasst.
So sind die Wurzeln oft stark reduziert, die Sprossachse ist langgezogen und die Blätter sind fein gefiedert.
Das besondere Merkmal des Wasserschlauchs sind die Fangblasen. Dabei handelt es sich um blasen- oder sackförmige
Anhängsel der Blätter, mit welchen die Pflanze ihre Versorgung mit den Nährstoffen Stickstoff und Phosphat sicherstellt.
Als Beute dienen kleine, im Wasser lebende Tiere wie beispielsweise Wasserflöhe, Rädertierchen, Mückenlarven und
Fadenwürmer. Der Fangmechanismus arbeitet dabei mit Unterdruck und ist einzigartig im Pflanzenreich. Der Unterdruck
entsteht, indem aus den mit einem Deckel dicht abgeschlossenen Fangblasen das Wasser abgepumpt wird. Dadurch ist die
Falle fangbereit. Angelockt wird die Beute mittels Antennen, welche vorbei schwimmende Tiere in Richtung der Fallenöffnung
leiten. Zusätzlich sondern Drüsen auf der Fallentür einen zuckerhaltigen Schleim ab, welcher ebenfalls Beutetiere anlockt.
Daneben befinden sich auf der Fallentür auch noch Borsten. Berührt ein nahe kommendes Beutetier diese, wird der
Fangmechanismus ausgelöst. Dann öffnet sich die Fallentür und durch den Unterdruck strömt sofort Wasser in die Fangblase.
Beutetiere, manchmal auch Algen, welche sich in diesem Moment vor der Fallenöffnung befinden werden durch die Wucht des
Wasserstroms mitgerissen und in die Fangblase gesogen. Dieser Vorgang dauert insgesamt gerade einmal 2 Millisekunden und
gehört damit zu den schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich!
Anschließend sondern Drüsen auf der Innenseite der Fangblase Verdauungsenzyme ab und zersetzen die Beute. Die durch die
Zersetzung frei gewordenen Nährstoffe nimmt die Pflanze auf. Das eingesogene Wasser wird aus der Fangblase herausgepumpt
und die Falle ist erneut einsatzbereit. Unverdauliche Reste verbleiben dabei in der Fangblase und füllen diese mit der Zeit.
Eine Fangblase des Wasserschlauchs ist dabei etwa 50 Tage lang aktiv und kann in dieser Zeit mehrfach wiederverwendet
werden.
Am Ende der Vegetationszeit bildet der Wasserschlauch Winterknospen, so genannte Turionen, an den Triebspitzen aus. Diese
Sprossspitzen, die dicht mit kleinen Blättchen besetzt sind, lösen sich von der Mutterpflanze und sinken auf den Grund des
Gewässers. Dort überdauern sie den Winter und treiben im nächsten Frühjahr neue Sprosse aus.
Text: Juliane Körner, Foto: Artur Calmbacher
Juli 2020: Die Gelbbauchunke ( Bombina variegata )
Beeinflusst durch "Unkerich" aus den Salamander-Heftchen meiner Kindheit, stellte ich mir eine Unke immer groß und dick vor.
Die Gelbbauchunke misst jedoch nur etwa fünf Zentimeter. Trotzdem ist sie außergewöhnlich und faszinierend. Von oben sieht
sie auf den ersten Blick aus wie eine kleine Erdkröte, nämlich unauffällig braun mit kleinen Warzen. Ihre Unterseite jedoch
ist leuchtend schwarz-gelb gezeichnet. Bei jedem Tier ist dabei das Farbmuster anders, so dass sie individuell unterschieden
werden können. Ihre Pupillen sind nicht einfach nur rund oder geschlitzt, nein, sie sind herzförmig.
Die Gelbbauchunke gehört zu den Froschlurchen (Anura) und lebt im Offenland mit einem Mosaik aus feuchten und trockeneren
Bereichen, meist mit Nähe zum Wald. Sie ist eine Pionierart, das bedeutet, zur Fortpflanzung besiedelt sie gern neu
entstandene Kleingewässer wie Pfützen, Wildschweinsuhlen oder auch wassergefüllte Wagenspuren. Der große Vorteil hierbei
ist, dass in solchen Wasseransammlungen noch kaum Räuber wie z. B. Libellenlarven oder Wasserkäfer vorhanden sind, die dem
Nachwuchs gefährlich werden können.
