Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1996/1997


Der Steinkauz brütet wieder in Filderstadt

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt
sowie W.Kneule und H.Michels (Artenschutz Steinkauz)

Der Steinkauz, der Kobold unter den Eulen, ist eine der interessantesten und gleichzeitig seltensten Brutvogelarten Filderstadts. Vermutlich war er in den Siebziger- und bis in die Achtziger-Jahre in Filderstadt als Brutvogel verschwunden, ehe er dank der Initiative und des ehrenamtlichen Einsatzes von Naturschützern wieder Nistmöglichkeiten und Lebensraum auf den Fildern fand.

Der Steinkauz (Athene noctua)im Steckbrief

Kennzeichen: Mit nur 22 cm Größe - also etwa so groß wie ein Star - ist der Steinkauz die kleinste der vier in Filderstadt vorkommenden Eulenarten (neben der Schleiereule, der Wald-ohreule und dem Waldkauz). Im Ansitz wirkt dieser kleine Kauz oft wie ein Kobold: rast- und ruhelos bewegt er sich hin und her, knicksend, duckend und dann wieder sich aufrichtend auf einem Ast, einem Stein- oder Reisighaufen bzw. einem Scheunendach. Seine Silhouette ist unverkennbar: klein, gedrungen, kurzschwänzig, mit niedriger Stirn und flachem Oberkopf. Aus dem bräunlichen Gefieder stechen die großen, gelben Augen mit den weißen Überaugenstreifen hervor. Der Flug ist meistens niedrig und wellenförmig; die Flügelspannweite ist mit rd. 60 cm beachtlich.

Stimme: Von Anfang/Mitte März bis Mitte April kann man den Balzruf bzw. "Gesang" des Steinkauzes, ein monotones und nach oben gezogenes "ghuuk", hören. Daneben gibt es Erregungs- und Warnrufe wie "kwiju", "kja" und "kiff", aber auch gellende "kuitt"-Rufe.

Fortpflanzung: Der Steinkauz ist ein Höhlenbrüter, der ab Mitte April 3 - 5 (manchmal auch mehr!) weiße Eier in die kaum gepolsterte Nestmulde legt. Nach 25 - 30 Tagen schlüpfen die Jungen, die dann etwa 35 Tage lang in der Bruthöhle verweilen und von den Eltern gefüttert werden. Ohne voll flugfähig zu sein, beginnen die Jungvögel nun die Höhle zeitweise zu verlassen. Auch wenn die jungen Steinkäuze schließlich fliegen können, werden sie noch etwa 5 Wochen lang von den Altvögeln mit Nahrung versorgt. Meist erst im August werden die Jungvögel komplett selbständig und wandern dann aus dem elterlichen Revier ab.

Nahrung: Der Steinkauz ist tag-, dämmerungs- und nachtaktiv! Feldmäuse stellen bei ihm die Hauptbeute dar. Aber auch Würmer und Raupen, Lurche und Kleinvögel stehen auf dem Speisezettel. Im Sommer kommen Großinsekten hinzu. Die unverdaulichen Nahrungsreste (z.B. Knochen, Fell, Insektenflügel und -panzer) werden in kleinen, etwa 3-4 cm langen Gewöllen ausgewürgt.

Warum ist der Steinkauz so selten geworden?

Bis Anfang der 1960er-Jahre war der Steinkauz in ganz Baden-Württemberg ein verbreiteter Brutvogel; auch in Filderstadt war er noch regelmäßig vertreten. Hauptgründe für die nun seit Jahrzehnten andauernde Gefährdung, die zur Einstufung in der "Roten Liste" als "stark gefährdet" geführt haben, sind sicher die folgenden Faktoren:

Vernichtung angestammter Lebensräume
und vor allem:

Mangel an geeigneten Nistmöglichkeiten.

Weitere Gründe für die teilweise beängstigenden Bestandsrückgänge sind die Gefahren durch Verkehr und Verdrahtung der Landschaft; zumindest vorübergehend auch der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und teilweise auch die Verluste durch Raubfeinde (Marder!).

Der angestammte Lebensraum des Steinkauzes befindet sich in der Kulturlandschaft. Streuobstwiesen, Baumgruppen und Baumreihen (z.B. Kopfweiden) mit altem Baumbestand und umgebendem Grünland werden bevorzugt. Auch Bauernhöfe und Ortsränder mit älteren Anwesen und Gemäuern werden besiedelt; die Nähe des Waldes wird gemieden! Wenn nun immer mehr Obstwiesen gerodet oder alte Bäume mit natürlichen Höhlen gefällt werden, findet der Steinkauz keine geeigneten Nistplätze mehr. Auch der Abriß alter Gehöfte mit ihren Spalten und Schlupfwinkeln trägt zu diesem Dilemma bei. Trotz ausreichend vorhandenen Nahrungsangebots muß der Steinkauz dann aus solchen Gebieten abwandern, wenn er keine sicheren Bruthöhlen mehr findet.

