Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1992


Renaturierung der Plattenhardter Heide

Carsten Wagner
Biotopkartierer Filderstadt

Seit langer Zeit stellt der südexponierte Hang der Plattenhardter Heide, dort wo heute das Altenheim St. Vinzenz steht, ein Kleinod für die heimische Tier- und Pflanzenwelt dar. Bedingt durch den unfruchtbaren, schlecht zu bearbeitenden Knollenmergel-Untergrund konnte hier kaum Landwirtschaft betrieben werden und das Gelände entwickelte sich zu einer für Württemberg typischen, durch Schafbeweidung extensiv genutzten Heide. Verschiedene Versuche, das große gemeindeeigene Grundstück ertragreich zu nutzen, waren entweder nur von kurzer Dauer (Anlage einer Maulbeerpflanzung zur Seidenraupenzucht, Wehrertüchtigungsübungen des Reichsarbeitsdienstes, Bau eines Sportplatzes, Bau der ersten Windhundrennbahn Deutschlands) oder sie konnten das Gelände nur vom Rand her erschließen (Ausweisung von Gartenland, Anlage einer gemeindeeigenen Flächenobstanlage ab 1929).

Mit der Einweihung des Altenheimes 1961 erfuhr das Gelände zwar eine Erschließung durch Wege und eine Umnutzung zu einer Parkanlage, doch mit dem Rückgang der Schafbeweidung war die Verbuschung der ganzen Fläche nicht mehr aufzuhalten.

Bei den ersten Bestandaufnahmen der Tier- und Pflanzenwelt des Gebietes durch die Gruppe der freiwilligen Biotopkartierer wurde dann sehr bald klar, wie wertvoll diese Flächen für den Naturschutz sind und wie bedrohlich die Verbuschung, vor allem mit Schlehen, zugenommen hatte. Dadurch, daß die Schlehen nahezu das ganze Gebiet komplett überwuchsen, verdrängten sie viele andere Pflanzen- und damit auch Tierarten.

Daher begann die Gruppe der "Biotoper" bereits Mitte der 80-er Jahre damit, mit Unterstützung des zuständigen Hausmeisters des Altenheimes Rudolf Werner, die noch verbliebenen Freiflächen zu vergrößern und einen Großteil der Schlehen, Brombeeren und Himbeeren Stück für Stück zu entfernen. In den ersten Jahren geschah dies mit einfachsten Werkzeugen von Hand unter zum Teil schwierigsten Bedingungen. Aus eigenen Mitteln und aus Fördergeldern für das Projekt (so z.B. vom WWF Deutschland) wurde im Laufe der Jahre ein angemessener Werkzeug- und Gerätebestand für Naturschutzarbeiten wie diese aufgebaut. Die Arbeitseinsätze wurden jährlich fortgeführt; insbesondere auch die Nachpflege, d.h. das Entfernen der neuen Wundschößlinge, war in den ersten Jahren sehr wichtig. Bereits nach wenigen Jahren zeigte sich, daß die Wiederbesiedlung der Flächen mit den heidetypischen Pflanzen erstaunlich schnell erfolgte. Leider war die Anlage eines kleinen Amphibiengewässers nicht erfolgreich, da das damals aufgestaute Schichtquellwasser inzwischen nahezu versiegt ist.

Insgesamt wurde bis jetzt eine Fläche von ca. 52 ar entbuscht. Zusammen mit der noch erhaltenen Freifläche von ca. 39 ar ist also nun auf fast 1 Hektar Fläche die Renaturierung der Heidevegetation möglich. Um die weitere Entwickling zu sichern, übernahmen die "Biotoper" am 5.3.1988 die Patenschaft für das Gebiet. Ziel der Patenschaft ist es, zum einen die Renaturierungsarbeiten auch langfristig zu ermöglichen und ferner eine regelmäßige Mahd im Spätsommer durch das Altenheim zu gewährleisten. Letzteres wurde leider nur zum Teil erreicht. 1990 wurde bei der Unteren Naturschutzbehörde ein bisher erfolgloser Antrag um Bezuschussung maschineller Entbuschungsmaßnahmen durch eine Fachfirma gestellt. Der Antrag war sowohl vom Umweltschutzreferat der Stadt, vom Naturschutzbeauftragten des Kreises und von den "Biotopern" als auch vom Altenheim befürwortet worden. Seit 1991 sind die freien Flächen nun eingezäunt und werden von Angusrindern und einem Pferd beweidet. Diese Beweidung hat sich bisher bewährt, wenn auch die Anzahl der Tiere eindeutig zu hoch ist, so daß es durch Zufütterung und Beweidung bei feuchtem Wetter zu unerwünschtem Nährstoffeintrag und Trittschäden kommen kann. Daher sollte, um eine langfristig verträgliche Beweidung sicherzustellen, die Zahl des Weideviehs auf maximal 2 bis 3 Tiere begrenzt werden und die Tiere sollten unbedingt in Zeiträumen, in denen eine Zufütterung nötig ist, im Stallbereich gehalten werden. Bei nasser Witterung und besonders im Winterhalbjahr sollte eine Beweidung ganz vermieden werden. Diese Maßnahmen werden vom Altenheim zum Teil bereits durchgeführt oder sind mittelfristig geplant.

Die fortlaufenden Kartierungen ergaben bisher eine erfreuliche Zunahme der heidetypischen Flora, wobei überraschenderweise die charakteristische "Schlagflur" aus Himbeeren und Brombeeren sehr schnell zurückging. Inzwischen können unter den fast 100 vorgefundenen Pflanzenarten auch wieder Pflanzen wie etwa Flügelginster, Hügelklee, Knoten-Braunwurz, Tausendgüldenkraut und natürlich das Heidekraut angetroffen werden. Von 52 nachgewiesenen Vogelarten wurden 41 als Brutvögel oder mit Brutverdacht registriert, darunter z.B. auch Grauschnäpper, Neuntöter, Schwanzmeise und Klappergrasmücke. Bestandsaufnahmen bei Insekten und Reptilien kommen zu ähnlich hoffnungsvollen Ergebnissen.

Es bleibt zu hoffen, daß dieses Gebiet zusammen mit den direkt anschließenden Biotopen Hunderennbahn, Steinenfurt, Egart und Spitzäcker langfristig erhalten bleibt und dadurch eine fortgesetzte, auf der Heide sicher zum Teil noch zu erweiternde Landschaftspflege in seiner Funktion als Lebensraum vieler seltener Tier- und Pflanzenarten zurückgewonnen werden kann.


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