Rubrik: Pflanze / Tier / Thema des Monats
Januar 2022:: Der Gimpel (Dompfaff) ( Pyrrhula pyrrhula )
Jetzt - zur Winterzeit - kommt eine auffällig gefärbte Finkenart mitunter in unsere Gärten und Parkanlagen oder sogar
an den heimischen Futterplatz: ein etwas gemütlich wirkender, bunt gefärbter Singvogel mit schwarzer Kopfplatte, rosaroter
Vorderseite und schwarz-weißen Flügeln.
Wegen seiner auffällig roten Unterseite erinnert er an die Talare der Geistlichen und wegen der schwarzen Kopfplatte an
deren Priesterkappe: das brachte ihm die naheliegende Bezeichnung als Dompfaff ein.
Weniger freundlich ist allerdings sein anderer (offizieller) Name: als Gimpel gilt - vor allem in Süddeutschland - ein
tölpelhafter und einfältiger Mensch, der sich ungeschickt, aber dabei ausgesprochen stolz benimmt. Mit der Redensart:
" . . . der Bräutigam war stolz wie ein Gimpel" wird diese Wesensart treffend beschrieben.
Der Grund für die etwas einfältige Einschätzung des Gimpels liegt vermutlich darin, dass er aufgrund seines ruhigen
Temperaments oft recht zutraulich wirkt.
Im Englischen wird der Vogel treffend als "Bullfinch" bezeichnet, womit auf seine kompakte, gedrungene Gestalt mit
Stiernacken angespielt wird.
Zum Aussehen: Während wir die Männchen vor allem an der erwähnten rosaroten Vorderseite erkennen, sind die Weibchen
unterseits eher beigegrau gefärbt. Beide Geschlechter besitzen einen kurzen und hohen, dicken Schnabel sowie - im Flug
erkennbar - einen auffallend weißen Bürzel.
Zur Stimme: Der gut hörbare Ruf des Gimpels ist ein pfeifendes, weiches "düüh" oder "pjüh". Seltener ist der Gesang,
eine Mischung aus pfeifenden, gequetschten und nasal vorgetragenen Tönen zu hören.
Zum Vorkommen: In Filderstadt gilt der Gimpel als "nicht gefährdet", ist aber keine häufige oder leicht zu entdeckende
Vogelart. Als Jahresvogel bewohnt er Nadel- und Mischwälder, kommt aber auch auf der Haberschlai-Heide oder im
Gartenhaus-Gebiet am Uhlberg vor. Im Winter erscheint er vermehrt an Ortsrändern, Hausgärten und an Futterplätzen.
Zur Nahrung: Hauptsächlich ernährt sich der Gimpel von Sämereien. Im Frühjahr macht er sich bei Garten- und
Obstbaumbesitzern nicht gerade beliebt: die Knospen von Beerensträuchern und Obstbäumen sind dann eine begehrte
Delikatesse für ihn.
Private Anekdote: Meine Mutter hasste die "blöden Dompaffen", weil sie im Frühjahr regelmäßig über ihre heiligen
Johannisbeer- und Himbeersträucher herfielen. Sie verscheuchte sie dann und bewarf sie vom Küchenfenster aus mit
Knallerbsen - immerhin wurde sie mit ihrer ausgefeilten Wurftechnik 90 Jahre alt.
Zur Fortpflanzung: Zwischen April und August finden 1-2 Bruten statt. Das Nest wird aus Reisig, Stängeln und Halmen
in Nadelbäumen oder im Gebüsch gebaut. Das Weibchen bebrütet die 4-6 hellblauen Eier allein; nach 12-14 Tagen schlüpfen
die Jungvögel, die von beiden Partnern zweieinhalb Wochen lang bis zum Ausfliegen gefüttert werden. Die Nahrung besteht
anfangs überwiegend aus Blattläusen und Ameisen, später setzt sich die "Babynahrung" vor allem aus Sämereien zusammen.
Was sonst noch interessiert: Erstaunlicherweise kann man Gimpel fast das ganze Jahr über paarweise beobachten. Für ein
lebenslanges Zusammenleben gibt es zwar noch keine Beweise, aber die Zweisamkeit und Paarbildung erfolgt wohl sehr früh
im Jahr und ist ein typisches Verhalten dieser Vogelart, bei der größere Ansammlungen erst im Spätherbst bemerkt werden.
Während der Brutzeit im Frühjahr und Sommer leben die Paare sehr heimlich und sind nur schwierig zu entdecken.
Quellen:
Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel (2006)
Svensson, Mullarney und Zetterström: Der Kosmos-Vogelführer (2017)
Text: Eberhard Mayer, Foto: Artur Calmbacher
Februar 2022:: Der Atlantische (Salz-) Hering ( Clupea harengus )
Faschingsausgabe
Der Atlantische Hering wurde 2021 und 22 zum Fisch des Jahres gewählt. Dies soll der Grund sein, ihm in unserer Rubrik
einen Artikel zu widmen.
Er zählt zu den häufigsten Fischarten überhaupt und kommt im gesamten Nordatlantik sowie in der Nord- und Ostsee vor.
Er kann riesige Schwärme mit Millionen von Individuen bilden. In Filderstadt findet man ihn hauptsächlich im Supermarkt,
wo er allerdings nur in jeweils mickrigen Verbänden von wenigen Exemplaren anzutreffen ist.
Die Heringe werden bis maximal 45 cm lang und halten sich tagsüber in Tiefen bis zu 350 Metern auf. Im Schutze der Nacht
wandern sie zur Oberfläche, um Plankton zu fressen. Zu ihren Laichgebieten an den Küsten unternehmen sie zum Teil lange
Wanderungen.
In Filderstadt ist ihr Lebensraum jedoch eher dürftig. Eingezwängt in Weißblechdosen oder Miniglasaquarien mit
Schraubdeckel haben sie nicht viel Platz zum Schwimmen und wandern höchstens vom Regal in den Einkaufswagen.