Je nach Witterung werden die Gewässer im März oder April aufgesucht. Die Männchen zeigen durch zarte, melodische "uh"-Rufe
ihre Anwesenheit an. Ihre Reviere von etwa einem Viertel Quadratmeter werden durch Wasserwellen markiert, die sie mit ihren
Hinterbeinen erzeugen. Es kann sein, dass sie wochenlang auf ein Weibchen warten müssen. In der Zeit schwimmen sie auf alles
zu, was sich bewegt - es könnte ja die heiß ersehnte Partnerin sein. Das Männchen umklammert dann mit seinen extra starken
Armen das Weibchen im Lendenbereich und lässt es nicht mehr los. Verhornungen an Unterarmen und Fingern verhindern ein
Abrutschen. Der Laich wird als kleine Klumpen mit jeweils etwa 10 bis 20 Eiern an Halmen oder anderen Strukturen im Wasser
befestigt.
Gelbbauchunken können sich den ganzen Sommer über fortpflanzen, dabei wechseln sie zwischen den einzelnen Laichphasen
gelegentlich das Gewässer. Das ist sinnvoll, da Kleingewässer immer wieder austrocknen. Somit ist nicht der ganze Nachwuchs
verloren. Es werden sonnenbeschienene Pfützen bevorzugt, die sich schnell erwärmen. Daher geht die Entwicklung zügig und
erste Jungunken lassen sich bereits Mitte Juni entdecken. Am Ende des Sommers verlassen auch die Alttiere endgültig das
Wasser. Überwintert wird meistens unter Wurzeln, Steinhaufen und ähnlichem. Unken jagen in der Dämmerung, aber auch tagsüber
alles was sich bewegt und in den Mund passt. Zur Not wird mit den Vorderfüßen nachgestopft. Die Larven ernähren sich von
organischen Zerfallsprodukten am Gewässergrund.Die Gelbbauchunke kann 20 Jahre alt werden.
Was sagt uns die schwarz-gelbe Bauchfarbe? Genau, sie warnt vor dem Gift, das die Unke aus ihren Hautdrüsen absondern kann.
Beim Menschen reizt es die Schleimhäute. Potentiellen Fressfeinden wie Igel oder Ringelnatter, verdirbt es oft den Appetit.
Kaulquappen und Jungunken können noch kein Gift produzieren und werden von Wasserkäfern, räuberischen Larven, Molchen,
Vögeln und vielen anderen erbeutet.
Wird eine Gelbbauchunke an Land erschreckt, macht sie ein Hohlkreuz und biegt den Vorder- und Hinterteil des Körpers wie
eine Hutkrempe nach oben, so dass die Warnfarbe sichtbar wird (Kahnstellung).
Rund ein Drittel der bekannten Weltpopulation der Gelbbauchunke lebt in Deutschland. Trotz des Schutzes dieser stark
gefährdeten Art gehen ihre Vorkommen weiter zurück. Gefährdet ist die Gelbbauchunke -wie all unsere Amphibien- vor allem
durch den Verlust ihrer Lebensräume durch Siedlungs-und Straßenbau, Intensivierung der Bodennutzung und nicht zuletzt der
Klimaerwärmung, die zur frühzeitigen Austrocknung der Laichpfützen führt.
Gelbbauchunken wandern auf der Suche nach neuen Gewässern meist nur ein paar hundert Meter weit. Sie sind darauf angewiesen,
dass in erreichbarer Nähe immer wieder neue Wasseransammlungen entstehen. Unser Filderstädter Förster Herr Hellstern hat in
vorbildlichster Weise entlang von Gräben solche Wasserstellen geschaffen, die von den Unken sehr gut angenommen werden.
