Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1995/1996


Neuntöter und andere Würger

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt

Würger, Raubwürger, Neuntöter, Dorndreher, Würgeengel - fürchterlich klingende Namen für einige unserer interessantesten und schönsten Vogelarten. Wer hätte gedacht, daß es sich dabei sogar um Singvögel handelt?

Woher kommen die martialischen Namen?

Zur Familie der Würger zählen in Süddeutschland insgesamt vier Arten: neben dem Neuntöter sind dies der Rotkopfwürger, der Schwarzstirn- sowie der Raubwürger. Die Familienbezeichnung Würger erklärt sich daraus, daß diese Vogelarten - ähnlich den Greifen und Eulen - unverdauliche Nahrungsreste wie Panzer und Flügeldecken von Insekten oder Fell sowie Knochen kleiner Mäuse später wieder auswürgen. Der Name Dorndreher weist auf eine andere Eigenschaft der Würgerarten hin: sie spießen ihre Beutetiere teilweise auf Dornen, Stacheln oder spitzen Zweigen auf, um sie besser zerkleinern zu können oder um einen Futterspeicher für naßkalte Tage anzulegen. Die Bezeichnung Neuntöter vergab der Volksmund, denn unserem armen Vogel wurde unterstellt, daß er aus reiner Mordlust erst neun Beutetiere tötet und aufspießt, bevor er eines davon verzehrt (was natürlich nicht stimmt!). Ein weiteres typisches Merkmal dieser Singvogelfamilie der Würger ist ihr falkenähnlicher Oberschnabel, der wie bei den Greifvögeln mit einem sogenannten "Falkenzahn" ausgestattet ist. Auch der falkenähnliche Rüttelflug und - wie oben erwähnt - das Auswürgen unverdaulicher Nahrungsreste erinnern stark an Greif- bzw. Raubvögel!

Der Neuntöter (Lanius collurio)

Kennzeichen: Das besonders farbenprächtig gefärbte Männchen des Neuntöters ist an seinem auffälligen schwarzen Augenstreif, dem blaugrauen Oberkopf und Nacken, dem rostroten Rükken ("Rotrückenwürger") und den gleichfarbigen Flügeln sowie der rosa angehauchten Unterseite gut zu erkennen und mit keinem anderen einheimischen Vogel zu verwechseln. Weibchen und Jungvögel sind weit weniger auffällig gefärbt: hauptsächlich rostbraun mit hellerer Unterseite, die mit braunen Bogenlinien gewellt ist.
Sein leiser und zwitschernder Gesang ist nur selten zu hören; viel eher vernimmt man seine hart klingenden "teck"-Rufe, wenn man sich seinem Brutplatz nähert.

Vorkommen/Fortpflanzung: Der Neuntöter ist Zugvogel und kehrt erst Anfang bis Mitte Mai aus seinem Winterquartier im tropischen Afrika zurück. Er sucht seinen Brutplatz in Hecken, Gebüschen oder auch kleineren Bäumen, wo er ein stabil gebautes Napfnest errichtet und in der Regel vier bis sechs Jungvögel aufzieht. Bereits im ersten August-Drittel beginnt der Wegzug der Altvögel, wogegen die Jungen noch einen Monat länger verbleiben und erst im September abziehen.

Nahrung: Während der kurzen, nur drei bis vier Monate dauernden Anwesenheit in seinem Brutrevier ist der Neuntöter gut zu erkennen: meist sitzt er auf erhöhter Warte , z.B. den höchsten Zweigen eines Gebüschs, auf einem Pfosten oder auf elektrischen Leitungen und stürzt sich von dort auf seine Beute. Seine Hauptnahrung sind größere Insekten wie Schmetterlinge, Grillen und Käfer, die er teilweise auch im Flug fängt. Außergewöhnlich ist es für einen Singvogel seiner Größe, daß er auch Jungvögel und kleine Mäuse zu seinen Beutetieren zählt und aufspießt.

