Rubrik: Pflanze / Tier / Thema des Monats
Januar 2021: Die Schalenamöbe
Eigentlich ist der Begriff der Schalenamöbe als Art des Monats nicht ganz richtig. Es handelt sich um eine Gruppe
einzelliger Organismen, die weltweit mit ca. 2000 Arten vorkommen.
Trotz der Artenvielfalt und Ästhetik der Formen findet diese Gruppe nur wenig Beachtung, obwohl die Anzahl der Individuen
in Abhängigkeit vom Standort beträchtlich sein kann. Schalenamöben sind als Aufwuchs auf Wasserpflanzen zu finden, weit
häufiger aber noch an nassen und feuchten Standorten, zum Bespiel in Moosrasen. Sie sind selbst im Boden und in Laubstreu
weit verbreitet. Planktonforschern werden Arten der Gattungen Arcella und Difflugia im Aufwuchs nur gelegentlich begegnen.
Moossammler wären prädestiniert, um immer wieder auf Schalenamöben zu stoßen. Offensichtlich geht beim Moose sammeln, wo
überschüssiges Wasser ausgedrückt wird, ein Großteil der Schalenamöben verloren. Hinzu kommt, dass man beim Untersuchen der
Moose den anhaftenden Schmutz so gut wie möglich beseitigt.
Schalenamöben selbst sind einzellige Tiere aus der Gruppe der Protozoen. Die veränderlichen Zellen ("Wechseltierchen")
sind von einer einkammerigen Schale umgeben, die aus Pseudochitin aufgebaut ist. Bei einigen Gattungen ist die Schale
homogen (z.B. Arcella). Andererseits können aber Fremdkörper, wie Gestein oder Kieselalgen (z.B. Centropyxis), oder selbst
produzierte Baumaterialien aufgelagert werden (z.B. Euglypha). Die Größe der Schalen variiert je nach Art zwischen
10 µm und 600 µm. Die größten Formen haben somit in etwa die Dicke eines menschlichen Haares.
Centropyxis aerophil |
Euglypha strigosa |
Durch die ein oder zwei Mundöffnungen bilden die Zellen der Schalenamöben sogenannte Scheinfüßchen (Pseudopodien,
Rhizopodien), mit denen sie Nahrungspartikel umfließen oder "einfangen". Dabei handelt es sich um Bakterien oder kleine
Grün- bzw. Blaualgen. Manche Arten sind in der Lage, in die Zellen von größeren Grünalgen einzudringen und deren Zellinhalt
aufzunehmen.
Die höchste Vielfalt von Schalenamöben ist in Torfmoosrasen zu finden. An geeigneten Stellen in Mooren lassen sich in
einem handgroßen Polster mehrere Dutzend Arten finden. Die Moose werden nass gesammelt und die Schalenamöben vorsichtig
ausgespült. Das ausgespülte Material lässt sich durch vorsichtiges Dekantieren zur Untersuchung konzentrieren.
Arten aus Torfmoosrasen vom Himmelsteich: Corythion dubium, Trinema lineare, Quadruella symmetrica, Euglypha cristata,
Euglypha laevis, Assulina muscorum - von links nach rechts
Auf Grund der Kleinheit der Arten und Strukturen sollte das Material bei 1000facher Vergrößerung untersucht werden.
Manche der Strukturen sind erst im Phasenkontrast gut erkennbar.
Bei allen dargestellten Arten handelt es sich um Formen, die sich in Torfmoospolstern am "Himmelsteich" in der Nähe der
Alten Kelter finden. Es ist davon auszugehen, dass sich bei intensiverer Untersuchung insgesamt etwa 20-30 Arten finden
lassen. Leider ist der Wasserstand des "Himmelsteiches" seit 2017 stark zurückgegangen. Auch die von Torfmoosen bedeckte
Fläche ist Ende 2020 stark geschrumpft. Insofern ist es nicht nur wichtig, den einzigen Torfmoos-Standort in Filderstadt
aus mooskundlicher Sicht zu erhalten, sondern auch aus Sicht der Organismen, die auf diese Sonderstandorte angewiesen sind.
Schalenamöben sind dafür ein gutes Beispiel.
Quellen:
- Ortner, B. (2017): Beschalte Amöben (Testaceen) und Zieralgen (Desmidiaceae) des Sphagnetums einiger österreich. Moore
- Schmid, X. (2018): Schalenamöben - wenig bekannte Planktonformen im Moor
- Siemensma, F. J., Microworld, world of amoeboid organisms. World-wide electronic publication, Kortenhoef, the Netherlands
Text und mikroskopische Aufnahmen: Uwe Schwarz
Februar 2021: Die Gemeine Winterlibelle ( Sympecma fusca )
Stellen Sie sich vor: Endlich schenkt uns der Februar ein paar freundlichere und wärmere Tage. Sie haben genug von den
kalten und relativ schneereichen Wintermonaten und machen um die Mittagszeit einen Spaziergang zum Bärensee. Sie setzen
sich auf eine Holzbank am Waldrand und genießen die wärmenden Strahlen der Februarsonne. Plötzlich bewegt sich der
Pflanzenstängel neben der Bank und ein bräunliches, stabförmiges, ca. 4 cm langes Individuum (Insekt?) dreht sich vor Ihren
Augen auf die Rückseite des Halmes.