Bleibt zu hoffen, dass dies Schule macht und die kleine Unke mit den Herzchen in den Augen auch in Zukunft noch genügend
Wasserlöcher findet, um überleben zu können. Allen Unkenrufen zum Trotz…
Quelle: DGHT Broschüre: Gelbbauchunke-Lurch des Jahres 2014
Text und Foto: Birgit Förderreuther
August 2020: Die Wegwarte ( Cichorium intybus )
Die Wegwarte - Heilpflanze des Jahres 2020 - gehört zur Familie der Korbblütler, Asteraceae. Sie kommt in Filderstadt
überall an sonnigen und mageren Standorten vor. Sie wächst sparrig bis 1,20 m Höhe mit löwenzahnähnlichen
Grundblättern. Die Blüte ist intensiv blau bis hellblau mit 5- zipfeligen Zungenblüten und blüht von Juli bis Oktober
einzeln, zu zweit oder zu dritt am Hauptstängel.
Sie hat einen kräftigen, karottenähnlichen Wurzelstock, der ermöglicht, dass sie mehrjährig vorkommt. Dessen Inhaltsstoffe
wurden schon im 1. Jahrhundert n.Ch. beschrieben. Sie bestehen aus Bitterstoffen Lactucopricin, Inulin, Cichorin- und
Kaffeesäure. In der Volksheilkunde wurden die Wurzeln bei Erkrankung von Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse angewandt.
Auch wurden die Bitterstoffe zur Verdauungsförderung empfohlen.
Aus der Grundform von Cichorium sind viele Kulturformen hervorgegangen: Cichorium intybus radicosum Kaffeezichorie
(Kathreiner Kaffee) ,Cichorium intybus foliosum Salatzichorie, Chicoree. Weitere Salatarten, die aus der Wegwarte gezüchtet
wurden , sind Endivie, Frisee und Radiccio.
Quellen:
Rothmaler Band 5, 2008, Krautige Nutz- und Zierpflanzen
Theo Müller, Schwäbische Flora, 2011
Text: Uli Bessing, Fotos: Uli Bessing, Eberhard Mayer
September 2020: Der Steinpilz ( Boletus edulis )
Steinpilze zählen - auch auf den Fildern - zu unseren bekanntesten und beliebtesten Speisepilzen. Ihr Geschmack wird als
angenehm nussig bezeichnet, weshalb sie in der Küche vielfältig Verwendung finden: angebraten oder gedünstet als
Pilz-Hauptgericht, in kräftigen Soßen und Suppen oder als Beilage in Nudel-/Reisgerichten und Salaten. Getrocknet oder
tiefgefroren können sie auch für längere Zeit haltbar gemacht werden.
Gesammelte Steinpilze sollten auf jeden Fall schnell verarbeitet und zubereitet werden, denn Pilzfliegenlarven können
einen Steinpilz innerhalb von 24 Stunden gänzlich madig machen.
Der Steinpilz gehört zu den Röhrlingen mit dichtem Stiel und festem Fleisch (Name!). Die verschiedenen Röhrlinge mit
braunem Hut lassen sich am besten durch die Farbe ihrer Röhren unterscheiden: beim Steinpilz ist sie weißlich und färbt
sich erst im Alter gelb bis olivgrün. Steinpilze zeigen beim Anschneiden keine Blauverfärbung - im Gegensatz zum
Maronenröhrling, dessen Poren sich bei Druck meist schnell blau färben.
Alle Steinpilze stehen mit Waldbäumen in symbiotischer Verbindung. Fundorte sind offene Stellen in Buchen-Altholzbeständen,
unter Eichen, an Waldrändern und an grasigen Waldwegen und Böschungen. Der Fichtensteinpilz, auch Herrenpilz genannt, ist
in Mitteleuropa der meistgesuchteste Speisepilz; man findet ihn hauptsächlich im Nadelwald mit Fichtenbestand. Alle Versuche,
ihn zu kultivieren, sind bisher erfolglos geblieben. Kiefernsteinpilze kommen schon im Frühjahr auf sandigen Böden in
Kiefernwäldern vor. Das Fleisch ist weißlich und wird unter der Hutoberseite gelegentlich tief weinrötlich.