Gefährdung: Der Bestand des Neuntöters ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten in ganz Deutschland stetig zurückgegangen. Vom Naturschutzbund/Deutscher Bund für Vogelschutz wurde er deshalb zum "Vogel des Jahres 1985" erklärt und in Baden-Württemberg wurde er in der Roten Liste als "stark gefährdet" eingestuft. Ursachen des besorgniserregenden Rückgangs waren vor allem:

Verlust von typischen Lebensräumen. Der Neuntöter liebt Hecken und Buschlandschaften, von denen er aus zum Beuteflug in nahes Grünland, Obstwiesen oder Brachland starten kann. Das Abholzen und Beseitigen von Hecken und Buschwerk sowie der Umbruch von Wiesen in Ackerland zerstören also die Lebensräume des Neuntöters.

Verwendung von Insekten- und Unkrautvernichtungsmitteln. Damit wird direkt oder indirekt die wichtigste Nahrungsquelle des Neuntöters, nämlich Großinsekten wie Käfer, Heuschrecken und Schmetterlinge, bekämpft und zerstört.

In den Achtziger- und Neunziger-Jahren scheint sich der Neuntöter-Bestand in Süddeutschland und auch in anderen Teilen der Bundesrepublik zu stabilisieren, teilweise auch wieder zu erholen. In der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten Baden-Württembergs wurde der Neun-töter deshalb im Jahr 1992 aus der Kategorie 2 (stark gefährdet) in die Kategorie 3 (gefährdet) umgestuft. In dieser Stufe gilt immer noch: "In ganz Baden-Württ. oder in großen Teilen davon gefährdete Art, für die in vielen Fällen Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Kriterien: Arten mit regional kleinen oder sehr kleinen Beständen; Arten, deren Bestände regional oder vielerorts lokal zurückgehen oder lokal verschwunden sind".

Situation des Neuntöters in Filderstadt

Im Rahmen der Maßnahmen zur Biotopkartierung wird das Vorkommen des Neuntöters, einer auch in Filderstadt stark gefährdeten Vogelart, mit Interesse registriert. Seit zehn Jahren werden Beobachtungs- und vor allem Brutdaten gesammelt und ausgewertet. Während in den ersten Jahren (von 1987 bis 1989) schwerpunktmäßig das Vorkommen im Gebiet "Sandbühl und Gutenhalde" in Bonlanden untersucht wurde, erstreckten sich die Beobachtungen in den Folgejahren auf die gesamte Gemarkung mit allen fünf Ortsteilen. Folgende Ergebnisse konnten festgehalten werden:

Frühjahrsankunft in Filderstadt: Die frühesten Beobachtungen gelangen am 4. Mai 1986 (offensichtlich durchziehendes Männchen an der Scherlachhecke) sowie am 5. Mai 1990 (ebenfalls ein Männchen in der Gutenhalde). Sehr spät, nämlich am 25.5., wurde der erste ankommende Neuntöter im Jahr 1989 registriert.

Wegzugbeobachtungen im Herbst: Die spätesten Beobachtungen vor dem Herbstzug gelangen im Jahr 1989 am 9. September, als noch zwei diesjährige Jungvögel im Sandbühl und in der Gutenhalde angetroffen wurden. Auch in den Jahren 1992 bis 1994 wurden noch Anfang September Jungvögel in den Plattenhardter Gebieten Lailensäcker, Egerten und Scherlach gesehen.