Nein - Sie haben richtig gesehen! Sie benötigen keine stärkere Brille, und Sie leiden auch nicht an Halluzinationen,
weil sich der Stängel vor Ihnen plötzlich bewegt hat und möglicherweise ein paar Meter weiter flog. Das geheimnisvolle
Etwas vor Ihren Augen stellt sich als eine Libellenart (!) mit ungewöhnlichen Eigenschaften heraus: es handelt sich um
die einzige Libelle Mitteleuropas, welche nicht als Larve, sondern als voll entwickeltes Insekt (= Imago) überwintert
und die deshalb die Bezeichnung Winter-Libelle völlig zu Recht verdient.
Grundsätzliches und Merkmale:
Die "Gemeine Winterlibelle" wird der Unterordnung der Kleinlibellen und der Gattung der Teichjungfern zugeordnet. Sie
erreicht eine Körperlänge von knapp 4 cm und eine Flügelspannweite von 36 - 46 mm. Die Brust (Vorderkörper) ist hellbraun
gefärbt mit zwei dunkelbraunen Binden. Auf der Oberseite des Hinterleibs sind 5-6 lanzettförmige, dunkelbraun bis kupfern
getönte Flecken zu erkennen. Männchen und Weibchen sind in der Färbung kaum zu unterscheiden; sie halten ihre Flügel meist
geschlossen. Dank ihrer der Umgebung angepassten Färbung sind sie nur schwer zu finden und zu erkennen!
Lebensweise:
Winterlibellen paaren sich im April/Mai: in "Tandemstellung" setzen sie sich zur Eiablage auf im Wasser schwimmendes,
abgestorbenes Pflanzenmaterial. Nach der Fortpflanzung leben die "Alttiere" nur noch wenige Wochen weiter bis in die
Monate Mai/Juni.
Drei Wochen nach der Eiablage schlüpfen die Larven und entwickeln sich bereits nach weiteren 2 - 3 Monaten, also im
Juli/August, zum fertigen, flugfähigen Insekt. Im Herbst sucht die ausgewachsene Winterlibelle ihre Überwinterungs-Quartiere
auf; diese können sowohl in Wassernähe, aber auch an weiter entfernten, windgeschützten Orten wie Waldrändern liegen. In
ihrer erstaunlichen Überlebensfähigkeit können sie sich dabei vollkommen einschneien lassen - andererseits bleiben sie
auch bei leichtem Frost durchaus bewegungsfähig.
Die Flugzeit der Winterlibellen dauert von Juli/August bis zum Mai/Juni des Folgejahres. Bei 10-11 Monaten Lebensdauer
wird die Art also "relativ alt". Zum Vergleich: es gibt viele andere Libellenarten, welche voll entwickelt nur
zwischen 2 Wochen bis zu 3 Monaten alt werden.
Wo können wir Winterlibellen beobachten?
Wegen ihrer perfekten Tarnung sind Winterlibellen nicht leicht zu finden. Sie bewohnen stehende Gewässer mit zumindest
teilweise bewachsenen Ufern. Wir haben die Art inzwischen an 13 verschiedenen Gewässerabschnitten Filderstadts feststellen
können. Am Bärensee, in Tümpeln und Teichen im Bombach- und Reichenbach-Tal sowie in Gewässern am Uhlberg und im
Bechtenrain bestehen gute Beobachtungsmöglichkeiten. Wegen der erwähnten guten Tarnung ist Geduld und Ausdauer gefragt!
Keine Angst - sie stechen nicht!
Literatur:
Der Kosmos Libellenführer (Bellmann, 2013, Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH)
Internet: https://libellenwissen.de
Text: Eberhard Mayer, Fotos: E. Mayer, A. Calmbacher
März 2021: Das Buschwindröschen ( Anemone nemorosa )
Der Blühbeginn des Buschwindröschens gilt als das Einsetzen des Erstfrühlings. Auch vielleicht deshalb beginnt Rita
Lüder ihr Vorwort zum Grundkurs zur Pflanzenbestimmung mit der schwärmerischen Szenerie, wie unvergesslich schön es
sei, "mitten in einem Sternenmeer aus Buschwindröschen zu stehen, die ersten warmen Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren,
den Duft der erwachenden Natur zu riechen und das Gezwitscher der Singvögel zu hören" und führt dann in die Systematik
anhand dieses Gewächses ein.
Das Buschwindröschen ist 10-25 cm hoch, und hat einen waagrecht im Boden kriechenden Wurzelstock als Speicherorgan.
Dadurch kann es zeitig austreiben, wenn die Bäume noch unbelaubt sind und ausreichend Sonnenlicht auf den Waldboden gelangt.
Es blüht von Anfang März bis Anfang Juni mit meist einer Blüte pro Pflanze, die 2 - 4 cm im Durchmesser hat, und fast immer
6 Blütenblätter, die weiß, bisweilen auch außen rosa überlaufen sind. Zahlreiche gelbe Staubbeutel stehen in der Mitte der
Blüte. Nachts und bei kühler Witterung wird diese durch unterschiedlich starke Wachstumsbewegungen der Außen- und
Innenseite der Kronblätter geschlossen.
Die Pflanze hat drei Stengelblätter, die im oberen Drittel des Stengels entspringen. Diese sind bis zu 6 cm lang,
2-5 teilig und grob gezähnt. Sie ist ein Licht- und Frostkeimer.