Der gelbfleischige Steinpilz kommt meist unter Eichen vor, während der schwarze Steinpilz in Mitteleuropa in
wärmebegünstigten Eichen- und Buchenwäldern zu finden ist. Die Hutfarbe ist dunkelbraun; er ist ebenfalls ein sehr
guter Speisepilz.
Sommersteinpilze gibt es oft schon im Mai. Die Haupt-Wachstumszeit der Steinpilze liegt jedoch zwischen Juli und Oktober.
Alle sieben Jahre kann es örtliche Massenvorkommen geben.
Verwechslungsgefahr: Junge Gallenröhrlinge sehen dem Steinpilz oft sehr ähnlich. Zudem wachsen sie oft an Plätzen, wo im
Vorjahr Steinpilze gestanden haben. Es ist deshalb ratsam, eine Geschmacksprobe zu machen, die sofort Klarheit schafft:
Das Fleisch der Gallenröhrlinge schmeckt bitter und die Röhren sind mit zunehmendem Alter rosa gefärbt. Eine
Verwechslungsgefahr mit dem giftigen Satanspilz besteht bei uns eher nicht, denn er kommt auf den Fildern praktisch nicht
vor (seine Röhren sind blut- bis orangerot gefärbt, die Hutfarbe ist hellgrau).
Text: Jürgen Staffeldt, Fotos: J. Staffeldt (Ernte / Uhlberg) , E. Mayer (Prachtexemplar / Langerwald)
Oktober 2020: Die Schwarze Tollkirsche ( Atropa belladonna )
In den Filderstädter Wäldern findet sich bisweilen an den Wegrändern die Tollkirsche. Es handelt sich um einen Strauch
mit schwarzen Beeren. Sie ist stark giftig
Name: Der Name Tollkirsche weist auf die schwarzen Beeren hin. Sie erinnern in Aussehen und Geschmack (süß, leicht
aromatisch, sehr lecker) an Kirschen. Der Name "Toll" deutet auf die psychedelische Wirkung der Beeren hin, die schon in
geringen Dosen zu Rauschzuständen führt.
Der lateinische Name Atropa belladonna weist auf die Göttin Atropos (jene Schicksalsgöttin, die den Lebensfaden abschneidet)
und mit belladonna (=schöne Frau) auf die Pupillenerweiterung beim Verzehr von Tollkirschen hin.
Vorkommen: Die Tollkirsche kommt in Filderstadt in Laubmischwäldern auf Schlagfluren und an Wegrändern vor. Sie ist oft
vergesellschaftet mit rotem Holunder, Weidenröschen und Himbeeren.
Pflanze: Die ausdauernde, krautige Pflanze ist sommergrün. Sie kann bis zu 2m hoch werden. Die kurzgestielten Blätter sind
wechselständig. Die glockenförmigen Blüten fallen durch ihre braunviolette Färbung auf. Ab August finden sich an der
Pflanze oft gleichzeitig Blüten, reife und unreife Beeren. Die Samen werden vor allem über Amseln und Drosseln verbreitet.
Pharmazeutische Wirkung: Die Tollkirsche ist (neben Eisenhut, Herbstzeitlosen und Schierling) eine der giftigsten und somit
auch wirksamsten einheimischen Pflanzen. Der Hauptwirkstoff ist Atropin. Er wird in der Augenheilkunde
(Pupillenerweiterung zur Diagnose), zur Reanimation bei Herzstillstand sowie als Antidot bei der Vergiftung mit
Insektiziden, E 605 und Nervenkampfstoffen eingesetzt.
Giftwirkung: Wegen ihres ausgezeichneten Geschmacks und des leckeren Aussehens kommen Vergiftungen regelmäßig vor.
Für Erwachsene sind 10-20 Früchte tödlich, bei Kindern reichen 2-5 Früchte. Durch den Notarzt wird neben der
Magenentleerung auch Natriumsulfat und Medizinkohle gegeben.