So wie die Gattung der Heringe (Clupea) verschiedene Unterarten umfasst, kommt auch der Filderstädter Hering in
verschiedenen Ausprägungen vor:
Sogenannte Vollheringe stehen kurz vor dem Ablaichen und besitzen daher eine Menge Rogen (Fischeier)und Milch (Samen).
Matjes fühlen sich vermutlich bei uns am wohlsten, da sie von Salzlake umgeben sind, was am ehesten ihrem natürlichen
Lebensraum entspricht. Sie stehen noch vor der Fortpflanzung und sind daher frei von Milch und Rogen.
Bücklinge hatten Kontakt mit Rauch und Bratheringe mit Hitze, was den beiden als sogenannten Kaltwasserfischen nicht
so behagen sollte.
Weitere andere Sorten scheinen eine Nische in Öl, Tomaten- oder Senfsauce gefunden zu haben. Inwieweit diese Umgebung
zu ihrem Wohlbefinden beiträgt, mag dahingestellt sein. Da sie als Filet aber bereits ihrer Gräten beraubt sind,
verhalten sie sich relativ ruhig. Trotzdem muss man beim Eindringen in ihren Lebensraum darauf gefasst sein, einen
kräftigen Spritzer von der sie umgebenden Marinade abzubekommen.
Das Habitat von Bismarckheringen und Rollmöpsen, die ebenfalls in unseren Märkten vorkommen, ist durch einen relativ
niedrigen pH-Wert (d.h. hohen Säuregehalt) gekennzeichnet. Vor allem während feucht-fröhlicher Tage, wie jetzt in der
Faschingszeit, sind sie daher ein begehrtes Mittel gegen Katerstimmung.
Noch gehört der Hering zu den häufigsten Fischarten und ist ein wichtiger Nahrungslieferant. Viele Raubfische, Vögel,
Robben und Wale sind auf ihn angewiesen.
Für den menschlichen Verzehr spielte der Hering bereits im Mittelalter eine große Rolle ("Arme-Leute-Essen") und auch
heute noch ist er ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Durch die Erwärmung und Überdüngung der Meere, sowie immer ergiebigere
Fangmethoden wie die industrielle Schleppnetzfischerei, brechen die Bestände jedoch drastisch ein. Für weite Teile der
Ostsee gilt deshalb seit 2022 ein Fangverbot.
Der Atlantische Hering kann bis zu 20 Jahre alt werden. In unseren Supermärkten allerdings erreicht er dieses Alter nicht,
sondern wird aufgrund des aufgedruckten MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) vorsorglich lange vorher aus seinem Revier entfernt.
Wir als Verbraucher sollten auch immer darauf achten, was wir aus den Regalen angeln. MSC- und ASC-Siegel stehen in
einigen Punkten für nachhaltigeren Fischfang, fallen aber durch manch fragwürdige Zertifizierung auf. Ökologisch sinnvoll
ist es auch, des Öfteren auf Süßwasserfische wie Forelle oder Karpfen umzusteigen (möglichst mit z.B. Bioland-, Naturland-
oder EU-Ökosiegel). Dann besteht die Chance, dass sich die Heringsbestände erholen können und so das Auskommen der Fischer,
die wichtige Rolle des Herings im Ökosystem Ozean und auch seine Zukunft in Filderstadt gesichert wird.
Quelle:
https://www.biologie-seite.de/Biologie/Atlantischer_Hering
Text: Birgit Förderreuther, Foto: DAFV, Eric Otten
März 2022: Das Kugel-Hornmoos ( Notothylas orbicularis )
Das Kugel-Hornmoos gehört zu den 10 Moosarten in Deutschland die durch die FFH-Richtlinie besonders geschützt sind.
Bisher war das Moos in Baden-Württemberg nicht bekannt. Umso erstaunlicher war der Fund dieser Art auf einem Blumenacker
in Filderstadt im September letzten Jahres.
Der Standort ist nicht nur wegen des Kugel-Hornmooses von Interesse, sondern auch durch das Vorkommen vieler weiterer
Ackermoos-Arten. So konnten auf einer Fläche von ca. 20 x 60 Metern insgesamt 19 Moosarten nachgewiesen werden,
darunter 4 der 6 aus Deutschland bekannten Hornmoosarten. Das mit dem Kugel-Hornmoos oft vergesellschaftete Nees'sche
Hornmoos (Anthoceros neesii) wurde dabei auch zum ersten Mal in Baden-Württemberg nachgewiesen.
Das Kugel-Hornmoos bildet gelblichgrüne Thalli*) von etwa 0,5 - 1 cm Durchmesser. Die Sporogone sind zigarrenförmig und
liegen auf dem Thallus*) und sind im Gegensatz zu den anderen Hornmoosen nicht als aufrechte "Hörner" (siehe z.B. Nees'sches
Hornmoos) ausgebildet. Zudem hat das Kugel-Hornmoos charakteristische Sporenmerkmale.
*) Thallus / Thalli = Fachbegriff für den vielzelligen oder auch vielkernigen Vegetationskörper der Niederen Pflanzen
Notothylas orbicularis ist
aus Deutschland nur von wenigen Stellen aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Bayern bekannt. Historische und
neuere Funde werden auch aus Polen, Tschechien, Österreich, Italien und Kroatien angegeben. Nur im hessischen
Vogelsberg-Gebiet scheint die Art häufiger zu sein, was aber sicher auf die gezielte Nachsuche an geeigneten Standorten
zurückzuführen ist.
Im Auftrag der LUBW wurden auch in Filderstadt weitere Flächen auf das Vorkommen des Kugel-Hornmooses untersucht.
Leider wurde die Art im Stadtgebiet nicht noch einmal gefunden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren aber
vielversprechende Standorte zum Teil schon umgebrochen. Nichtsdestotrotz konnten mit Microbryum starckeanum und
Riccia ciliata zwei weitere in Baden-Württemberg seltene Moose nachgewiesen werden.