Die wichtigsten Brutgebiete: Nach unseren Beobachtungen bevorzugen Neuntöter in Filderstadt kleinere, aufgelockerte Heckenstrukturen mit angrenzendem Grünland. Zusammenhängende, zu dicht bewachsene Hecken wie die Scherlachhecke oder die Hecken im Sandbühl werden nur selten bebrütet; auch wird die reine Feldflur, in der keine Wiesen/Streuobst vorkommen, als Brutrevier in aller Regel gemieden. Besiedelt werden dagegen Hecken und Gebüsch am Rande von Erd- und Mülldeponien sowie in Heiden und Parklandschaften. Brutvorkommen gab es in folgenden Gebieten:

Gutenhalde (Bonlanden): Nach Aussage älterer Bonländer Bürger wurde das frühere Hecken- und Heidegebiet im Sandbühl und der Gutenhalde bis nach dem Krieg noch von etwa 20-25 Paaren des Neuntöters bewohnt. Heute ist die Gutenhalde regelmäßiges Brutgebiet mit zwei bis drei Brutpaaren oberhalb und unterhalb des Gutshofs, wo der Neuntöter mit Hecken, Gebüsch , Wiesen, Viehweiden und Trockenrasen einen idealen Lebensraum vorfindet. Allerdings brüteten 1993/94 nur noch 2 Paare, 1995 sogar nur noch 1 Paar auf der Gutenhalde!

Herrenholz/Aicher Weg (Bonlanden): In den dortigenStreuobstwiesen und Heckenresten gab es Bruten in den Jahren 1986, 1987 und 1990. Die 1986er-Brut in einem Apfelbaum wurde jedoch abgebrochen.

Bromberg/Baumwiesen (Bonlanden): In den Jahren 1992 und 1993 gab es je 1 erfolgreiche Brut in einer Hecke entlang des geteerten Feldwegs sowie in einem Heckenrosenbusch inmitten einer Obstwiese.

Bombachtal/Teufelswiesen (Bonlanden): 1989 - 1991 brütete jeweils 1 Paar in den Wiesen am Ortsrand, ca. 50 m vom Bombach entfernt; als Brutplatz diente ein einzelstehender Heckenrosenstrauch in einer Hangwiese. Im Juni 1990 wurde ein Gelege mit 4 geschlüpften Jungvögeln, im Schlehengebüsch unmittelbar am Rande des Teichs in den Teufelswiesen, aus ungeklärten Gründen aufgegeben.

Erddeponie Eichholz (Bonlanden): Mindestens seit 1994 bildeten sich an den teils bepflanzten, teils der Sukzession überlassenen Hanglagen der Erddeponie 1 - 2 Brutreviere des Neuntöters. Hier befindet sich ein besonders artenreiches Insektenvorkommen (Schmetterlinge, Heuschrekken usw.).

Lailensäcker/Spitzäcker (Plattenhardt): In einer kleinen Hecke am Schotterweg brütet Jahr für Jahr - mindestens seit 1986 - jeweils ein Neuntöter-Paar. Vorteilhaft ist hier die Lage direkt angrenzend zu den Streuobstwiesen der "Spitzäcker"; auch der nahegelegene Schafstall mit seiner Dungablage ist ein Garant für die notwendige Insektenbeute.
Ein weiteres regelmäßiges Brutrevier entstand ca. 250 m entfernt. In einer ebenfalls kleinen Schlehenhecke, neben dem betonierten Feldweg und mit freiem Anflug in die nahen Obstwiesen und feuchterenWeilerhau-Wiesen, findet der Neuntöter offensichtlich die erforderlichen Habitatansprüche.
Leider gehen diese langjährigen Brutreviere beide verloren, wenn der vorgesehene Bebauungsplan "Lailensäcker II" in den nächsten Jahren verwirklicht wird!

Egerten/Weilerhau (Plattenhardt): In Streuobstwiesen, Kleingärten, Heckenresten und an Grabenrändern dieses Gebiets befinden sich meist unregelmäßig 1 - 2 Brutplätze, die teilweise nur 50 - 100 m von den Revieren in den Lailensäckern entfernt sind. Auch diese Brutplätze würden bei einer Bebauung der Lailensäcker zum großen Teil vernichtet.