Aus der Blüte entwickeln sich in einer Sammelfrucht Nüsschen. Die Samen werden aufgrund ihres Anhängsels, das Zucker,
Fett u. Stärke enthält, von Ameisen gesammelt und verbreitet. Die vier einheimischen Arten der Gattung Anemone sind mehr
oder weniger giftig. Der Genuß von 10 - 20 frischen Pflanzen soll für den Menschen tödlich sein.
Weil besonders sonnenhungrig, ist das Buschwindröschen ein Frühblüher krautreicher Wälder. Auch außerhalb, auf den
Fildern in Gebüschnähe, und in den Streuobstwiesen, ist es häufig zu beobachten. Die Pflanze verträgt ein- bis zweimalige
Mahd und ist in Baden-Württemberg nicht gefährdet. Im Laufe des Frühsommers werden die oberirdischen Pflanzenteile
eingezogen und im Rhizom die Nährstoffe gespeichert.
Im Garten gedeiht das Buschwindröschen am besten an ungestörten Plätzen unterhalb von Gehölzen. Als Pflege ist eine gelegentliche
Humusgabe ausreichend. Jede bodenbearbeitende Maßnahme stört die Pflanze in ihrer Entwicklung.
Der wissenschaftliche Name leitet sich vom Griechischen anemos her für Wind und dem lat. nemorosus für "schattig,
waldreich". Unter dem Namen Bettsaicher habe ich diese Pflanze in meiner Kindheit kennengelernt, Luck soll sie in
Tübingen genannt werden und auch sonst gibt es regional unglaublich viele volkstümliche Bezeichnungen.
Text: Marion Schacke-Schreiber, Fotos: Andreas Hermsdorf / pixelio.de, Artur Calmbacher
April 2021: Die Rauchschwalbe ( Hirundo rustica )
"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!"
Was sagt uns diese alte Lebensweisheit? Zum einen: erst wenn wir viele Schwalben am Himmel sehen, können wir davon
ausgehen, dass der Frühling wieder bei uns einkehrt. Und zum anderen - ganz allgemein ausgedrückt: man soll keine voreiligen
Schlüsse ziehen.
Jetzt, im Monat April, kehren die Schwalben traditionell aus ihren Winterquartieren zurück in ihre europäischen
Sommer-Brutgebiete. Dabei überwinden sie Tausende von Flug-Kilometern, um aus Mittel- und Südafrika kommend wieder ihre
angestammten Brutplätze aufzusuchen.
Wir kennen in Filderstadt zwei verschiedene Schwalbenarten: Rauch- und Mehlschwalben.
Wie können wir sie unterscheiden?
Rauchschwalben kommen ca. 2 Wochen früher aus Afrika zurück. Sie besitzen lange, dünne Schwanzspieße, ein
braunrotes Gesicht und sind etwas größer als Mehlschwalben, welche im Flug am weißen Bürzel und dem nur schwach
gegabelten Schwanz zu erkennen sind.
Der größte Unterschied liegt in der Wahl des Brutplatzes: während Rauchschwalben stets im Inneren von Gebäuden brüten
(in Viehställen und benachbarten Durchgängen und Räumen), bauen Mehlschwalben ihre Nester immer an die Außenseiten von
Gebäuden, gerne unter Dachvorsprüngen.
Beide Schwalbenarten haben bei uns dasselbe Problem: ihr Bestand ist stark gefährdet, sie stehen auf der
Roten Liste bedrohter Vogelarten,
weil ihre Lebensräume und die bevorzugten Brutplätze an Außenfassaden und in Viehställen immer mehr abnehmen.
Dabei leidet die Rauchschwalbe vor allem unter dem "Höfesterben": geeignete Brutplätze findet sie fast nur noch
in wenigen Aussiedlerhöfen mit geeignetem Viehbestand. Wie wir In Filderstadt durch unsere jährlichen Schwalbenzählungen
belegen können, haben wir in Sielmingen noch 3 Höfe mit mehr als 10 Nestern aufzuweisen, in Bonlanden, Harthausen und
Plattenhardt ist es jeweils nur noch 1 Aussiedlerhof mit 10 - 20 Rauchschwalben-Nestern - in Bernhausen sind sogar alle
früheren Brutvorkommen erloschen!
Wie können wir den Rauchschwalben helfen, diesen Sympathieträgern unter den Vögeln, die uns den Frühling bringen, immer
zwitschern und gut gelaunt sind, unsere Häuser und Ställe von lästigen Fluginsekten befreien und gerne die menschliche Nähe
suchen? Wie wird ein Hofgebäude zum schwalbenfreundlichen Hof? Der NABU empfiehlt:
- Freien Einflug zum Viehstall ermöglichen, ein gekipptes Fenster ist oft ausreichend.
- Kleine Kotbretter an der Stallwand helfen den Schwalben beim Nestbau. Sie verhindern, dass das Nest abstürzt
und fangen herabfallenden Kot auf.
- Im Viehstall helfen auch Kunstnester, die möglichst eine Handbreit unter der Decke befestigt werden.
- Angelegte Lehmpfützen in Hofnähe sind den Schwalben nützlich als Tränke und bieten den Vögeln Material für
den natürlichen Nestbau an. Pfützen bitte ständig feucht halten und nicht in der Nähe von Gebüschen anlegen (wegen Katzen).