Nach Abschluss der Tätigkeiten ergab sich allerdings ein weiterer Fund auf einem Maisacker in der Gemarkung
Wolfschlugen. Vor allem der Fund auf einem intensiv bewirtschafteten Maisacker birgt Herausforderungen für geeignete
Schutzmaßnahmen. Die einzige, praktikable Schutzmaßnahme ist das Hinwirken auf einen möglichst späten Umbruchzeitpunkt
nach der Ernte. Das kommt dann nicht nur dem Kugel-Hornmoos, sondern auch anderen Ackermoosen zugute.
Des Weiteren hängt die Ausbildung einer reichen Ackermoosflora stark von den Witterungsverhältnissen ab. Nur wenn
diese zu einer ausreichenden Bodenfeuchtigkeit führen, können sich Ackermoose gut entwickeln. In den letzten Jahren
war das nur 2017 und 2021 der Fall. Sporen und vegetative Vermehrungsorgane können während der trockenen Jahre als
Diasporenbank auf den Äckern überdauern, so dass die Arten in geeigneten Jahren wieder auftreten.
Auf Grund der Bodenverhältnisse und Begleitflora ist es nicht ausgeschlossen, dass das Kugel-Hornmoos noch an
weiteren Stellen in und um Filderstadt zu finden ist. Dabei scheinen die Gebiete südlich der Linie Plattenhardt,
Bonlanden, Harthausen und Wolfschlugen am erfolgversprechendsten. In Jahren mit einer reichen Entwicklung von Ackermoosen
ist auf alle Fälle auf diese Art zu achten.
Text, Fotos und Verbreitungskarte Europa: Uwe Schwarz
April 2022: Die Pestwurz ( Petasites hybridus )
Die Pestwurz ist ein Frühblüher, gehört zu den Korbblütlern (Asteraceae)und ist verwandt mit dem Huflattich. Bei beiden
erscheinen die Blüten vor den Blättern.
An schattigen Flußufern und feuchten Waldrändern erwachsen überall in Nord- und Mitteleuropa in zahlreichen rötlichen
Blütenköpfen die Blütenstände, die nur aus Röhrenblüten bestehen, die eine dicke, eiförmige Traube bilden. Nach der Blüte
entwickeln sich die riesigen, chlorophylhaltigen Blätter, im Volksmund "Wilder Rhabarber" genannt. Sie gehören zu den
größten Blättern unter den Wildpflanzen. Eindrucksvoll ist das Wachstum der Blütenstände, die anfangs bis zu 30 Zentimeter
hoch sind. Später wachsen sie bis zu 1 Meter hoch, sodass sie die großen Blätter überragen und frei dem Wind ausgesetzt
sind, der die mit einem Haarkranz ausgestatteten kleinen Früchte davonträgt.
Woher kommt der Name? Naheliegend vermutet man, dass es, wie in vielen Büchern angegeben, ein Heilmittel gegen
die Pest war. Nun, welche Pfanze hat man nicht gegen die Pest eingesetzt? Geholfen hat wohl nichts so richtig. Eine
zweite Namensgrundlage erscheint einleuchtend: "Petasitus" bedeutet lateinisch : "Reisehut", "Sonnenhut". An heissen
Tagen kann man die riesigen, grünen, runden Blätter als Sonnenschutz verwenden.
Trotzdem ist die Pestwurz eine Heilpflanze. Verwendet wird der Wurzelstock. In der Homöopathie gilt sie als
Allrounder. Auszüge und Dilutionen (Verdünnungen) der Pflanze gelten als krampflösend, schmerzlindernd und beruhigend und
werden bei Krampfhusten, Kopfschmerzen, Migräne und Heuschnupfen eingesetzt.
Bezugnehmend auf die "Flora Stuttgart" von Prof. R. Böcker ist die Pestwurz schon vor dem 16. Jahrhundert bekannt und nach
1990 etabliert d.h. nachgewiesen und in gleichbleibender Häufigkeit im Stadtgebiet von Stuttgart vorhanden. Finden kann man
die Pestwurz auch in Filderstadt z.B. am Fleinsbach und im Reichenbachtal.
Quellen:
- Natur + Pflanzenführer von Kosmos, BLV
- Flora Stuttgart 2017, Prof. Reinhard Böcker
- Schmeil-Fitschen, Flora von Deutschland
- Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Gewöhnliche_Pestwurz
Text: Brigitte Spahr, Fotos: Eberhard Mayer
Mai 2022: Der Wiedehopf ( Upupa epops )
Der Wiedehopf, diese schöne und unverwechselbare Vogelart, wurde vom NABU und seinen Mitgliedern zum Vogel des Jahres 2022
auserwählt. Leider ist er in Filderstadt sehr selten und dann nur als Durchzügler zu sehen: wir haben den prächtigen Vogel
in den letzten 30 Jahren insgesamt nur 13 Mal und hauptsächlich im Frühjahr in unseren Streuobstwiesen beobachten können,
wenn er einen Zwischenstopp auf der Reise in seine anspruchsvollen Brutgebiete einlegte.
Zum Aussehen: Dank seiner auffälligen, beim Landen aufgestellten Federhaube gilt der Wiedehopf als der "Punk" oder als
"Indianerhäuptling" unter unseren Vogelarten. Mit seiner Körpergröße von 25-29 cm ist er (ohne Haube) zwar nur wenig größer
als unsere Amsel, aber sein prächtiges Gefieder unterscheidet ihn von allen anderen einheimischen Arten. Neben der
"Punkfrisur" und dem orangebraunen Federkleid fallen beim fliegenden Wiedehopf vor allem die schwarz-weißen, gerundeten
Flügel und der schwarze Schwanz mit weißer Querbinde auf. Auch der 4-5 cm lange, leicht nach unten gebogene Stocherschnabel
macht ihn selbst für Laien unverwechselbar.
Zur Stimme: Der gut und weit hörbare Gesang des Wiedehopfs besteht aus einem dreisilbigen und hohl klingenden "hup-hup-hup".