Geschichtliches: Schon seit über 2000 Jahren ist die Anwendung der Tollkirsche dokumentiert. Neben dem Einsatz als
Abortivum (zur Abtreibung) wurde hauptsächlich die psychedelische (traumerzeugende) Wirkung genutzt. In "Hexensalben"
wurde der fettige Auszug der Tollkirsche auf Haut und Schleimhäute aufgebracht, um Traumzustände zu erzeugen. Die
Anwender wurden "toll", stark erregt und verspürten die Fähigkeit zu fliegen ("Flugsalbe").
Quellen:
Wink/van Wyk: Handbuch der giftigen und psychoaktiven Substanzen
Roth/Daunder/Kormann: Giftpflanzen-Pflanzengifte
Text Carsten Wagner, Fotos: Wikipedia, Google
November 2020: Das Schöne Federchenmoos ( Ptilidium pulcherrimum )
Nachdem die letzten Jahre Laubmoose zum Moos des Jahres gekürt wurden, hat man sich für 2020 für ein Lebermoos entschieden.
Bei den Lebermoosen lassen sich 2 Gruppen unterscheiden. Zum einen die, die nicht in Stängel und Blätter gegliedert sind,
wie zum Beispiel das Brunnenlebermoos, zum anderen ein große Gruppe, die Stängel und Blätter ausbilden.
Im Gegensatz zu den Laubmoosen, sind die Blätter bei Lebermoosen oft in zwei bis mehrere Lappen geteilt. Gelegentlich
werden am Blattrand auch haarförmige Zilien ausgebildet. Beim Federchenmoos ist das sehr charakteristisch ausgebildet.
Der Name des Federchenmooses leitet sich vom griechischen ρτιλιδιον (ptilidion)
= kleine Feder, Federchen ab und nimmt
Bezug auf die Form der Blätter. Es wurde schon 1778 von Weber in seiner Flora von Göttingen erwähnt.
Die Art wächst in flachen, angedrückten Rasen auf saurer Borke im unteren Stammbereich von Birke oder Nadelhölzern.
Gelegentlich wird auch Totholz besiedelt. Das Moos bevorzugt frisches bis feuchtes Substrat, bevorzugt an luftfeuchten
Standorten.
Das habituell ähnliche Große Federchenmoos, lässt sich meist schon durch die 2-6 cm langen Pflanzen und den Standort
unterscheiden. Es wächst bevorzugt auf sauren Humus oder Nadelstreu. Die mikroskopischen Merkmale gehen jedoch ineinander
über, so dass die in der Literatur genannten Unterscheidungsmerkmale nicht immer zu einer eindeutigen Bestimmung führen.
Das Federchenmoos findet man auf der gesamten Nordhalbkugel (Nordamerika, Europa, Asien). In Deutschland gehört es zu den
häufigen Arten, wobei es jedoch größere Verbreitungslücken im Nordwestdeutsche Flachland, in den Wärme- und Trockengebieten
am Rhein, Main und in Sachsen-Anhalt gibt. In Süddeutschland ist es auf das Bergland beschränkt und wird schon im Hügelland
selten. Insgesamt ist die Art in Deutschland nicht gefährdet. Auch in Baden-Württemberg ist die Art, vor allem in den
Mittelgebirgen, noch häufiger zu finden.
In Filderstadt wurde die Art trotz gezielter Suche noch nicht beobachtet. Funde im Umfeld der Klingen zur Aich sind aber
denkbar. Da die Art meist nur in kleinen Beständen wächst, ist sie jedoch leicht zu übersehen. Die nächstgelegen Standorte
befinden sich im Schönbuch und nordwestlich von Stuttgart.
Text und Fotos: Uwe Schwarz
Dezember 2020: Der Eichelhäher ( Garrulus glandarius )
Wer rätscht, warnt und lästert am Waldrand, wer miaut wie ein Bussard, wer ruft wie ein Specht und pfeift wie ein Star?
Wer ist bunt, auffällig und vorlaut? Wer ist rastlos und lustig, hüpft und flattert - wer bringt so viel Leben in unseren
stillen Wald?
