Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1996/1997


"Wegen Eurer paar Vögel"

oder welchen Sinn hat ein Engagement im Naturschutz?

Roland Mack
Biotopkartierer / Nabu

Anläßlich einer Baubegehung mit Bauherren und Biotopschützern fiel die Bemerkung: "Wegen eurer paar Vögel sollen wir nicht in dem Ausmaß bauen dürfen, wie wir das vorhaben!" Es handelte sich um ein größeres Projekt auf der Gemarkung von Filderstadt. Diese Äußerung führte zum Nachdenken darüber, wem die Vögel gehören, wem die Pflanzen gehören, wem die Umwelt und die Natur gehört. Derjenige, der das sagte, befürchtete, daß die Frage der Umweltverträglichkeit das geplante Vorhaben irgendwie beeinträchtigen könnte - es hat es nicht getan. Offensichtlich brachte der Interessenkonflikt ihn dazu, einen Gegensatz zwischen den wenigen für ihn unwichtigen Vögeln und dem geplanten wichtigen Projekt darzustellen und dabei wurde in seinen Augen die wenigen Vögel zu einer zu vernachlässigenden Größe angesichts des - auch für das Gemeinwohl so wichtigen - Bauvorhabens.

Einen zweiten interessanten Gesichtspunkt enthält die Aussage: wegen Eurer paar Vögel!

Wenn die Vögel in dieser Aussage als Symbol für die Umweltverträglichkeit stehen, dann ist es offensichtlich möglich, die Umwelt bzw. Natur (als den belebten Teil der Umwelt) zu besitzen. Es ist dann weiterhin möglich, bei Interessenkonflikten abzuwägen nach der unausgesprochenen Wichtigkeit: Eigeninteresse vor dem Interesse der Vögel. Schon befinden wir uns in einer Konkurrenzsituation. Dabei bleiben die paar Vögel fast immer auf der Strecke.

Das Artensterben ist bekannt. Heute stirbt täglich eine Tierart auf der Welt aus. Nach Berechnungen von Wissenschaftlern gibt es auf der Erde etwa zwei Millionen Tierarten. Aber die Wissenschaftler haben auch berechnet, daß - wenn das Artensterben nicht gestoppt wird - bis zum Jahr 2000 bereits eine Art pro Stunde ausstirbt. Natürlich sind schon immer Arten von der Erde verschwunden, aber die Aussterberate nimmt rasch zu: In ein paar Jahren wird also 24 mal am Tag eine Tier- oder Pflanzenart wegfallen. Um die Jahrhundertwende betrug die Aussterberate noch eine Art pro Jahr, heute eine Art pro Tag und in wenigen Jahren eine Art pro Stunde. Wird diese katastrophale Entwicklung nicht gestoppt, sind in den nächsten zwanzig Jahren 20% aller heute lebender Arten für immer von der Erde verschwunden. Bereits heute beanspruchen 10 Kulturpflanzenarten ein Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland.

Horst Stern, der bekannte Umweltjournalist, Filmemacher und Romanautor schreibt in einem Artikel ("Die Woche" vom 6.10.1995):

...,daß...."die Wälder nicht grüner geworden sind, sondern durch Industrie- und Verkehrsemissionen gelber, daß die Blumen im EU-Grün der Wiesengräser am zu vielen Düngerstickstoff ersticken und ein Lebensrecht nur noch an schmalen Wegrändern haben, wo man es Bauern eigens abkaufen muß; daß Vögel, vorneweg die so schön singenden, fast mehr schon auf Tonträger zu hören sind als auf Zweigen......."

Der Leser merkt, wohin der Gedankengang führt: Artensterben, Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung, Umweltzerstörung, vergiftete Nahrung, Allergien, saurer Regen, Treibhausklima, Waldsterben, Krebserkrankungen, atomare Bedrohung, Tschernobyl, nicht zuletzt Rinderwahnsinn sind heute Begriffe, die jedem Schulkind bekannt sind. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich anschickt nach der Ausplünderung der Biosphäre sich selbst zu verzehren, in einer Gesellschaft, die keine einzige neue Art hervorbringt sondern mit Ratte, Krähe und Kakerlake vorlieb nimmt.

Ein Horrorszenario und eine Weltuntergangsstimmung!

Was können wir tun und was hat das alles mit Filderstadt zu tun?