Zum Vorkommen: Als wärmeliebende, anspruchsvolle Vogelart kommt der Wiedehopf hauptsächlich in klimatisch begünstigten
Regionen Deutschlands vor; in Baden-Württemberg gilt das Kaiserstuhl-Gebiet mit seinen Weinbergen und alten
Streuobstbeständen als ein Verbreitungs-Schwerpunkt. Dort kann man ihn zwischen April und September als Sommervogel
beobachten; den Rest des Jahres verbringt er als Langstreckenzieher im tropischen Afrika.
Der Bestand des Wiedehopfs gilt in Deutschland als "gefährdet"; nach vielen, von Bestandsabnahmen geprägten Jahren ist seit
2019 wieder ein etwas hoffnungsvollerer Aufwärtstrend erkennbar.
Wichtig: neben einem ausreichenden Nahrungsangebot sind vor allem geeignete Bruthöhlen notwendig!
Zur Nahrung: Hauptsächlich ernährt sich der Wiedehopf von Insekten und deren Larven, sowie von Würmern und Spinnen,
welche er am Boden aufsucht. Dabei bevorzugt er offene und kurzrasige Flächen, die nicht intensiv genutzt werden (also
keine Sportanlagen und Zierrasen mit zweimaliger wöchentlicher Mahd).
Zur Fortpflanzung: Natürlicherweise brütet der Wiedehopf in den Höhlen alter Bäume, in Gemäuern und sogar in Erdlöchern.
Weil diese Brutangebote aber immer seltener zur Verfügung stehen, kann man ihm mit geeigneten Bruthöhlen (Nistkästen oder
Niströhren, Einflugloch ca. 52 mm Durchmesser) helfen.
Das Wiedehopf-Gelege besteht aus 6-10 Eiern; nach einer Brutdauer von 16-19 Tagen schlüpfen die Jungen, die von den
Altvögeln ca. 25-30 Tage lang bis zum Ausflug (und noch weitere 5 Tage danach) gefüttert werden.
Was sonst noch interessiert: Im Gegensatz zum schönen Aussehen des Vogels ist die Redewendung "du stinkst wie ein
Wiedehopf" nicht als Kompliment gedacht. Da die jungen Hopfe ihre Nestfeinde mit einem aufdringlich riechenden Sekret
vertreiben, wirkt dieser Geruch - vornehm ausgedrückt - für menschliche und auch tierische Nasen äußerst unangenehm nach.
Quellen:
www.nabu.de: Wiedehopf ist Vogel des Jahres 2022
Svensson, Mullarney und Zetterström: Der Kosmos-Vogelführer (2017)
Text: Eberhard Mayer, Foto: Frank Derer
Juni 2022: Karthäuser Nelke ( Dianthus carthusianorum )
Wer Mitte Mai bis etwa September auf Filderstädter Gemarkung durch den Altenheimpark St. Vinzenz oder die Hanglagen im
Bechtenrain läuft, kann einer imposanten leuchtend rot gefärbten Pflanze begegnen, der süß duftenden Karthäuser Nelke.
Sie wiegt sich in bis zu 50 cm Höhe im Wind, ist kahl und hat schmale, lanzettliche 2-4mm breite Blätter, die am Grunde
verwachsen sind. Das Köpfchen besteht markant aus bis zu 10 Knospen, die nacheinander aufblühen: Der röhrige Kelch weitet
sich platt abgespreizt in 5 purpurrote und noch dunkler geaderte Blütenblätter, die vorne gezackt und
(Unterscheidungsmerkmal!) dreieckig sind mit einem Durchmesser von etwa 2cm.
Unter den Blüten befindet sich ein bräunlicher, trockenhäutiger Kelch. Typisch für Nelken entstehen aus den befruchteten
Blüten Kapselfrüchte mit vielen feinen Samen. Durch diesen Blütenaufbau ist sie bei Tagfaltern sehr beliebt: aufrecht
gestellt, eng gebaute Röhre und tief verborgener Nektar.
Die Karthäuser Nelke liebt sonnige, warme Hänge auf Kalk- und Silikat-Trockenrasen und ist auch in Gräben, an Wegböschungen und
Waldrändern zu finden. Sie ist geschützt und durch den Rückgang extensiver Schafweiden stark gefährdet. "Fette" Wiesen
behagen ihr nicht, dort ist zu viel Stickstoff enthalten.
In Baden-Württemberg ist sie hauptsächlich im Oberrhein- und Muschelkalkgebiet zu finden sowie auf der Schwäbischen Alb.
Schon früh wurde die Karthäuser Nelke als Heilpflanze in Klostergärten kultiviert, woher sie vermutlich ihren Namen hat.
Das Kauen der Blüten soll u.a. Zahnschmerzen lindern, jedoch ist der Gehalt der darin enthaltenen Saponine und Eugenol
in Gewürznelken ein Vielfaches höher, deshalb: Stehen lassen!
Es spricht viel dafür, sie in unseren Gärten zu kultivieren, da sie ein einheimisches Gewächs und dort anspruchlos ist.
Also gut geeignet für Steingärten, Dachbegrünungen und Blumenbeete. Sie benötigt lediglich einen kalkigen, sonnigen,
nährstoffarmen, trockenen Bereich, vermehrt sich leicht selber aus Samen, ist winterhart, eine haltbare Schnittblume,
Heilpflanze, Pollenlieferant für Wildbienen und Futterquelle für Schmetterlinge.
Viel Freude damit!
Text: Marion Schacke-Schreiber, Foto: Hartmut Spahr
Juli 2022: Die Einbeere ( Paris quadrifolia )
Die Einbeere, auch Teufelsauge genannt, zählt zur Familie der Germergewächse (Melanthiaceae), einer Unterfamilie der
Liliaceae. Sie wurde von der Loki-Schmidt-Stiftung zur "Blume des Jahres 2022" auserwählt. Zur selben Familie gehört auch die
Herbstzeitlose - beide Pflanzen haben sehr giftige Inhaltsstoffe.
