Rubrik: Pflanze / Tier / Thema des Monats
Januar 2023: Das Geneigte Spiralzahnmoos ( Tortella inclinata )
Die Wahl des Mooses 2023 war geprägt von der Diskussion über den Nutzen der Moose bei der Reduktion von Auswirkungen des
Klimawandels. Dabei standen vor allem Starkregenereignisse und die steigenden Temperaturen im urbanen Umfeld im Fokus.
Dass Moose einen wertvollen Betrag zur Regulierung des Wasserhaushaltes liefern, ist lange bekannt, ebenso die Fähigkeit,
das Umgebungsklima zu verbessern. Mit dem geneigten Spiralzahnmoose wurde ein Moos ausgewählt, das beide der genannten
Punkte unterstützt. Es ist in der Lage das Mehrfache seiner Trockenmasse an Wasser aufzunehmen. Bei der Nutzung zur
Dachbegrünung wird Regenwasser aufgenommen, so dass der Abfluss größerer Wasserrmengen in die Kanalisation vermieden wird.
Durch die allmähliche Verdunstung trägt das Moos zur Verbesserung des Umgebungsklimas bei.
Tortella inclinata ist als Art schon lange bekannt. Es wurde 1810 für die Wissenschaft zum ersten Mal von Schleicher
auf Kies entlang der Rhone in der Schweiz entdeckt. Der wissenschaftliche Name bezieht sich einerseits auf die geneigte
Sporenkapsel (inclinat) und die gewundenen (tortus) Peristomzähne an der Spitze deren Mündung.
Die Pflanzen selbst können mehrere Zentimeter hoch werden und wachsen in dichten, leicht zerfallenden, Rasen zusammen.
Die Blätter sind im trockenen Zustand stark gekräuselt, ein Merkmal, welches auch bei nahe verwandten Arten zu
beobachten ist.
Im feuchten Zustand sind die gelblichgrünen bis bräunlichen Blätter dagegen aufrecht abstehend. Durch die kurz
bespritzten Blätter und die Farbe, ist die Art auch schon im Gelände an potentiellen Standorten gut erkennbar.
Tortella inclinata wächst bevorzugt an sonnigen, kalkreichen Schotterböden. In Siedlungsgebieten werden gern
vergleichbare Sekundärstandorte besiedelt. Die Art ist in Deutschland vor allem in den Kalkgebieten, sowohl im Flachland
als auch in alpinen Regionen bis über 2000 m zu finden.
Am einzigen geeigneten, naturnahen Standort in Filderstadt, der Gutenhalde, wurde die Art allerdings nicht beobachtet.
Dafür gibt es einige Funde von Sekundärstandorten aus dem Stadtgebiet. Besiedelt wurden dabei Randbereiche von
kalkgeschotterten Flächen und Fugen von Rasensteinen. Mit zunehmender Beschattung oder Trittbelastung verschwindet die
Art jedoch.
Durch die Ausbreitungsfreudigkeit werden aber immer wieder neue Standorte besiedelt, so dass man die Art in
Filderstadt als nicht gefährdet betrachten kann.
Text, Foto und Verbreitungskarte in Filderstadt: Uwe Schwarz
Februar 2023: Der Persische Ehrenpreis ( Veronica persica )
ein kleines aber feines Ackerwildkraut
Es ist etwas ungewöhnlich, im Winter eine Blütenpflanze vorzustellen, doch es
ist möglich. In diesem Jahr war die erste Hälfte des Januars verhältnismäßig warm, trocken und sonnig. So konnte ich z.B.
am Uhlberg den Persischen Ehrenpreis in voller Blüte antreffen.
"Veronica, der Lenz ist da …" sangen die Comedian Harmonists. Ob der Gattungsname "Veronica" mit dem wohlklingenden
Mädchennamen, der "Die Siegreiche" bedeutet, etwas gemein hat, ist nicht bekannt. Basierend auf früheren Ansätzen führte
Carl von Linné im Jahre 1753 ein System zur Benennung von Pflanzen ein, das einem Gattungsnamen - immer groß geschrieben
- einen kleingeschriebenen Artnamen nachstellte.
Aussehen: Veronica persica ist eine niederliegende Pflanze und ein Wegerich-Gewächs (Plantaginaceae).
Sie blüht fast das ganze Jahr und hat eiförmige, am Rand gekerbte, wechselständige Blätter. Aus den Blattachseln
erwachsen auf dünnen langen Stielen die lichtblauen Blüten einzeln, aber zahlreich. Die vierblättrigen Blüten sind
dunkel geädert mit weißem und gelbem Schlundfleck.
Vorkommen: Den Persischen Ehrenpreis finden wir in vom Menschen geprägten Landschaften wie auf Äckern,
in Gärten, Weinbergen, lichten Getreidefeldern und an Wegrändern, er liebt die volle Sonne und meidet schattige
Stellen. Die Pflanze ist bei uns ein Neophyt, eingewandert aus dem Kaukasus. Die erste Erwähnung findet sich bei
Gmelin 1805.
Verbreitung: Offensichtlich war der Botanische Garten Karlsruhe der oder einer der Ausgangspunkte für die
sehr schnelle Verbreitung. Heute kommt die Wildpflanze in allen gemäßigten Zonen der Erde vor. In Württemberg
wurde sie schon 1821 in der Nähe von Ulm beobachtet und als sehr häufig beschrieben. Sie gedeiht am besten auf
nährstoffreichen Böden und ist ein Lehmzeiger. Offene Bodenstellen besetzt sie sofort z.B. auf abgeernteten Gartenbeeten
und Feldern.