Steinenfurt (Plattenhardt): Hier dient die Hecke entlang der stark befahrenen Waldenbucher Straße als Brutplatz. Auf der südlichen, dem Verkehr abgewandten Seite wird das Nest gebaut. Von hier erfolgt der freie Anflug in die Steinenfurt-Wiesen mit ihrem reichhaltigen Insektenangebot.

Heide/Park am Altenheim St. Vinzenz (Plattenhardt): Erst nach den Renaturierungsarbeiten im Altenheim-Park, als die Gruppe der Biotopkartierer vor Jahren mit der Rodung der ehemaligen Heideflächen begann, besiedelte der Neuntöter wieder die restlichen Heckensäume. 1993 brüteten zwei Paare mit einem Abstand von weniger als 50 m Luftlinie; die ausgeflogenen Jungvögel bettelten teilweise in beiden Revieren, was lautstarke Auseinandersetzungen und Vertreibungsversuche zwischen den benachbarten Familien hervorrief!

Scherlach-Hecke (Plattenhardt): Erstaunlicherweise wird die Scherlach-Hecke nur sehr unregelmäßig bebrütet, obwohl der obere Teil (Richtung Stetten) mit seinen kleineren Heckenstrukturen und dem umgebenden Grünland eigentlich ideale Bedingungen aufweisen würde. Nur 1986, 1991 und 1995 gab es dort einen Brutverdacht, ansonsten wurden lediglich Durchzügler von Mitte bis Ende Mai beobachtet.

Schiller-/Schelmenäcker (Plattenhardt): Links und rechts des unbefestigten Feldwegs befindet sich hier eine Schlehenhecke, die fast ringsum von Ackerland umgeben ist. In geringer Entfernung ist jedoch etwas Grünland vorhanden, so daß das Nahrungsangebot wohl ausreichend ist, um ein Brutrevier zu bilden, 1993 fand hiereine Brut statt, 1994 gab es einen Brutverdacht.

Hummelberg (Bernhausen): Erstmals 1993 wurde in einem kleinen Gebüsch, am Rande der Feldflur und unweit des Wiesen- und Gehölzsaums am Neuhäuser Bach, eine Neuntöter-Brut entdeckt. Seither wird der Brutplatz in jedem Frühjahr erneut bezogen.

Mülldeponie Ramsklinge (Bernhausen): Im Buschwerk und Dornengestrüpp am Rande der Mülldeponie finden unregelmäßige Bruten statt. Sie sind auch abhängig davon, wie intensiv die Deponie genutzt wird und wie stark das Gebüsch immer wieder gerodet wird. Letztmals 1993 wurden Jungvögel in der Ramsklinge gesichtet.

Gebüsch am Flughafen-Stausee (Bernhausen): 1991 brüteten mit großer Sicherheit Neuntöter im Ufergebüsch des Flughafenstausees. Seither wurde keine Brut mehr festgestellt; durch die Baumaßnahmen im Zuge des Flughafenausbaus kam es auch zu starken Störungen und Landschaftsveränderungen vor allem im nördlichen Nachbarbereich des Stausees.

Hohlweg/Hecken im Gebiet Zuckmantel/Heidenfeld/Rötlen (Sielmingen):Am Hohlweg bzw. am Wasserreservoir bei den 3 Linden wurden mehrfach Neuntöter beobachtet, allerdings konnte keine gesicherte Brut nachgewiesen werden. Die letzte Neuntöterbrut im Hohlweg an der verlängerten Rötlenstraße dürfte wohl anfangs der Achtziger-Jahre stattgefunden haben. 1995 wurde ein Jungvogel (Durchzügler?) in der neu gepflanzten Hecke der verlängerten Langen Straße gesehen; im gleichen Jahr gab es eine Brut im Gebüschsaum des Gras-Feldwegs bei der Sielminger Obstzuchtanlage.