Leider muss immer wieder darauf hingewiesen werden: Schwalbennester genießen als Brutstätten gefährdeter Vogelarten
gesetzlichen Schutz! Das Abschlagen oder Abmontieren leerer Schwalbennester ist eine Ordnungswidrigkeit. Bei der
Entfernung von Nestern mit Eiern oder Jungvögeln ist nach Bundesnaturschutzgesetz sogar von einer Straftat auszugehen.
NABU und Biotopkartierer beraten in diesem Zusammenhang gerne und bieten für Interessierte auch Kunstnester zum
Selbstkostenpreis an.
Schließen wir wieder mit einer Bauernregel: "An Mariä Geburt ziehen die Schwalben furt."
Bis zum 8. September dauert es noch - wir wünschen eine schöne, gesunde Sommerzeit!
Text: Eberhard Mayer, Fotos: A.Calmbacher, E.Mayer
Mai 2021: Die Schafgarbe ( Achillea millefolium )
Heilpflanze des Jahres 2004, Staude des Jahres 2021
(Engl. Milfoil, Frz. Achilleé)
Die Schafgarbe kommt unter anderem auch auf den Fildern häufig vor. Sowohl von Magerwiesen bis Hochstaudenfluren und
Schafweiden. Ihr Ausbreitungsgebiet ist europaumfassend.
Sie ist ausdauernd und hat einen ausläufertreibenden Wurzelstock. Sie kann von 20 cm bis 70 cm hoch werden. Ihre Blütezeit
ist von Mai/Juni bis Oktober.
Der Name Achillea wird auf den Helden der griechischen Mythologie zurückgeführt, der die Pflanze entdeckt und zur
Wundheilung angewendet haben soll. Auch Hildegard von Bingen (1098 -1179) beschreibt die heilende und blutstillende
Fähigkeiten der Schafgarbe.
Im Mittelalter wurden die Samen der Schafgarbe zur Haltbarmachung von Wein benutzt.
Die Blütenköpfe haben gelblich - weisse Röhrenblüten in der Mitte und randständige weisse und rosa Zungenblüten. Dadurch
wurden sie früher den doldenblütigen Stauden zugeordnet.
Als Heilpflanze hat sie ähnliche wirksame Inhaltstoffe wie die Kamille, der sie nahesteht. Die heilsamen Inhaltstoffe
sind Azulen, Eukalyptol und Flavone. Ihre Eigenschaften sind blutstillend, schweisstreibend und fiebersenkend.
Als Staude des Jahres 2021 umfasst die Art Achillea ca. 80 Arten in Europa. Achillea-Arten neigen zum Bastardieren.
Auch gibt es ca. 25 kultivierte Zierarten der Gartenschafgarbe.
Die deutsche Bezeichnung "Schafgarbe" hängt vermutlich damit zusammen, dass Schafe das würzige Kraut gerne fressen.
Quellen:
Schwäbische Flora, 2011 Theiss Verlag Theo Müller
Hildegard von Bingen 1998 Komet Verlag
Schmeil-Fitschen 2011 Quelle &Meyer Verlag
Text: Ulrich Bsssing, Foto: Internet
Juni 2021: Der Große Rosenkäfer ( Protaetia aeruginosa )
Fliegt etwas Kompaktes mit tiefem Brummen an einem vorbei, dann könnte das ein Rosenkäfer sein. In unseren Gefilden
handelt es sich dabei meistens um den Gemeinen Rosenkäfer (Cetonia aurata). In letzter Zeit jedoch konnte man auf
Filderstadts Waldwegen auch einige Exemplare seines nahen Verwandten, dem Großen Rosenkäfer finden. Der Name ist
Programm - mit seinen durchschnittlich 2,5 cm Länge gehört er zu den Imposanten seiner Zunft. Und zu den Schönen: Sein
gesamter Körper glänzt metallisch grün. Je nach Lichteinfall kann er dabei golden schimmern, weshalb er auch Großer
Goldkäfer genannt wird. Im Gegensatz zum Gemeinen Rosenkäfer, der einige weiße Querrillen aufweist, wird sein Farbglanz
durch nichts unterbrochen. Ein fliegender Edelstein - wobei auch der Begriff Klunker nicht untertrieben wäre.
Der schillernde Farbeindruck wird durch eine spezielle Oberflächenstruktur des Chitinpanzers hervorgerufen. Dabei
überlagern sich verschiedene Lichtwellen (Interferenz), so dass - je nach Blickwinkel - verschiedene Farbeindrücke
entstehen. Diesen sogenannten Flop-Effekt hat sich der Mensch abgeschaut und macht ihn sich zum Beispiel in der
Kosmetikindustrie oder bei farbändernden Autolacken zunutze.
Begegnen kann man dem Großen Rosenkäfer vor allem im Mai und Juni an sonnigen Waldrändern. Er ernährt sich von Baumsaft,
der aus verletztem Holz austritt, ist aber auch an reifem Obst zu finden. Beim Fliegen benutzt er eine andere Technik als
die meisten anderen Käfer: Startet zum Beispiel ein Marienkäfer durch, so öffnet dieser zuerst die oberen bunten Deckflügel,
um danach die darunter liegenden häutigen Hinterflügel auszuklappen. Beim Rosenkäfer bleiben die Deckflügel geschlossen.
Die zusammengefalteten Hinterflügel werden zum Flug durch Schlitze an den Körperseiten ausgefahren. Eigentlich kaum
glaubhaft, dass diese solch einen schweren Käfer tragen können.