Mit diesen Eigenschaften hat schon der Heidedichter Hermann Löns den Eichelhäher Markwart ein- und ausdrucksvoll
beschrieben - und ihn bewundert als: "ein Hans Dampf in allen Gassen, Bruder Immerlustig, Prahlhans und Angstmeier,
Wildverkünder und Wildvergrämer, Waldpolizist und Eichenpflanzer. Er macht alles gerade so, wie es ihm in den Kopf
kommt . . ."
Und in der Tat: es gibt bei uns keinen bekannteren, unterhaltsameren und bunteren Waldvogel als den Eichelhäher mit den
blau schillernden Flügelfedern. Schon als Kind haben ihn die meisten Menschen kennengelernt, beim Spaziergang im Wald,
bei der Eichelsuche im Park oder beim Beobachten am Futterhaus, wo er gerne vorbeischaut und Grobfutter stiebitzt.
Warum benennen wir ihn als "Art des Monats" jetzt im Dezember? Im Spätherbst oder am Winteranfang lässt sich der
Eichelhäher sehr gut beobachten. Wenn die Blätter fallen und der Winter vor der Tür steht, sucht der Häher am Waldboden
und in Obstwiesen rastlos nach Eicheln, Bucheckern, Nüssen und anderen Sämereien. Die Früchte versteckt er dann in
seinem Vorratslager für den nahenden Winter: in der Erde oder in Wurzelgängen und Rindenspalten. Wenn er seine Verstecke
nicht wiederfindet, können aus den Samen neue Pflanzen (Bäume) auskeimen - deshalb der Spitzname "Eichenpflanzer"
(siehe oben).
Warum wird der Häher auch Markwart, Kundschafter, Waldwächter oder Waldpolizist genannt? Alle Rabenvögel (zu denen
auch der Eichelhäher gehört) sind intelligent, aufmerksam und wachsam. Häher melden kreischend und rätschend, wenn
Menschen, Rehe oder Wildschweine unterwegs sind - und sie warnen lautstark vor ihren Feinden wie Fuchs und Marder, um
sie zu vergrämen.
Ist der Häher ein Nestzerstörer und Eierdieb? Als Allesfresser ernähren sich Eichelhäher zwar vielseitig, aber
überwiegend pflanzlich von Früchten und Samen. Insekten und ihre Larven stehen ebenfalls auf dem Speisezettel. Häher
sind keine Kostverächter: zur Brutzeit (also zwischen April und Juni) werden auch Eier und Nestlinge von Singvögeln
geplündert.
Was interessiert sonst noch? Eichelhäher sind
Singvögel (!) und zählen zur Familie der Rabenvögel. Sie werden von
Kopf bis Schwanzspitze ca. 32 bis 35 cm lang und besitzen eine Flügelspannweite von 54 bis 58 cm. Die blau und schwarz
gebänderten Flügeldecken sind ein eindeutiges Erkennungsmerkmal.
Nach der Paarung wird im März/April ein flaches Reisignest im oberen Baumbereich gebaut. Zwischen April und Juni legt der
Häher 5 - 6 blassgrünliche Eier und bebrütet sie 16 - 17 Tage lang; die Jungvögel werden knapp 3 Wochen lang von
beiden Eltern im Nest gefüttert. Nach dem Ausfliegen werden die jungen Eichelhäher noch eine Zeitlang mit Nahrung versorgt.
Die meiste Zeit des Jahres leben Häher bei uns als Standvögel, teilweise auch als herumstreifende Strichvögel oder als
Teilzieher. Ihre größten Fressfeinde sind der Baummarder und der Habicht. Obwohl selbst Nesträuber, wird der Eichelhäher
auch immer wieder selbst zum Opfer von Beutegreifern, denn andere Rabenvögel, Marder und Waschbären vergreifen sich gerne
an seinem Gelege oder an den im Nest befindlichen Jungvögeln.
Quellen:
- H.Löns: Aus Forst und Flur. Vierzig Tiernovellen: Der Eichelhäher
- www.nabu.de
Text: Eberhard Mayer, Foto: Artur Calmbacher
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