Rubrik: Pflanze / Tier / Thema des Monats
Januar 2021: Die Schalenamöbe
Eigentlich ist der Begriff der Schalenamöbe als Art des Monats nicht ganz richtig. Es handelt sich um eine Gruppe
einzelliger Organismen, die weltweit mit ca. 2000 Arten vorkommen.
Trotz der Artenvielfalt und Ästhetik der Formen findet diese Gruppe nur wenig Beachtung, obwohl die Anzahl der Individuen
in Abhängigkeit vom Standort beträchtlich sein kann. Schalenamöben sind als Aufwuchs auf Wasserpflanzen zu finden, weit
häufiger aber noch an nassen und feuchten Standorten, zum Bespiel in Moosrasen. Sie sind selbst im Boden und in Laubstreu
weit verbreitet. Planktonforschern werden Arten der Gattungen Arcella und Difflugia im Aufwuchs nur gelegentlich begegnen.
Moossammler wären prädestiniert, um immer wieder auf Schalenamöben zu stoßen. Offensichtlich geht beim Moose sammeln, wo
überschüssiges Wasser ausgedrückt wird, ein Großteil der Schalenamöben verloren. Hinzu kommt, dass man beim Untersuchen der
Moose den anhaftenden Schmutz so gut wie möglich beseitigt.
Schalenamöben selbst sind einzellige Tiere aus der Gruppe der Protozoen. Die veränderlichen Zellen ("Wechseltierchen")
sind von einer einkammerigen Schale umgeben, die aus Pseudochitin aufgebaut ist. Bei einigen Gattungen ist die Schale
homogen (z.B. Arcella). Andererseits können aber Fremdkörper, wie Gestein oder Kieselalgen (z.B. Centropyxis), oder selbst
produzierte Baumaterialien aufgelagert werden (z.B. Euglypha). Die Größe der Schalen variiert je nach Art zwischen
10 µm und 600 µm. Die größten Formen haben somit in etwa die Dicke eines menschlichen Haares.
Centropyxis aerophil |
Euglypha strigosa |
Durch die ein oder zwei Mundöffnungen bilden die Zellen der Schalenamöben sogenannte Scheinfüßchen (Pseudopodien,
Rhizopodien), mit denen sie Nahrungspartikel umfließen oder "einfangen". Dabei handelt es sich um Bakterien oder kleine
Grün- bzw. Blaualgen. Manche Arten sind in der Lage, in die Zellen von größeren Grünalgen einzudringen und deren Zellinhalt
aufzunehmen.
Die höchste Vielfalt von Schalenamöben ist in Torfmoosrasen zu finden. An geeigneten Stellen in Mooren lassen sich in
einem handgroßen Polster mehrere Dutzend Arten finden. Die Moose werden nass gesammelt und die Schalenamöben vorsichtig
ausgespült. Das ausgespülte Material lässt sich durch vorsichtiges Dekantieren zur Untersuchung konzentrieren.
Arten aus Torfmoosrasen vom Himmelsteich: Corythion dubium, Trinema lineare, Quadruella symmetrica, Euglypha cristata,
Euglypha laevis, Assulina muscorum - von links nach rechts
Auf Grund der Kleinheit der Arten und Strukturen sollte das Material bei 1000facher Vergrößerung untersucht werden.
Manche der Strukturen sind erst im Phasenkontrast gut erkennbar.
Bei allen dargestellten Arten handelt es sich um Formen, die sich in Torfmoospolstern am "Himmelsteich" in der Nähe der
Alten Kelter finden. Es ist davon auszugehen, dass sich bei intensiverer Untersuchung insgesamt etwa 20-30 Arten finden
lassen. Leider ist der Wasserstand des "Himmelsteiches" seit 2017 stark zurückgegangen. Auch die von Torfmoosen bedeckte
Fläche ist Ende 2020 stark geschrumpft. Insofern ist es nicht nur wichtig, den einzigen Torfmoos-Standort in Filderstadt
aus mooskundlicher Sicht zu erhalten, sondern auch aus Sicht der Organismen, die auf diese Sonderstandorte angewiesen sind.
Schalenamöben sind dafür ein gutes Beispiel.
Quellen:
- Ortner, B. (2017): Beschalte Amöben (Testaceen) und Zieralgen (Desmidiaceae) des Sphagnetums einiger österreich. Moore
- Schmid, X. (2018): Schalenamöben - wenig bekannte Planktonformen im Moor
- Siemensma, F. J., Microworld, world of amoeboid organisms. World-wide electronic publication, Kortenhoef, the Netherlands
Text und mikroskopische Aufnahmen: Uwe Schwarz
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