Die Einbeere kommt an schattigen Standorten in krautreichen Eichen- und Buchenwäldern vor. In Filderstadt findet man sie
unter anderem in der Waldabteilung Schneiderspitz, aber auch an Waldrändern bei der Gutenhalde, im Bechtenrain und in der
Junge Klinge.
Die Einbeere ist eine mehrjährige krautige Staude. Sie kann bis 30 cm hoch werden und sitzt auf einem umfangreichen
Rhizom. An einem Stängel sitzen vier Blätter in einem Quirl, in der Mitte befindet sich eine endständige, zwittrige und
vierzählige unscheinbare Blüte, die von Mai bis Juni blüht. Sie hat vier äußere und vier innere kleine Hüllblätter sowie
acht Staubblätter.
Die Blüte wird vorwiegend vom Wind bestäubt. Die Frucht ist eine vielsamige, blauschwarz glänzende Beere von ca. 1 cm
Durchmesser und reift zwischen Juli und September. Die gesamte Pflanze ist sehr giftig, das gilt besonders
für die Beere. Nach dem Verzehr kann es zu Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit kommen. Für Vögel ist die Beere
ungiftig. Die Samen durchwandern ihren Verdauungstrakt und werden so im Wald verbreitet.
In der Volksmedizin wurde die Einbeere im Mittelalter gegen ansteckende Krankheiten verwendet (Pestbeere), da die Beere
einer Pestbeule ähnlich sieht.
Die griechische Legende sieht in den Blättern vier Göttinnen im Streit mit Paris um den Erisapfel.
Quellen:
Theo Müller: Schwäbische Flora (Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2011)
Kosmos Naturführer: Welche Giftpflanze ist das? (Franck-Kosmos-Verlag, Stuttgart, 2006)
Text: Uli Bessing, Foto: Artur Calmbacher
August 2022: Die Sumpf-Schafgarbe ( Achillea ptarmica )
Die auf wechselfeuchten Wiesen wachsende und früher verbreitete Sumpf-Schafgarbe (Achillea ptarmica L.) ist auch in
Verbreitungsatlanten Deutschlands, Bayerns und Baden Württembergs fast in allen Rasterquadranten der Werke präsent.
Durch Drainage und Umbruch von Nasswiesen ist sie leider selten geworden, was durch die Punktrasterkarten nicht
widergespiegelt wird. Im Stuttgarter Raum wird sie in der Flora als selten (Böcker et al. 2017) bezeichnet, im
Filderstädter Umfeld ist sie mit bisher zwei Fundorten ebenfalls selten und in den Verbreitungsrastern der Flora ist
sie nur in wenigen Feldern angegeben. In Baden-Württemberg fehlt sie auf der Schwäbischen Alb und im Voralpenraum.
Die Pflanze ist eine ausdauernde Staude mit einer Höhe bis zu 1,5 m in seltenen Fällen, meist um 80 cm hoch. Die
sitzenden schmalen, fein gesägten Blätter sind 2 bis 7 mm breit. Die Blütenköpfchen sind zahlreich, wobei die weißen
Randblüten mit bis zu 13 mm besonders ins Auge fallen.
Die Pflanze spielte im Volksglauben eine Rolle als ein Hexen und Teufel abweisendes Kraut (Krausch 2007). Bauhin
(1598) erwähnt sie als erster für die Umgebung von Bad Boll. Als Gartenpflanze trat sie erst in Erscheinung, als man
Ende des 16.Jhs. in England eine gefülltblühende Form entdeckte und in Gartenkultur nahm. Von Clusius (1601) wird
Achillea ptarmica flore pleno erwähnt. Sie war damals in Gärten weit verbreitet. Von den botanischen Gärten zuerst
gelangte sie in die Bauerngärten und ist dort als "Silberknöpfchen" oder "Hemdsknöpfchen" bis heute eine beliebte
Zier- und Gartenpflanze.
Die Wildform wächst auf nähstoffreichen, kalkarmen Ton- oder Torfböden und steht gern an Bach- und Grabenrändern in
Gesellschaft weiterer feuchteliebender Hochstauden wie Mädesüß, Akeleiblättrige Wiesenraute, Wasserminze und Blutweiderich.
Die Pflanze wird in den gängigen Florenwerken als nicht gefährdet eingestuft. Aufgrund des starken Rückgangs in den
letzten Jahrzehnten ist diese Angabe zu hinterfragen.
Text: Reinhard Böcker, Foto: Eberhard Mayer
September 2022: Der Fliegenpilz ( Amanita muscaria )
"Ein Männlein steht im Walde" - wer kennt es nicht, das berühmte Lied über den Fliegenpilz. Bekannt wurde das
ursprüngliche Gedicht vor allem durch die Kinderoper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck.
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) hat den Fliegenpilz zum "Pilz des Jahres 2022" erklärt und ausgerufen.
Diese bekannte und in vielen Jahren verbreitete Pilzart gehört zur Familie der Wulstblätterpilze. Man unterscheidet
den Roten und den Braunen Fliegenpilz (Königsfliegenpilz); letzterer ist jedoch selten und kommt eher in montanen/submontanen
Regionen vor. "Unseren" Roten Fliegenpilz findet man zwischen Juli und November in Nadelgehölzen und unter Birken, wo er eine
Symbiose mit Bäumen eingeht. Fliegenpilze mögen saure Böden, ebenso wie Steinpilze.
Eigentlich kann man den Fliegenpilz kaum mit anderen Pilzarten verwechseln: Die Pilze stehen oft in größeren Trupps
zusammen. Ihr Hut ist ca. 8 - 20 cm breit, anfangs kugelig, später wird er flacher und leuchtet scharlachrot. Stiel,
Fleisch und Lamellen sind weiß (unterhalb der Huthaut leicht gelblich). Die jungen Pilze sind noch von weißer
Flockenhülle eingeschlossen. Wenn sie aufreißt, entstehen später die typischen weißen Warzen oder Schuppen, welche die
rote Huthaut zieren. Starker Regen kann die Warzen wieder abwaschen. Der Geschmack des Pilzes ist angenehm und riecht
schwach nach Kartoffeln - aber ist er nun giftig oder nicht ?