Man könnte Nistkästen für Vögel (z.B. für Wasseramseln, Halsbandschnäpper oder Gartenrotschwanz oder noch weniger "spektakulär" bloß für den Feldsperling, der im übrigen rasant abnimmt) aufhängen genauso wie Nisthilfen für Wildbienen. Oder man könnte Hecken mit einheimischem Gehölz anpflanzen, oder eine Bachpatenschaft übernehmen - als einzelner oder mit einer Gruppe oder als Schulklasse. Man könnte auf die Fahrt mit dem Auto zum nächsten Zigarettenautomaten verzichten oder ganz auf das Zweit- bzw. Drittauto - es gibt auch Leute, die nur noch mit dem Fahrrad fahren. Oder man kann auch Most trinken ( zum Erhalt der Streuobstwiesen). Oder wir verzichten auf den Bau zahlloser Umgehungsstraßen oder die Flughafenerweiterung (Ach nein, das geht ja jetzt nicht mehr!). Ausserdem müssen ja auch Arbeitsplätze gesichert werden. Es gibt viele emotional aufgeladene Schlagwörter zur Umweltdiskussion.

Horrorszenarios und Weltuntergangsstimmung lösen in jedem von uns Angst aus. Bei der Diskussion über die Umwelt sind bei jedem immer massive Emotionen im Spiel. Zu Abwehr dieser Gefühle bietet es sich an, irgend etwas im dem Bereich des Umwelt- und Naturschutzes zu tun. Aber schon hört man die depressive Frage: Lohnt sich das überhaupt noch?

Man könnte doch auch einfach wegsehen oder die Augen ganz zumachen (aber dann müßte man sich ja auch die Ohren zuhalten). "Nach uns die Sintflut!" Oder besser noch - abstreiten, verharmlosen; diejenigen, die uns das sagen, kriminalisieren oder vielleicht nicht ganz so schlimm diskriminieren: Spinner, Ökos. Es gibt auch die Möglichkeit sich ständig mit schönen neuen Dingen zu betäuben.

Also nochmals die Frage: was können wir tun?

In den Möglichkeiten bewegen wir uns wie einst Odysseus zwischen der Skylla des Wegsehens, der Verleugnung und Verharmlosung - dann müssen wir nichts tun - und der Charybdis vom Nistkastenaufhängen angesichts der globalen Umweltkatastrophe.
Wir können - wenn wir die Widersprüche zwischen beiden Felsen aushalten - hindurchschiffen.

Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten, die für den Erhalt der Umwelt eintreten, es gibt einen Aktivismus für das Bewahren und Beschützen bei öffentlichen und privaten Initiativen. Sich zu engagieren ist möglich als Einzelner aber auch in einer Gruppe.

Alle diese Aktivitäten sind Ausdruck einer tiefen Sehnsucht der Menschen nach Wiedergutmachung an der gequälten und zerstörten Natur. Jeder von uns hat in sich die Vision des verlorenen Paradieses als Symbol für eine heile intakte Umwelt. Häufig ist diese Vision jedoch überschüttet, begraben, tief innen versteckt. Daß Aktivitäten - auch umfassendere - möglich sind, sollen einige Beispiele aufzeigen:

Aus den Vereinigten Staaten wird vermeldet, daß das US-Forstministerium einer seit langem erhobenen Forderung von Umweltschützern nachgekommen ist, und den Fleckenkauz (Strix occidentalis), eine etwa schleiereulengroße Eule, auf die Liste der bedrohten Arten gesetzt hat. Dies hat zur Folge, daß ca. 800 000 ha Wald mit vor allem Zedern und Redwood-Bäumen unter Schutz gestellt werden. Besonders die Redwood-Bäume sind wegen ihrer Größe und ihres Holzertrages bevorzugte Objekte für die Motorsägen der großen Holzkonzerne.

Aber man muß nicht soweit gehen, um erfolgreiche Beipiele von Artenschutz zu finden:
Dank der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz ist es in Baden-Württemberg gelungen, den Bestand an Wanderfalken auf einem relativ hohen Niveau zu stabilisieren. Heute leben in Baden-Württemberg , Südbayern und der Südpfalz über 90 % der deutschen Wanderfalken. Dieser Vogel stand in den 50iger Jahren weltweit vor dem Aussterben. Der Wanderfalke ist ein hervorragendes Beispiel für die erfolreiche Arbeit des Artenschutzes.