Für die Fortpflanzung braucht der Große Rosenkäfer alte Bäume, vorzugsweise Eichen. Darüber hinaus können auch Buchen,
Linden sowie Obstbäume als Kinderstube dienen. Die Eier werden in alte Spechthöhlen oder andere Astabbruch-Löcher gelegt.
Die Larven ernähren sich dann von Mulm (verfaultes, zu Pulver zerfallenes Holz). Drei lange Jahre fressen und wachsen sie
vor sich hin und können dabei eine Länge von über 6 cm erreichen. Erst dann erfolgt die Verpuppung und Umwandlung zum Käfer.
Ein naher Verwandter des Rosenkäfers ist übrigens der Eremit oder Juchtenkäfer (Osmoderma eremita), der durch Stuttgart 21
traurige Berühmtheit erlangt hat.
Warum ist dieses harmlose, imposante Insekt bei uns in Baden-Württemberg so selten, dass es sogar vom Aussterben
bedroht ist?
Der Grund ist, dass es kaum noch alte Bäume und Totholz in unseren Wäldern gibt. Viele Menschen empfinden es als
unordentlich, wenn abgestorbene Bäume im Wald und auf den Wiesen stehen und dürre Äste am Boden liegen. Aber eine
aufgeräumte Natur ist für die meisten Lebewesen verloren. Erfreulicherweise werden im Filderstädter Wald Inseln mit
alten und absterbenden Bäumen stehen gelassen (Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg). Hier wird durch
Strukturvielfalt Artenvielfalt ermöglicht. Denn totes Holz steckt voller Leben.
Quelle: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/natur-und-landschaft/grosser-rosenkaefer
Text und Foto: Birgit Förderreuther
Juli 2021: Der Große Wiesenknopf ( Sanguisorba officinalis )
Der Große Wiesenknopf, Blume des Jahres 2021, ist eine krautige Pflanze welche zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae)
gehört. Seine Blätter sind gefiedert, die einzelnen Fiederblättchen (in der Regel drei bis sechs Fiederpaare) sind eiförmig,
laufen spitz zu und haben einen deutlich gesägten Rand. Sie stehen wechselständig und zeigen oberseits einen kräftigen
dunkelgrünen Farbton. Die Unterseite ist blaugrün bis gräulich gefärbt.
Trotz einer Wuchshöhe von 50 bis 120 cm fällt der Große Wiesenknopf außerhalb der Blütezeit oftmals nicht besonders auf.
Steht er doch in feuchten Hochstaudenfluren und auf frischen bis feuchten Wiesen mit großem Blüten- und Strukturreichtum.
Solche Wiesen und Weiden sind auch unter dem Begriff extensives Grünland bekannt, für welches der Große Wiesenknopf als
typischer Vertreter steht. Mehr noch, er gehört sogar zu den wertbestimmenden und kennzeichnenden Arten für die
Lebensraumtypen ‚Brenndolden-Auenwiesen' und ‚Magere Flachland-Mähwiesen' der FFH-Richtlinie. Und das aus gutem Grund.
Mit der Unscheinbarkeit ist es nämlich ab Mitte Juni bis in den September hinein vorbei. In diesem Zeitraum blüht der Große
Wiesenknopf und präsentiert seine auffälligen, kräftig dunkelrot leuchtenden Blütenköpfchen. Diese sind aus 20 bis 40
Einzelblüten zusammengesetzt welche sich stets von oben nach unten öffnen. Bestäubt wird der Große Wiesenknopf durch eine
Vielzahl von Insekten, die seine Blüten besuchen. Zur Not ist aber auch eine Selbstbestäubung der zwittrigen Blüten möglich.
Die Vermehrung der Pflanze geschieht über die im Herbst ausgebildeten Nussfrüchte, die durch Wind, Wasser oder Tiere
verbreitet werden. Daneben besteht für den Großen Wiesenknopf auch die Möglichkeit zur Ausbreitung mittels Rhizome.
Diese werden gleichzeitig auch als Speicher- Überdauerungsorgan für den Winter genutzt.
Der Große Wiesenknopf ist über den ganzen eurasischen Kontinent verbreitet, jedoch nicht flächendeckend. Er bevorzugt
sonnige bis halbschattige Standorte in feuchten Wiesen vom Hügelland bis in die subalpinen Höhenstufen. In Deutschland
liegt sein Verbreitungsschwerpunkt im Süden. Im Norden dagegen findet man ihn nur vereinzelt. Doch auch im Süden verzeichnet
der Große Wiesenknopf merklich Verluste durch den Rückgang der extensiven Grünlandnutzung.
Mit der Kür zur Blume des Jahres will die Loki Schmidt Stiftung auf diesen Rückgang aufmerksam machen. Der Großen
Wiesenknopf ist dabei ein Paradebeispiel für die vielgestaltigen Beziehungen zwischen den Pflanzen- und Tiergesellschaften
des extensiven Grünlands. Weithin bekannt ist beispielsweise sein Verhältnis zu den Wiesenknopf-Ameisenbläulingen. Diese
Schmetterlinge sind, wie ihr Name schon verrät, zwingend auf den Großen Wiesenknopf angewiesen. Verschwindet dieser, fehlt
ihre Lebensgrundlage. Der Erhalt einer einzelnen Art sichert somit vielen weiteren Arten das Überleben.