Der Fliegenpilz ist zwar mit den Knollenblätterpilzen verwandt, aber er ist kein tödlicher Giftpilz.
Manche Menschen zeigten nach dem Verzehr keine oder nur schwache Symptome, typisch sind jedoch geweitete Pupillen, rasender
Puls, bis hin zu Krämpfen und zentralnervösen Störungen. Deshalb gilt: Hände weg vom Fliegenpilz - kein Verzehr!
Er ist zwar weniger giftig als der gefürchtete Knollenblätterpilz, aber er ist nicht harmlos.
Einige interessante Eigenschaften, Gerüchte und Volksmeinungen rund um den Giftpilz:
- Gezuckerte und eingeweichte Stücke des "Mückenschwammes" dienten einst als Fliegenfänger; die lästigen
Insekten fielen nach dem Genuss berauscht in die Flüssigkeit und ertranken.
- In Nordeuropa macht man aus dem Pilz Rauschmittel. Die Samen (Lappen) haben diese Kenntnisse von den
Rentieren erworben und legten große Wanderungen wegen der Pilze zurück: Die Rentiere fraßen die Pilzhüte, welche sehr
hoch im Kurs standen.
- Der Fliegenpilz ist neben dem Hufeisen und dem vierblättrigen Kleeblatt ein beliebtes Glückssymbol.
Quelle: Der Kosmos-Pilzatlas, Verlag Das Beste
Text u. Foto Jürgen Staffeldt
Oktober 2022: Die Rotbuche ( Fagus sylvatica )
Die Rotbuche wurde von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung zum Baum des Jahres 2022 gewählt. Für Baden-Württemberg und den
Stadtwald Filderstadt passt das sehr gut. Ist die Rotbuche doch im Südwesten Deutschlands die Baumart, die den Wald bei
uns ohne Zutun des Menschen, fast vollständig bestimmen würde. Der Namensteil „Rot“ bezieht sich auf die mitunter
leicht rötliche Färbung des Holzes, die beim Holz der Hainbuche, die auch als Weißbuche bezeichnet wird, nicht vorkommt.
Die Rotbuche ist ein Vertreter der Rosengewächse und hat im Süddeutschen Wald eine lange Tradition. Als ein Laubbaum
der ein kühles und feuchtes Klima bevorzugt, war sie hier bisher genau richtig. Sie zeigt als sogenannte Schattbaumart
auch im Schatten höherstehender Bäume noch ein beachtliches Wachstum und Durchhaltevermögen. Der Boden am jeweiligen
Standort sollte schon etwas nährstoffreich und gut mit Wasser versorgt sein. Dann zeigt sie sich in voller Pracht und
weist ein kräftiges Wachstum auf, dem beispielsweise die Eiche nichts entgegenzusetzen hat. Deshalb wird sie auch als
die Baumart der sogenannten potentiellen Waldvegetation bezeichnet. Sie wäre als einzige Baumart in der Lage unter
solchen Bedingungen Reinbestände zu bilden. Andere Baumarten würde sie an den Rand drängen. Eichen müssten sich
beispielsweise auf trockene und sandige Standorte zurückziehen, Tanne auf gute Böden in sehr feuchten Lagen in den
Bergregionen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Leider hat der Mensch aber bereits stark in natürliche Abläufe eingegriffen und ist dabei das Klima im Südwesten
stark zu verändern. Dies zeigt sich insbesondere an den alten etwa einhundertfünfzig bis zweihundert Jahre alten Buchen,
die ja an ihrem Standort so lange ohne Probleme überlebt haben.
Die Buche zeigt sich nämlich ausgesprochen dünnhäutig, was Veränderung an ihrem Standort anbelangt. Auf plötzliche
Veränderungen reagiert sie äußerst kritisch.
Plötzliche Besonnung etwa, führt wie bei uns Menschen zu Sonnenbrand, die dünne Rinde platzt auf. Dies führt
anschließend zu einem Befall mit Pilzen und Buchenborkenkäfern. Ihre graue, glatte Rinde ist extrem empfindlich
gegen Beschädigungen. Deshalb ist leider in den älteren Waldbeständen zu beobachten, dass mächtige Rotbuchen einzeln
und von vielen unbemerkt, absterben.
Insbesondere die südlichen Waldränder sind recht augenfällig von solchen Absterbeprozessen durch die vermehrte
Sonneneinstrahlung betroffen. Dies zeigt sich meist erstmals am Absterben der feinen Äste in der Baumkrone. Im
weiteren Verlauf brechen größere Äste ab, Pilze und Insekten besorgen dann den Rest.
Im Stadtwald Filderstadt muss dann häufig aus Gründen der Verkehrssicherheit eingegriffen und die gefährlich
gewordenen Bäume entnommen werden.
Hier ist dann häufig das Waldbild stark verändert, was wiederum regelmäßig zu Klagen von weniger informierten
Waldbesuchern führt. Ist die Buche doch wie bereits erwähnt eine Baumart, die zu einem hohen Anteil an einem natürlichen
Wald in unserem Raum beteiligt wäre. Dies ist deshalb schon sehr besorgniserregend.
Im Frühling; April bis Mai treibt sie kugelförmige Blüten, aus denen sich dann die fettreichen, dreieckigen Samen,
die Bucheckern, entwickeln. Sie sorgt mit ihren Baumfrüchten für viele Tiere des Waldes, von kleinen Insekten
angefangen, bis zu den Rehen und Wildschweinen. Ganze Tierpopulationen werden durch die Buchenmast beeinflusst.
Bei einer Vollmast, also einer maximal möglichen Anzahl von Baumfrüchten, ist der Tisch reich gedeckt. Es entstehen
dadurch regelmäßig hohe Populationen von Mäusen. Diese sind wieder Grundnahrungsmittel für Füchse und auch
Mäusebussarde, die entsprechend viel Nachwuchs aufziehen können.
Auch die Zahl der Rehe und Wildschweine um Filderstadt ist direkt abhängig von solchen Buchenmasten.