Vermehrung: Sie geschieht hauptsächlich vegetativ, d.h. über das Wurzelwerk, aber auch durch Selbstbestäubung
und im Sommer durch Insektenbestäubung. Dann bildet die Pflanze runde, flache Samen aus, die von Ameisen verbreitet
werden.
Gefährdung: Der Persische Ehrenpreis ist in seinem Bestand nirgendwo bedroht, auch geht von ihm keine
Verdrängung heimischer Pflanzen aus. Mit allen Widrigkeiten kommt die Pflanze gut zurecht, somit ist sie ein
wahrer Lebenskünstler.
Quelle: "Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs" Band 5 (Ulmer)
Text: Brigitte Spahr, Foto: Reinhard Böcker (Gutenhalde)
März 2023: Der Kammmolch ( Triturus cristatus )
Hand aufs Herz: Wer von Ihnen kennt den Kammmolch? Und wer kann überhaupt einen Molch von einem Salamander unterscheiden,
geschweige denn unsere vier einheimischen Molcharten auseinanderhalten? Von den älteren Mitbürger*innen erinnern sich einige
daran, in Filderstadt früher solche Exemplare gefangen zu haben. Werden hingegen Kinder nach Molchen gefragt, wissen viele
nicht, wie solch ein Tier überhaupt aussieht.
Molche gehören zu den Schwanzlurchen, haben also im Gegensatz zu den Froschlurchen einen Schwanz. Dieser ist seitlich
abgeplattet, was für die Fortbewegung im Wasser von Vorteil ist. Bei Salamandern hingegen ist er fast drehrund.
Der Kammmolch ist mit seinen bis zu 16 Zentimetern Länge der größte mitteleuropäische Molch. Wie viele andere Tiere auch,
gilt er in Baden-Württemberg inzwischen als "stark gefährdet" und steht auf der Roten Liste. In Filderstadt haben wir
ihn erst im dritten Jahr unserer Suche, und bisher nur an einer einzigen Stelle gefunden.
Alle Lurche (Amphibien) brauchen für ihre Fortpflanzung im Frühjahr Wasser. Während unser Bergmolch (der mit dem
grellorangenen Bauch) mit wassergefüllten Wagenspuren oder auch Gartenteichen vorliebnimmt, stellt der Kammmolch höhere
Ansprüche an seinen Lebensraum. Bevorzugt werden sonnige Stillgewässer mit reichlich Unterwasservegetation.
Um den Weibchen zu imponieren, wächst den Männchen ein imposanter Rückenkamm. Manch einer zeigt sich athletisch und
vollführt vor der Auserwählten sogar einen Unterwasser-Handstand.
Ist die Werbung erfolgreich, legt das Männchen sein Samenpaket auf dem Teichgrund ab. Die hinter ihm herlaufende
Partnerin wird von ihm genau an diese Stelle geführt. Er stoppt sie, indem er sich vor ihr quer stellt, so dass sie
das abgelegte Samenpaket direkt mit ihrer Geschlechtsöffnung aufnehmen kann.
Die 200 bis 400 Eier werden nicht etwa in einem Schwung abgelegt, sondern einzeln eingetütet. Hierzu klebt das Weibchen
das Ei an eine Wasserpflanze und biegt dann mit den Hinterbeinen das Pflanzenteil so um, dass das wertvolle Produkt darin
wie in einer Tasche geschützt ist. Die beim Schlupf etwa elf Millimeter großen Larven ernähren sich räuberisch von kleinen
Wassertieren. Eine einzelne größere Larve kann innerhalb von 10 Tagen etwa 900(!) Stechmückenlarven vertilgen. Molche
müssten uns also eigentlich sehr sympathisch sein.
Nach zwei bis vier Monaten verlassen die fertigen Jungmolche das Gewässer. Sie haben hierfür die faszinierende Umstellung
von Kiemen- auf Lungenatmung vollzogen. Erst nach zwei bis drei Jahren werden sie geschlechtsreif. Auch an Land ernähren
sich die Molche von Würmern, Schnecken und Insekten aller Art. Sie können 10 Jahre und älter werden.
Kammmolche sind sehr ortstreu. Die durchschnittliche Entfernung vom Teich beträgt nur etwa 150 Meter. Existieren
innerhalb von wenigen hundert Metern keine weiteren Molchgewässer, können Verluste nicht gegenseitig ausgeglichen
werden und auch ein genetischer Austausch findet nicht statt. Die Aussterbewahrscheinlichkeit von solch einer kleinen,
isolierten Population, wie in Filderstadt, ist daher groß.
Trockenlegungen von Feuchtgebieten, zunehmende Beschattung durch mangelnde Pflege sowie Verlandung ließen die Bestände
des Kammmolchs in den letzten Jahrzehnten massiv schrumpfen. Abgesehen vom Fehlen geeigneter Gewässer, ist vor allem
das Vorkommen von Fischen ein absolutes K.o.-Kriterium. So gern diese von Spaziergängern gesehen werden - auf ihrem
Speiseplan stehen von den Eiern über die Larven bis hin zu den fertigen Tieren fast alle unsere einheimischen Lurche.
Da Kammmolchlarven gern im offenen Wasser schwimmen, sind sie leichte Beute. Auch die Tatsache, dass Menschen immer
wieder überzählige Aquarien- oder Gartenteichbewohner gedankenlos in irgendwelchen Gewässern aussetzen, hat daher
massive Folgen für die dort lebende Tierwelt.
Nur ein Netz aus sonnenbeschienenen, fischfreien Tümpeln in nicht leer gefegter Umgebung kann das Überleben des
eindrucksvollsten unserer Molche sichern, dieser Seltenheit mit Drachenflair.
Quelle: Laufer, H., K. Fritz, P. Sowig (2007): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs
Text und Foto: Birgit Förderreuther
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