Ein drittes erfreuliches Beispiel für das Engagement im Umweltschutz stammt aus der unmittelbaren Nachbarschaft von Filderstadt:


1985 wurde der Bau eines Hochwasser-Rückhaltebeckens im Schaichtal gestoppt. Das Schaichtal gilt als eines der naturnahesten Fließgewässerlandschaften im Großraum Stuttgart. Bürgerinitiativen und Umweltschützer wehrten sich mit Erfolg gegen den Bau eines Hochwasserdammes, der den Charakter des Tales völlig verändert hätte. Biologen erstellten ein Gutachten über die dort vorkommenden Tiere und Pflanzen. Letztendlich wurde das ganze Vorhaben fallen gelassen, weil man im Schaichtal eine Schneckenart, die Bauchige Winkelschnecke (Vertigo moulisiana) fand, die in Württemberg als verschollen galt. Sie ist bisher nur im Schaichtal lebend gefunden worden.

Diese Beispiele, es gäbe noch zahllose weitere, auch hier bei uns in Filderstadt, zeigen, daß es möglich ist, sich mit Erfolg beim Umwelt- und Naturschutz zu engagieren. Daß dazu hoher Zeitaufwand, Durchhaltevermögen und Geduld nötig ist, versteht sich von selbst. Die Triebfeder für alle diese freiwilligen Arbeiten kann in dem oben erwähnten Wunsch nach Wiedergutmachung liegen.

Trotzdem ist diese Arbeit auch voll von Widersprüchen. Die einen begnügen sich mit "dem Backen kleiner Brötchen" z.B. nochmal: dem Ausbringen von Nisthilfen, dem Schutz brachliegender Flächen. Anderen ist das viel zuwenig, ja solche als Aktionismus verschrieene Maßnahmen seien nur das Feigenblatt, während die globale Zerstörung immer schneller fortschreite. Man brauche noch weitere Tschernobyls wie einzelne zynische menschen- und umweltverachtende Naturschützer fordern, damit die Welt endlich aufwache. Erneut ist ein großer Zwiespalt zu spüren zwischen dem "Backen kleiner Brötchen" und der tiefen Depression und Hilflosigkeit angesichts der Größe der Aufgabe und der vermeintlichen Sinnlosigkeit des eigenen Tuns.

Schon gibt es Streit zwischen den Vogel- und den Schmetterlingsschützern, weil die einen durch die aufgehängten Nistkästen "zuviele" Vögel ansiedeln, die dann die Raupen der geschützten Schmetterlinge fressen!

Das Engagement einzelner Tierschützer kann bizarre Formen annehmen. Es kann soweit gehen, daß z. B. Vogelschützer die Küken seltener Vögel bei Stürmen oder Unwettern aus den künstlichen Nisthilfen mit nach Hause nehmen, dort trocken föhnen und sie nach dem Unwetter wieder zurück in die Natur bringen; es gibt Schmetterlingsschützer, die mit hohem Zeitaufwand z. B. alle Raupen des Segelfalters, deren sie habhaft werden können, einsammeln, um sie dann zu Hause in einem geschützten Raum zum Ausschlüpfen zu bringen, damit keine gefressen werden oder sonstwie verloren gehen. In Amerika versuchte man die 12 überleben -den Kalifornischen Kondore dadurch vor irgendwelchen Unglücksfällen zu schützen, daß man sie auf ihrem Flug in Winterquartiere mit Kleinflugzeugen begleitete. Warnend erheben die Biotopschützer - das sind die, die nicht die einzelne Art sondern den Lebensraum der Art schützen wollen - ihre Stimme und werfen den Artenschützern vor, sie würden die Arten verfälschen. So gibt es einen trefflichen Streit um die Storchenaufzuchtstationen im Land, weil die dort aufgezogenen Störche ihr angeborenes Zugverhalten verlieren und im Winter hier bei uns durchgefüttert werden müssen. So entstehe eine neue Art Storch, der zwar noch wie der altbekannte Storch aussehe, aber bereits ein anderes Verhalten habe. Ornithologen stellten bei Rauhfußkäuzen eine Änderung des inneren Höhlenschemas fest: die in künstlichen Nisthilfen großgewordenen Käuze brüten als adulte Tiere nur noch in künstlichen Nisthilfen. Sie sind also für immer auf die Hilfe des Menschen angewiesen. Folglich ist der "Nur"- Artenschutz abzulehnen. Wieder können Menschen, die ja eigentlich dasselbe wollen, nämlich einen Stop der Umweltzerstörung, trefflich miteinander streiten.