Die übrig gebliebenen Samen werden im Herbst durch fallendes Laub bedeckt. Als Dunkelkeimer entwickeln die Eckern
sich unter der Laubschicht. Im Frühjahr wachsen dann die charakteristischen Buchenkeimlinge mit den typischen,
nierenförmigen Blättern. Die sehen völlig anders aus als die zugespitzten, leicht gerippten Blätter der Altbäume.
Im Stadtwald Filderstadt ist die Rotbuche in der Naturverjüngung, so nennt man diese natürlich angesamten Waldbäume,
häufig bestimmend und verdrängt die Eichen, wenn der Mensch nicht helfend eingreift.
Im Frühling treiben die Buchen mit hellem zarten grün aus, das sich im Laufe des Sommers immer dunkler färbt und
in ein sattes dunkles grün übergeht. Bis im Herbst der Baum das für ihn wertvolle Chlorophyll herauszieht und
sich über gelb bis braun verfärbt. So erfreut uns Menschen die Buche durch ein prachtvolles Farbenspiel bis etwa Ende
Oktober, bis nach den ersten Frostnächten das Laub vollends abfällt.
Besonders beliebt ist die Buche bei den Brennholzkäufern. Viele wollen nichts Anderes. Das Holz hat im Vergleich
zu anderen Hölzern, neben der Eiche und Esche, die höchste Brennkraft. Sinnvoller wird das schwere und harte Holz
dauerhaft verwendet. Durch seine Härte ist es als Parkettholz für Fußböden gut geeignet. Aber auch als Möbelholz hat
es sich etabliert. Insbesondere durch einen Oxidationsprozess rot verfärbte Hölzer sind beim sonst eher einfarbig
hellen, maserungsarmen Holz gefragt. Sogenannte Bugholzmöbel, bei denen Buchenholz in heißem Wasserdampf zu runden
Formen gebogen wurde, waren um Neunzehnhundert sehr modern und sind heute gesuchte Antiquitäten.
Es gibt allerdings unzählige Verwendungszwecke, Meterstäbe und sonstiges Werkzeug sind nur ein Beispiel.
Daher muss es uns unbedingt gelingen, diesen Charakterbaum des Südwestens bei uns zu erhalten.
Text: Eckard Hellstern, Foto: Eberhard Mayer (Haberschlai-Heide: Rotbuche im Herbstlaub)
November 2022: Die Waldeidechse ( Zootoca vivipara )
Nomen est omen. Der Feldhase kommt auf Feldern vor, das Rotkehlchen hat eine rote Kehle, nur beim Jägerschnitzel bestehen
berechtigte Zweifel …
Die Waldeidechse wird auch Berg- beziehungsweise Mooreidechse genannt, was zu Recht vermuten lässt, dass sie ganz
unterschiedliche Gebiete bewohnen kann. Ihr großes Verbreitungsgebiet zieht sich als breites Band von Nordspanien bis hin
nach Ostsibirien. Sie dringt dabei so weit nach Norden vor, wie keine andere Reptilienart. Sogar in Irland und in Norwegen
bis zur Eismeerküste ist sie zu finden. Zu ihren vielfältigen Lebensräumen gehören zum Beispiel Waldränder, Lichtungen,
Geröllhalden und Moore. Im Gebirge kommt sie noch oberhalb der Baumgrenze vor.
Ihrer Schwesternart, der Zauneidechse, sieht sie recht ähnlich. Mit maximal 18 cm Länge ist sie allerdings etwas kleiner
und zierlicher. Beide Geschlechter sind in verschiedenen Brauntönen gefärbt. Die grellgrünen Flanken der
Zauneidechsenmännchen während der Paarungszeit findet man hier nicht.
Als wechselwarme Tiere sind Eidechsen von der Temperatur abhängig. Erst ab einer gewissen Wärme kommt ihr Stoffwechsel
in Gang, sodass sie Insekten und Spinnen jagen können oder schnell genug vor irgendwelchen Feinden fliehen. Und Feinde
haben sie von Kleinsäugern über Schlangen bis hin zu Vögeln wahrlich genug. Die Jungen werden sogar von Laufkäfern gefressen.
Nicht zu vergessen sind die Hauskatzen, die ohne Weiteres Populationen dezimieren können. Selbst in der Winterstarre, in
die sie sich ab etwa Oktober bis März zurückziehen, werden sie noch von Wildschweinen ausgegraben.
Manch eine Eidechse vermag sich durch das Abwerfen ihres Schwanzes zu retten. Durch eine Kontraktion der Ringmuskeln
kann derselbe ab dem sechsten Schwanzwirbel an verschiedenen Stellen gekappt werden. Dies funktioniert, da an diesen
Sollbruchstellen das Bindegewebe zwischen den Wirbeln schwächer ausgebildet ist. Das abgestoßene Teil zuckt dann noch
eine ganze Weile hin und her, wodurch der Angreifer abgelenkt ist. Der Schwanz wächst zwar wieder nach, was allerdings
einiges an Energie verbraucht und anstelle von Knochen bildet sich nur ein Knorpelstab. Es kann passieren, dass sich das
durchtrennte Teil nicht vollständig löst und trotzdem ein neuer Schwanz gebildet wird, und so staunt man nicht schlecht,
wenn einem plötzlich eine Eidechse mit zwei oder noch mehr Schwänzen begegnet. Das Ersatzteil ist nicht mehr so schön wie
das Original, was den Träger an Attraktivität einbüßen lässt. Auch bei Eidechsen schauen die Weibchen halt gerne fotogenen
Männern hinterher….