Quelle: Loki-Schmidt-Stiftung Blume_des_Jahres_2021_Wiesenknopf
Text: Juliane Körner, Zeichnung: Jutta Ende - Loki-Schmidt-Stiftung, Foto: Bernhard Holoch
August 2021: Der Acker-Gauchheil ( Anagallis arvense )
Heil-, Wild- oder Unkraut?
Obwohl der Anbau von Nutzpflanzen schon seit der Jungsteinzeit vor rund 7000 Jahren in Mitteleuropa bekannt ist,
liegen schriftliche Aufzeichnungen über Nutzpflanzen und Unkräutern erst aus den letzten Jahrhunderten vor. Fast alle
Kulturpflanzen, die damals bekannt waren, stammen aus dem Vorderen Orient. Auch dort kamen Unkräuter vor. Die meisten
Unkräuter Mitteleuropas gab es aber in Vorderasien nicht. Daraus muss man folgern, dass mitteleuropäische Wildkräuter
nicht aus dem Nahen Osten stammen.
Die frühen Ackerbauern hatten aber auch schon dafür zu sorgen, dass die Wildkräuter den Nutzpflanzen nicht die
spärlichen Nährstoffe streitig machten. Ihnen blieb nur die manuelle Entfernung der ungeliebten Pflanzen. Erst die moderne
Landwirtschaft kann mit Hilfe der chemischen Industrie ihre Felder weitgehend unkrautfrei halten (z.B. mit Glyphosat / Roundup).
Damit sind allerdings leider auch die bunten Getreidefelder verschwunden.
Es ist kein Platz mehr für Kornblume,
Rittersporn, Kornrade, Klatschmohn und Kamille. Die Vielfalt der Acker-Wildkräuter können wir noch an Feldrainen und
Böschungen, in Weinbergen und Gärten, auf abgeernteten Feldern und Ruderalflächen finden.
Hier möchte ich nicht die bunten Blumen sondern eine kleine, zarte Pflanzen-Schönheit vorstellen, den Acker-Gauchheil.
Die Pflanze, ein Primelgewächs, ist schon früh aus dem Mittelmeerraum zu uns eingewandert. Es handelt sich um ein
niederliegendes Pflänzchen mit rundlichen, kräftig grünen, gegenständlichen Blättchen. Aus den Blattachseln erwachsen
auf fadenförmigen Stielen einzelne, 5 bis 7 mm große ziegelrote Blüten mit 5 runden Blütenblättern, die wie von Kinderhand
gemalt aussehen. Die Samen sind extrem ausdauernd. Sie können über viele Jahre im Boden verbleiben, bis ihnen die
Bedingungen zur Keimung passen. Sie brauchen ein Stück offenen Boden, genügend Wärme, Feuchtigkeit und Licht.
Das Kraut ist schwach giftig. Früher glaubte man an seine Heilwirkung bei Geisteskrankheiten. Darauf weist der Name
hin: Mit "Gauch" oder "Gauk" bezeichnete man nicht nur den Kuckuck, sondern auch den Narren und den geistig Behinderten.
Bis heute konnte man keine diesbezüglich wirksamen Substanzen entdecken. Deshalb trägt der Gauchheil seinen Namen zu
Unrecht. Gegen Dummheit und Narretei ist eben doch kein Kraut gewachsen.
Quellen:
- Kosmos Pflanzenführer
- Flora und Fauna der Äcker und Weinberge, Universität Bonn
Text und Fotos: Brigitte Spahr
September 2021: Die Kreuzspinne ( Araneus diadematus )
Garten-Kreuzspinnen gehören zu den Radnetzspinnen. Sie sind ortstreu. Auf dem Hinterleib haben sie eine kreuzförmige
Zeichnung, daher der Name. Sie bauen ihr Radnetz mit einer Klebfadenspirale. Die Fäden kommen aus winzigen Drüsen am
Hinterleib. Diese bestehen aus flüssigem Protein, die an der Luft sofort fest werden. Viele Fäden vereinen sich zusammen
zu einem dünnen Faden, welcher dünner ist als ein Haar. Der Faden ist elastisch und fast so fest wie Stahl.
In Mitteleuropa gibt es ca. 1000 Spinnenarten. Weltweit ca. 48.000 Arten. Ihre Beute besteht fast nur aus Insekten. Sie
sind damit nützliche Vertilger von Ungeziefer. Das Netz findet man oft in Bodennähe, oder gut zu
erkennen an Zweigen von Bäumen, Sträuchern, Fenstern, Türecken und Balkonen. Die Kreuzspinne kann die Färbung an die
Helligkeit der Umgebung anpassen. Sie ist eine der größten einheimischen Spinnen. Die Weibchen haben eine Körperlänge
bis zu 18 mm, die Mänchen etwa 10 mm. Das Gift der Spinne ist schwach, für den Mensch aber unangenehm.
Nachts liegt sie in der Mitte ihres Netzes auf der Lauer, mit dem Kopf senkrecht nach unten. Bei Gefahr lässt sich die
Spinne an ihrem Fluchtfaden nach unten fallen, daher wohl die unübliche Stellung.
Am Tag ist sie in ihrem Versteck in der
Nähe des Netzes. Wenn eine Beute im Netz ist, eilt sie herbei und wickelt mit ihren Spinnfäden die Beute ein und tötet
ihre Mahlzeit mit einem Giftbiss, spritzt Verdauungssäfte in den Körper und saugt den Brei dann auf. Das alte Netz
wird nachts dann aufgefressen ( 100% Recycling! ) und bei Sonnenaufgang wieder neu gebaut.