Auswilderungsmaßnahmen werden von den einen mit großem Pomp und pressewirksam durchgeführt: Wanderfalken an der deutschen Nordseeküste, Uhus in Oberfranken, Birkhühner in Oberschwaben. Dann müssen selbstverständlich auch die Feinde - bei den letzteren vor allem der Habicht - eingefangen und fernab der aus- gewilderten Birkhühner vielleicht wieder freigelassen werden. Andere werfen den Initiatoren solcher mit staatlichen Mitteln finanzierten oder auch "wilden" Auswil -derungsmaßnahmen Unkenntnis der Beziehungsgeflechte, die in der Natur herr-schen, vor. Die Auswilderer mißverstünden den Begriff der "Ökologischen Nische" als nur räumlich - hier hat es noch Platz für diese oder jene Tierart. In Wirklichleit - so lehren uns die Biologen - ist die "Ökologische Nische" nicht bloß ein Raum in der Natur, sondern stellt die Summe aller Beziehungen dar, die ein Lebewesen zu seiner Umwelt unterhält. Die Auswilderer müßten dann auch Freßfeinde, Beute, Brut- und Schlafplätze, Fluchtmöglichkeiten und vieles mehr mit auswildern.

Auf ein weiteres weniger beachtetes Problem sei noch hingewiesen: Klar ist der Schutz einer Landschaft erfolgversprechender als der Schutz einer einzelnen Pflanzen- oder Tierart. Aber wie verhält man sich, wenn die alleinstehende Rentnerin dem Vogelkartierer erzählt, ihre Streuobstwiese sei ihre einzige Altersversorgung neben der geringen Rente, mit der sie kaum leben könne. Sie erhoffe sich durch den Verkauf ihrer Streuobstwiese als zukünftiges Bauland einen möglichst hohen Erlös, um ihre Altersversorgung abzusichern. In solchen Situationen können die sachlichen Argumente zum Schutz dieser Kulturlandschaft ausgehen. Dies gilt auch für das Ehepaar, das die Geschirrhütte und den Zaun um den Kleingarten im Streuobstgebiet entfernen mußte, einem Kleingarten der mehr als 20 Jahre das Freizeitvergnügen dieser Familie darstellte.

Was treibt den Kartierer dazu, seine "geliebte" Tier- oder Pflanzenarten erbsenmäßig zu zählen? Oftmals wie ein Leichenfledderer das Verschwinden einer Art bis ins kleinste Detail zu dokumentieren? Ein bekannter Ornithologe , der sich seit vielen Jahren mit dem Rotkopfwürger beschäftigt, einer Vogelart die ihren Verbreitungs- schwerpunkt in Baden-Württemberg und da besonders im Albvorland hat, teilte im Gespräch mit, daß neuerdings ein weiterer Gegenstand seiner ornithologischen Forschungen der Hausperling sei. Der Rotkopfwürger wird der nächste Vogel sein, der in Deutschland verschwindet und der Ornithologe will für die Zukunft sicher sein, daß sein neues Forschungsobjekt nicht wieder dasselbe Schicksal erleidet.

Bei sovielen Widersprüchen und Verwerfungen erscheint es doch recht schwierig, sich sinnvoll für den Erhalt unserer Umwelt und Natur einzusetzen.Gehen wir zurück zu dem eingangs zitierten Ausspruch:

..."wegen eurer paar Vögel!"

Umwelt und Natur gehören allen und gehen alle etwas an! Die Menschen selbst sind Teil der Natur.

Wozu brauchen wir die Vögel, das Knabenkraut, den Schmetterling, die Fledermaus, den Diptam? Horst Stern nennt diese den Naturschützern oft gestellte Frage unmenschlich. Er schreibt in einem im Spiegel veröffentlichen Essay 1977 weiter: "Kein Wagnis steckt in der Behauptung , daß wir in einer Welt ohne Rembrandt und Kandinsky, ohne Kölner Dom und Bamberger Reiter leben könnten, ärmer im Geist das ist wahr. Nicht leben könnten wir in einer Welt ohne naturbelassene Tiere und Pflanzen. Kinder würden in ihr unsäglich verrohen. Ohne Formen- und Farbensinn, ohne Staunen und Demut vor den unerklärlichen Wundern pflanzlichen und tierischen Lebens wüchsen sie als Technohybriden heran, die ihrer so verarmten Welt alsbald den Rest geben würden. Es wäre ihnen mit den Naturgeschöpfen der einzige Maßstab abhanden gekommen, an dem sich ablesen läßt, was allein uns vor uns selber rettet: Die Einsicht, daß wir ein Teil der Natur sind, nicht ihr Ein und ihr Alles!"

So - was können wir tun?