Weiherbach/Sieben Linden (Harthausen): Am östlichen Ortsrand Harthausens, in der Nähe des Weiherbachs und am Feldweg in Richtung "Sieben Linden", wurden im Juni 1993 mehrfach Neuntöter beobachtet. Vermutlich brütete ein Paar in einem kleinen Gebüsch unweit des Feldwegs. Weitere Brutvorkommen gibt es ganz in der Nähe, und zwar auf Grötzinger Gemarkung im Bereich der "Sieben Linden".

Nachfolgend eine Zusammenstellung von Neuntöter-Beobachtungen in Filderstadt während der Jahre 1986 bis 1995. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn 1987 - 1989 wurden schwerpunktmäßig nur Bonländer Bereiche kartiert. Erst ab den Neunziger-Jahren wurden die Beobachtungen auf Gesamt-Filderstadt ausgedehnt:

Zu den Spalten-Bezeichnungen und Zahlenangaben werden folgende Erläuterungen gegeben:

1. "Erfolgreiche Bruten" wurden dann angenommen, wenn am Brutort entweder Jungvögel
festgestellt oder wenn fütternde Altvögel beobachtet wurden.

2. In der Spalte "Anzahl ausgeflogene Juv." sind nur Jungvögel ausgewiesen, die das Nest
bereits verlassen hatten und in der Nähe des Brutorts ansaßen bzw. auf Nahrungssuche
gingen. Nestlinge konnten aus Zeitgründen nicht kontrolliert werden, so daß die tatsäch-
liche Zahl ausgeflogener Juv. eher höher liegen dürfte als hier angegeben.

3. "Brutverdacht" bestand dann, wenn zwar mehrfach Altvögel zu sehen waren, aber keine
Fütterungen oder Jungvögel registriert wurden.

4. Als "Durchzügler" zählen Einzelbeobachtungen vor allem im Mai und im August/Sept.

Erkenntnisse zur Populationsentwicklung in Filderstadt

Wie erwähnt, können einigermaßen repräsentative Aussagen zur Bestandsentwicklung erst beginnend mit den Neunziger-Jahren gemacht werden. Während zwischen 1989 und 1992 die Zahl der erfolgreichen Bruten mit 6 - 7 Brutpaaren relativ konstant blieb, stieg sie 1993 mit insgesamt 11 Bruten stark an. Danach nahmen die Bruterfolge wieder ab: 1994 mit 9 Bruten und 1995 mit nur noch 6 Bruten (allerdings noch dreimal Brutverdacht).

Ob die Zunahmen ab 1993 tatsächlich einen Trend darstellen, ist noch unsicher; möglicherweise hängt dies auch mit systematischeren Beobachtungs- und Kartiermethoden zusammen. Schwankungen der Neuntöter-Populationen sind jedoch keine Seltenheit: so könnten zum Beispiel die geringeren Brutzahlen von 1994 und 1995 auch witterungsbedingt auf die nasskalten Frühjahre zurückzuführen sein.

Insgesamt scheint sich auch in Filderstadt - wie landesweit - ein leichter Trend zur Erholung des Neuntöterbestands seit den Neunziger-Jahren anzudeuten. Neue Brutreviere, vor allem in den Höhenlagen Plattenhardts, aber auch in kleineren Heckenstrukturen in der Sielminger und Bernhäuser Feldflur sowie in den Deponiegeländen, deuten darauf hin. Andererseits wurden während der letzten Jahre früher regelmäßig besetzte Brutreviere in Bonlanden (Gutenhalde, Bombachtal, Bromberg) aufgegeben. Noch unklar ist, warum einige geignete Hecken- und Grünland-Biotope, wie z.B. an der Scherlach-Hecke, im Sandbühl, bei den Bergäckern und in der Haberschlai-Heide, vom Neuntöter (noch) nicht besiedelt wurden.

Wie kann dem Neuntöter geholfen werden?