Wenn Landwirte ihre Felder mit chemischen Unkrautvernichtern besprühen, finden die Spinnen keine Beute. Ebenso gibt es
keine Wildkräuter, wo sich die Spinnen verstecken können.
Text und Foto: Jürgen Staffeldt
Oktober 2021: Das Bachneunauge ( Lampetra planeri )
Das Bachneunauge - Fisch des Jahres 2012 - Fisch oder Fossil?
In "unserem" Reichenbach, zusammen mit der Aich, befindet sich eines der seltenen Vorkommen eines sonderbaren Fisches.
Aber ist es tatsächlich ein richtiger Fisch?
Das Bachneunauge gehört zur Klasse der Rundmäuler (Cyclostomata). Diese Klasse hat eine Entwicklung
von über 400 Millionen Jahren hinter sich. Die Cyclostomata zweigten in der Entwicklung frühzeitig von den echten Fischen
ab. Ihre Vorfahren, die Panzerfische, sind als Fossilien aus dem Devon bekannt. Die Cyclostomata sind die primitivste
Wirbeltiergruppe, die wir kennen. So hat das Bachneunauge keinen Kiefer, keine Schwimmblase , keine paarigen Flossen und
nur ein ganz geringes Skelett.
Das Bachneunauge wird bis zu 20 cm lang. Es hat einen aal-ähnlichen Körper .Charakteristisch sind die 7 Kiemenöffnungen
auf jeder Seite, die in einer Reihe mit dem richtigen Auge und der Nasenöffnung im Wasser so aussehen, als habe der Fisch
9 Augen. Ein echtes "Neunauge".
Mit seiner oberseits blaugrün gebänderten
Färbung und dem hellen Bauch ist es ideal angepasst an klare Bäche und Flüsse der Forellen/Äschenregion. Erwachsene
Neunaugen laichen von März bis Juni an sandigen und kiesigen Stellen unserer Bäche. Das Larvenstadium dauert 3-5 Jahre.
Dabei sind die "Querder" blind. Um Schwebteilchen, von denen sich der Querder ernährt, aus dem Wasser filtrieren zu können,
ragt das Maul etwas ins strömende Wasser. Erst mit der Umwandlung zum erwachsenen Tier setzt das Sehen ein. Dafür verkümmert
der Darm und die erwachsenen Tiere nehmen keinerlei Nahrung mehr auf. Direkt nach der Paarung und dem Laichen sterben sie ab.
Ende der 1990er Jahre galt das Bachneunauge im Kreis Esslingen mit einer Ausnahme als ausgestorben. Lediglich im Oberlauf
des Reichenbaches konnte es noch nachgewiesen werden. Inzwischen scheinen sich die Bestände zu erholen. So kann das
(dem Fischer meist unsichtbare) Bachneunauge bei wissenschaftlichen Elektrobefischungen in Reichenbach, Schaich und
Aich immer wieder nachgewiesen werden. Bei der letzten Kartierung fanden sich auf einer Strecke von 100 Metern 41
Bachneunaugen!
Ich freue mich, dass viele Maßnahmen zur Verbesserung unserer Fließgewässer ganz konkrete Erfolge bei dieser seltenen
und besonderen Tierart bewirkt haben.
Quellen:
- "Natur im Landkreis Esslingen", Band 4, Nabu 1997
- Muus/Dahlström "Süßwasserfische"
- Fischereiforschungsstelle BW, E-Befischungsprotokolle 2018
- "Fische in Baden-Württemberg", MLR BW
Text: Carsten Wagner, Foto: B.R.Quintella
November 2021: Das Sparrige Runzelbrudermoos - Moos des Jahres 2021 ( Rhytidiadelphus squarrosus )
Das sparrige Runzelbrudermoos, auch sparriges Kranzmoos, ist eines der ersten Moose, die man kennenlernt, wenn man
beginnt sich etwas intensiver mit Moosen zu beschäftigen. So ging es auch dem Autor vor 35 Jahren, als er seine ersten
Moose gesammelt hatte.
Dass man beim Moose sammeln relative schnell auf diese Art stößt, ist auch nicht verwunderlich, da es zu den häufigsten
Moosen in Deutschland gehört. Nur in den mitteldeutschen Trockengebieten, die im Regenschatten östlich des Harzes liegen,
ist das Moos nicht zu finden.
Auch in Filderstadt gehört das Sparrige Runzelbrudermoos zu den häufigsten Moosen. In den Siedlungsbereichen ist es
überall zu finden. Nur in den Wäldern in Richtung Aich und den landwirtschaftlich genutzten Bereichen kommt das Moos
nicht vor. Maßnahmen zum Schutz sind nicht erforderlich.
Viele der Gartenbesitzer werden mit dieser Art schon Bekanntschaft gemacht haben. Es besiedelt sehr häufig schattige,
feuchte Standorte in Rasen und kommt dort regelmäßig mit dem Spießmoos und dem Rauhen Kurzbüchsenmoos vor. An geeigneten
Stellen kann es quadratmetergroße reine Rasen bilden. Neben diesen anthropogenen Standorten ist es auch in den Wäldern zu
finden, besiedelt dort aber sonnigere Standorte an Waldwegen und Lichtungen.