Gehen wir davon aus, daß wirklich jeder einzelne Mensch - und dies gilt in besonderen Maß für die nachwachsende Generation - in sich die Vorstellung (oder wenn man will, die Sehnsucht) nach einer heilen, gesunden schönen Umwelt trägt, so muß es möglich sein, Aktivitäten zur Wiedergutmachung an der verletzten und zerstörten Natur zum Anliegen aller zu machen.

Das bedeutet, jeder sollte dann die Möglichkeit haben ohne Ansehen der Person, seiner Ausbildung oder seines Kenntnisstandes oder seines Alters sich an Aktivitäten für die Natur und Umwelt zu beteiligen.

Es können auf dieser sehr persönlichen Ebene die raffiniertesten Nisthilfen für die verschiedensten Tierarten gebaut und ausgebracht werden. Bachpatenschaften, Wald- und Gemarkungssäuberungen, die verschiedensten freiwilligen Kartierarbeiten für Tiere und Pflanzen, Heckenanpflanzungen, Artenschutzaktionen, Energiespar- maßnahmen, aber auch das Anlegen einer Wildkräuterwiese, der bewußte Umgang mit der Nahrung oder die Benützung von rückstandsfreien Pflegemitteln - alle diese Aktivitäten haben ihre Berechtigung und es darf kein Wenn und Aber geben. Von subjektiver Sicht aus sind alle diese Aktivitäten wertvoll - also kein gegenseitiges Abwerten oder Verächtlichmachen. An solchen Nahtstellen ist auch Toleranz lernbar. Was dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin Nachtigall! Es darf kein Richtig oder Falsch geben, weil es aus subjektiver Sicht kein Richtig oder Falsch gibt.

Ein weiterer Effekt all der angesprochenen Umweltaktivitäten ist die Entwicklung einer kollektiven Empfindlichkeit bis hin zu einem kollektiven Verantwortungs- bewußtsein für Umwelt und Natur. Es sind dann nämlich nicht mehr "Eure paar Vögel" sondern die Pflanzen, die Tiere, die Landschaft (bis hin zum Globus) gehören uns allen.

Natürlich gibt es noch weitere Maßnahmen des Arten und Biotopschutzes, die auf einer breiteren auch öffentlich-rechtlichen Ebene laufen müssen. Dann sind Wissenschaftlichkeit, exakte Untersuchungsmethoden und exakte Dokumentation gefragt. Hier müssen professionelle Biologen, Ökologen u.a. ran. Solche Projekte können nur durch private und öffentliche Initiaiven mit großen finanziellem und Personalaufwand durchgeführt werden wie z.B. Erstellen von Umweltgutachten, Umweltverträglichkeitsprüfungen, landschaftspflegerische Maßnahmen, Ausweisung von Naturschutzgebieten u.ä.. Diese Projekte haben bereits auch eine politische Seite. Aber es geht noch weiter. Bei großflächigen Schutzmaßnahmen wie z.B. die Einrichtung von Biosphärenreservaten ist die Umweltpolitik in den Ländern und des Bundes gefragt oder beim Bau von Autobahn- und Eisenbahntrassen. Um ein Größenverständnis zu bekommen: das Biosphärenreservat "Mittlere Elbe" hat eine Gesamtfläche von 43 000 ha. In diesem Zusammenhang muß man bedauern, daß bis heute der Umweltschutz nicht in unserem Grundgesetz verankert ist.

Die Gedanken über Betätigungsfelder der Umweltpolitik lassen sich geographisch noch weiter spinnen: Der Schutz der Umwelt und Natur ist europa- und weltweit notwendig. Als Versuche in dieser Hinsicht sind die Weltklimakonferenzen zu nennen oder die Konferenzen der Nordseean iegerstaaten zum Schutz der Nordsee. Weit weg von Filderstadt hat die Gedankenkette geführt. Angesichts der Größe der Aufgaben und dem Zweifel am Erfolg kommt sich der Einzelne nur klein und unbedeutend vor.

Und doch haben die eigenen Aktivitäten hier bei uns in Filderstadt mit dem Kampf gegen die weltweite Gefährdung der Erde etwas gemeinsam: die angesprochene innere Sehnsucht aller Menschen nach einer heilen, unversehrten Umwelt und Natur.

Wir müssen die Widersprüche unseres Tuns zum Schutz der Natur aushalten. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit eigenen depressiven Tendenzen angesichts von weltweiter Gefährdung. Auch die Wege und Methoden unseres Tuns sind vielfältig und widersprüchlich. Es gibt nicht den allein selig machenden Weg. Aber eine Umkehr bei der Behandlung unserer Umwelt ist auch im Interresse der Nachwachsenden lebensnotwendig.


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