Hecken sind erhaltenswerte Biotope für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Inzwischen sind auch in Filderstadt viele Hecken durch das neue Biotopschutzgesetz (§ 24 a) unter Schutz gestellt. Das Abholzen und Roden von Hecken und das Beseitigen von Buschwerk auf Feldern und Wiesen, an Straßen, Wegen und Waldrändern ist unbedingt zu vermeiden, da sonst wertvolle Neuntöter-Habitate verloren gehen. Auch Grünland und vor allemViehweiden sind wegen der dort lebenden Großinsekten (Heuschrecken, Tagfalter, Laufkäfer) als Nahrungsbiotope zu erhalten. Auf Herbizideinsatz zur Vernichtung des Unterwuchses bei Hecken und Schonungen ist zu verzichten. Nicht zuletzt sollten Störungen, vor allem durch Freizeitbetrieb und Hundehalter, in den obengenannten Bereichen vermieden werden.

Die übrigen einheimischen Würger-Arten

Außer dem Neuntöter gibt es noch drei weitere einheimische Vogelarten, die der Familie der Würger zuzuordnen sind. Sie sind heute leider nicht mehr in Filderstadt vertreten, sie sind sogar in ganz Baden-Württemberg als Brutvögel vom Aussterben bedroht:

Der Raubwürger (Lanius excubitor) brütete früher - wohl bis in die ersten Nachkriegsjahre - mit 3 - 5 Paaren im Sandbühl und der Gutenhalde, als sich noch eine ausgeprägte Hecken-, Busch- und Heidelandschaft dort erstreckte. Laut Alfred Schumacher bezeichneten ihn die Bonländer als "Großen Würger", denn er ist der größte Vertreter der Würgerfamilie und als einziger "winterhart". Der auffallend schwarz-weiß-grau gefärbte Vogel ernährt sich in der kalten Jahreszeit vor allem mit Mäusen; in manchen Hecken- und Heidegebieten der Schwäbischen Alb ist er noch heute regelmäßiger Wintergast. Von allen Würgerarten leidet der Raubwürger wohl am meisten unter Landschaftsveränderungen.

Der Schwarzstirnwürger (Lanius minor) ist nur wenig kleiner als der Raubwürger und ähnelt diesem sehr in Färbung und Statur, weist aber eine breite schwarze Stirn auf. Über ein Vorkommen in Filderstadt ist uns nichts bekannt.

Besonders traurig stimmt das Verschwinden des Rotkopfwürgers (Lanius senator), denn dieser schöne Vogel mit dem rostroten Kopf und weißer Unterseite war bis in die Sechzigerjahre noch Brutvogel in den Streuobstwiesen des Filderraums mit ca. 40 Paaren (Gatter, 1970)! Heute kommt er in geringer Zahl nur noch am Albrand vor, sein Aussterben auch dort ist nach Expertenprognosen kaum noch zu verhindern. Es wird berichtet, daß noch vor wenigen Jahren ein Rotkopfwürger ("roter Gecker") in einem Obstwiesengebiet zwischen Harthausen und Grötzingen beobachtet wurde.

Literatur

BEZZEL, E. (1986): Vögel, Band 1: Singvögel. - München (BLV Verlagsgesellschaft).
BIOTOPKARTIERER FILDERSTADT (1990): Die Vogelwelt Bonlandens. - Filderstadt (Stadt Filderstadt).
DBV-BUNDESGESCHÄFTSSTELLE (1984): Neuntöter, Vogel des Jahres 1985. - Kornwestheim
(DBV-Merkblatt Nr. 84/12-016).

GATTER, W. (1970): Die Vogelwelt der Kreise Nürtingen und Esslingen. - Vorabdruck aus: Jahresheft der
Gesellschaft für Naturkunde in Württ., 125: S.74 (Stuttgart).

HEINZEL, H., FITTER, R., PARSLOW, J. (1983): Pareys Vogelbuch. - Hamburg, Berlin (Parey).
KOWALSKI, H. (1987): Zur Bestandssituation des Neuntöters (Lanius collurio) in der Bundesrepublik
Deutschland und in Westberlin. - Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ., 48: 17-23.


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