Die Art ist auch für den Laien gut kenntlich. Die unregelmäßig verzweigten, rötlichen Stämmchen mit sparrig
zurückgekrümmten Blättern lassen sich an den genannten Standorten mit keinem anderen Moos verwechseln.
Interessanterweise findet man bei dieser Art nur äußerst selten Sporenkapseln, die von den Moosen zur Vermehrung
gebildet werden. Über die letzten Jahrzehnte hat der Autor nur einmal Pflanzen mit Kapseln gesehen. Dass das Moos
trotzdem so häufig ist, liegt daran, dass sich die Art über Stengelbruchstücke vermehrt, die durch Tiere oder Wind
verbreitet werden. Aus diesen bilden sich an geeigneten Standorten wieder neue Moospflanzen. Regelmäßiges Mähen ist in
diesem Falle nicht schädlich, sondern hilft der Art sich weiter auszubreiten.
Abschließend drängt sich die von Hobbygärtnern oft gestellte Frage auf, wie man das Moos aus dem Rasen beseitigen kann.
In den allermeisten Fällen wird man nicht erfolgreich sein. Als Lebensraum für Mikroorganismen ist es auch nicht angebracht,
das Moos ganz aus den Gärten zu verbannen. Eine moderate Stärkung des Graswachstums und die Verminderung der Beschattung
werden noch am besten helfen. Letztlich sollte man aber diesem überaus attraktiven und hübschen Moos einen Platz im eigenen
Garten zugestehen.
Text, Foto und Verbreitungskarte: Uwe Schwarz
Dezember 2021: Die Esche ( Fraxinus excelsior )
Die Esche ist ein fester Bestandteil der heimischen Baumarten. Im Filderstädter Wald ist sie in fast allen Waldbeständen
zu finden. Bisher! Setzt ihr doch ein kaum mit bloßem Auge sichtbarer Pilz zu, mit dem harmlosen Namen "Falsches
weißes Stengelbecherchen" (Hymenoscyphus pseudoalbidus).
Dieser Pilz hat in den letzten Jahren die Eschen bei uns im Wald stark geschädigt, so dass sogar flächig Holzeinschläge
vorgenommen werden mussten, um das Holz verwerten zu können bzw. die allgemeine Verkehrssicherheit im Wald aufrecht zu
erhalten. Sechzig bis achtzig Prozent der Bäume sind schon befallen. Erstmals in Polen in den neunziger Jahren
festgestellt, ist er in über zweiundzwanzig Ländern verbreitet.
Die Esche gehört zur Familie der Ölbaumgewächse. Sie erreicht ein Alter bis dreihundert Jahren, eine Höhe von knapp
vierzig Metern und einen Stammdurchmesser bis zu einhundertsiebzig Zentimetern. Die kreuzweise gegenständig angeordneten,
langgestielten Laubblätter werden etwa zwanzig Zentimeter lang und bleiben bei Laubfall im Herbst als Besonderheit
grün. Die Knospen sind recht charakteristisch, Farbe schwarz, recht derb, dick und zugespitzt. Für den Boden ist der
Laubfall günstig, da die Streu bodenverbessernd und humusbildend wirkt.
Die rispenförmigen Blüten erscheinen vor Laubaustrieb im Frühjahr, April bis Mai. Die Früchte sind geflügelte,
einsamige Nüsschen, die über den Wind verbreitet werden können. Um diese zu bilden, muss die Esche ein Alter im Wald von
etwa vierzig Jahren erreichen. Sie überliegen, keimen also erst im zweiten Jahr, können sogar bis zu sechs Jahre im Boden
bis zur Keimung ausharren. Die Rinde ist in der Jugend völlig glatt, grünlich und weist ab etwa zwanzig Jahren zunehmend
Risse auf, die im Alter den ganzen Stammumfang erreichen. Die Farbe wechselt dann in grau. Sie hätte für gutes Wachstum
gerne einen nähstoffreichen, kalkhaltigen und nicht zu trockenen Standort. Besiedelt durchaus aber auch Böden die
deutlich in Richtung trocken tendieren. Sie ist gerne auf den reichen, feuchten Standorten der Auewälder mit vertreten,
geht aber auch auf sehr trockene Standorte der Schwäbischen Alb. Mit ihrem kräftigen Senkerwurzelsystem dringt sie in
Felsspalten und kann auch tiefer gelegene Bodenschichten erreichen.
Das Holz der Esche wird als Edellaubholz geführt, ist relativ schwer, sehr elastisch und daher häufig für Werkzeugstiele
und Sportgeräte wie Barren oder Leitern in Verwendung. Da es auch oft einen braunen Kern aufweist, wird es gerne als
Möbelfurnierholz verwendet. Das helle, freundliche weiße Splintholz gerne zum Treppenbau.
Das vermutete Verschwinden aus unseren Wäldern, es sollen nach wissenschaftlichen Untersuchungen nur etwa zwei bis drei
Prozent überleben, ist besonders bedauerlich, weist die Esche doch, wie gesehen, viele gute Eigenschaften auf. Momentan
bringt sie jedoch erhebliche Probleme entlang von Straßen und Bebauung. Der Pilz dringt häufig recht schnell in das
Wurzelsystem ein und bringt die Bäume zum Umstürzen. Die Ursache des aggressiven Pilzbefalls ist bisher ungeklärt.
Text und Fotos: Eckard Hellstern
|