Wie kommt es nun, dass gerade die Waldeidechse so weit verbreitet ist? Die meisten Reptilien legen Eier, die sie im
Boden vergraben und von der Sonne ausbrüten lassen. Die Waldeidechse hingegen ist lebend gebärend (Viviparie). Sie behält
ihre bis zu zwölf weichschaligen Eier in ihrem Körper, bis die Jungen darin voll entwickelt sind. Von der eleganten,
grazilen Figur ist dann nicht mehr viel zu sehen. Bei der Geburt wird die dünne Eihaut von den Schlüpflingen durchstoßen,
die dann gleich völlig selbständig in die Welt starten. Waldeidechsen können aufgrund der Viviparie auch in schattigeren
und kühleren Gebieten überleben, da sie mitsamt ihrem Nachwuchs im Bauch gezielt Sonnenflecken und geeignete
Temperaturbereiche aufsuchen können. Die im Boden abgelegten Eier der Zauneidechse sind hingegen immer auf genügend
Sonneneinstrahlung an Ort und Stelle angewiesen.
Wenn man sich die Mühe macht etwas genauer hinzuschauen, kann man in Filderstadt, zum Beispiel im Weilerhau,
Waldeidechsen an Waldwegen und Holzstapeln entdecken. Dort huschen im Spätsommer dann auch die recht dunkel
gefärbten Jungtiere durch die Gegend.
Was vielen anderen Tiergruppen wie Vögeln, Insekten oder Amphibien zum Verhängnis wird, trifft auch die Reptilien:
Moore, Magerrasen, Heiden, vegetationsreiche Wegsäume und Totholz verschwinden. Pestizide in der Landwirtschaft tun
ihr Übriges. Und so schrumpfen auch bei der Waldeidechse -trotz ihrer ungeheuren Flexibilität- die Bestände.
Erhalten wir doch ihnen und uns diese Lebensräume!
Quelle: Laufer, H., K. Fritz & P. Sowig (2007): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs
Text und Foto: Birgit Förderreuther
Dezember 2022: Der Dachs ( Meles meles )
Den Dachs braucht man eigentlich nicht vorzustellen, ihn kennt "fast jeder". Auf Nachfrage erfährt man dann aber, dass
die weitaus meisten Zeitgenossen noch nie einem lebendigen Dachs begegnet sind. Das hat nachvollziehbare Gründe: die Tiere
sind scheu, wohnen in Höhlen bzw. Bauten, sind meistens in der Dämmerung oder nachts aktiv (wenn sich "anständige Bürger"
in ihren eigenen vier Wänden aufhalten) und können jetzt - in der kalten Jahreszeit - ihre "Winterruhe" pflegen.
Allgemeines / Merkmale: Dachse sind Raubtiere und gehören zur Familie der Marder. Mit einer Körperlänge von 70 - 80 cm
und einem Gewicht von bis zu 17 kg wirken die erwachsenen Tiere gedrungen und etwas massig, wozu auch der relativ kleine
Kopf und die graue Grundfärbung des Fells beitragen. Auffällig ist allein die schwarz-weiße Gesichtszeichnung.
Der Bestand der Dachse gilt als ungefährdet, was auch an der relativ hohen Lebenserwartung liegt (sie können bis zu
15 Jahre alt werden).
Dachsbauten: Die selbstgegrabenen Bauten bzw. Höhlen findet man auch in Filderstadt an Hängen abgelegener Waldgebiete.
Mit ihren Pfoten und den kräftigen, nach unten gebogenen Krallen legen Dachse ihre Erdbauten an, die oft aus zahlreichen
Kesseln, Tunneln und Gängen bestehen. Die Baue können Jahrzehnte alt sein und sich über mehrere Stockwerke erstrecken;
in der Nähe kann man kleine, kotgefüllte Löcher ("Abtritte") finden.
Es ist durchaus nicht selten, dass Dachse und Füchse gemeinsam nebeneinander wohnen (lautstarke Auseinandersetzungen
inbegriffen).
Winterruhe: Je nach Wetterlage kann die Winterruhe der Dachse unterschiedlich lang sein: sie kann von wenigen Tagen
bis zu mehreren Monaten andauern, und kann auch unter bestimmten Umständen unterbrochen werden.
Aufgrund seines Fettvorrats kann der Dachs in schnee- und frostreichen Winterperioden bis zu drei Monate lang ohne
Nahrung auskommen!
Nahrung: Dachse sind Allesfresser, sie bevorzugen jedoch vegetarische Kost (Fallobst, Beeren, Wurzeln, Samen und Pilze),
auch Maiskolben sind sehr beliebt. Kleinere Tiere wie Schnecken, Regenwürmer, Insekten und Mäuse werden ebenfalls nicht
verschmäht - und als Delikatesse frisst er auch die Gelege bodenbrütender Vögel.
Fortpflanzung: Die Paarung der Dachse findet meistens im Hochsommer statt; der Nachwuchs kommt dann erst im
Februar/März blind zur Welt. Zwei bis drei Monate später erkunden die Jungen neugierig die Umwelt ihres Baus. Da
sie unerfahren sind, werden sie oft zu Opfern des Straßenverkehrs: als in den 1980er-Jahren die neue, vierspurige
B27 durch Filderstadt gebaut wurde, wurden leider viele Jungdachse aus einem Bau in der nahegelegenen Scherlach-Hecke
zu Verkehrsopfern.
Was sonst noch? Dachse können zwar sehr scheu sein - von Zeit zu Zeit sind sie aber auch neugierig und zutraulich,
wenn sie Ihre Umgebung erkunden und bisher Unbekanntes kennenlernen wollen.
Dachse legen keinen Wert auf gute Tischmanieren. Lautes Schmatzen, Grunzen oder Schlürfen ist ein Zeichen des
Wohlbehagens . . . und ähnelt unseren menschlichen Urinstinkten.
Dachse sind "Familienmenschen": oft gehören der Nachwuchs des lfd. Jahres sowie die Jungdachse des vorherigen Jahres
zum großen Familienverband.
Mit ihrem abgesetzten Kot betreiben die Dachse ihre Kommunikation untereinander: mit den Duftstoffen unterschiedlicher
Drüsen werden anderen Dachsen Reviergrenzen aufgezeigt.
Quellen: wikipedia, www.deutschewildtierstiftung.de
Text: Eberhard Mayer, Foto: berti100 / pixelio.de
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