Die Situation in Filderstadt

1. Geschichte / Bestandsentwicklung

Auch in Filderstadt begann wohl - wie oben erwähnt - der Rückgang des Steinkauzbestands in den Jahren 1960 bis 1970. Im Jahrhundertwinter 1962/63 verringerten sich landesweit die Populationen auf ca. 30 % des früheren Bestands. Danach setzten Lebensraumzerstörungen durch den sich stark ausbreitenden Wohn- und Straßenbau, vor allem aber durch die sogar mit EG-Prämien geförderten Obstbaumrodungen der kleinsten Eulenart so stark zu, daß der Steinkauz in den späten 1970er- und in den nachfolgenden 1980er-Jahren wohl nicht mehr in Filderstadt brütete. Ende der 1970er-Jahre entdeckten heimische Vogelschützer überraschend einen rufenden Steinkauz im Wolfschlugener Raum. An einigen ausgesuchten Plätzen innerhalb nahegelegener Obstwiesen wurden daraufhin Niströhren angebracht, um dem seltenen Vogel eine Brutmöglichkeit zu bieten. Bereits ein Jahr später kam es in einer dieser künstlichen Röhren zu einer erfolgreichen Steinkauz-Brut. Dies machte den Männern der DBV-Gruppe Nürtingen/Filder Mut und sie montierten weitere Nisthilfen in der Umgebung. Im Raum Wolfschlugen - Grötzingen - Wendlingen - Köngen - Kirchheim/T. bildete sich daraufhin Mitte der 1980er-Jahre eine kleine, aber zunehmend stabiler werdende Population von wenigen Steinkauzbrutpaaren. Nach Kontakten mit der "Biotopkartiergruppe Filderstadt" wurden die Nist-röhren-Aktionen 1988 auf die Filderstädter Teilorte ausgedehnt; Hauptinitiatoren waren die Wolfschlugener Vogelschützer Werner Kneule und Heinz Michels. Sie montierten nicht nur viele zusätzliche, selbstgebaute Nisthilfen, sondern sie übernahmen auch weitgehend die zeitaufwendige Betreuung der Röhren. Mehrmals pro Jahr wurden die möglichen Brutplätze kontrolliert und bei Bedarf gereinigt oder gar repariert.

1989 brütete wieder das erste Steinkauz-Paar erfolgreich in einer Nisthilfe bei Harthausen; fünf prächtige Jungvögel wurden Ende Mai 1989 durch die bei der Vogelschutzwarte ausgebildeten Mitarbeiter beringt. Von da an ging es zur Freude der Wolfschlugener und Filderstädter Vogelschützer, die sich inzwischen in einer "Steinkauz-Artenschutzgruppe" für den Raum Esslingen - Nürtingen - Filder zusammengeschlossen hatten, stetig bergauf: Von jeweils zwei Bruten in den Jahren 1991/92 steigerte sich die Anzahl der Brutpaare bis zum Jahr 1996 auf inzwischen stolze 10 Bruten (siehe Übersicht auf der nächsten Seite!). Der Schwerpunkt der Bruten liegt eindeutig in den Sielminger und Harthäuser Obstwiesen; aufgrund der größeren Entfernung zum Wald ist dort keine Konkurrenzsituation zum Waldkauz gegeben, wie sie z.B. in den Bonländer oder Plattenhardter Obstwiesen latent vorhanden ist.

2. Bruterfolge und Brutverluste

Der Bruterfolg beim Steinkauz wird durch mehrere Faktoren beeinflußt; die wichtigsten davon sind Qualität des Nistplatzes, Witterungseinflüsse, Nahrungsangebot, Konkurrenzsituation und Bedrohung durch Raubfeinde.

Die Bruterfolge bei den Filderstädter Steinkauz-Bruten wurden ermittelt durch die Anzahl der beringten Jungvögel je Brut. Ca. 6 Wochen nach Legebeginn wurden die belegten Brutröhren überprüft und die nahezu flüggen Jungvögel fachmännisch beringt. Frühere Kontrollen und damit Vergleiche zur ursprünglichen Gelegegröße fanden nicht statt, da die Steinkäuze möglichst wenig beim Brutgeschäft gestört werden sollten. Die Statistik der Jahre 1989 bis 1996 zeigt folgende Ergebnisse:

Jahr
Anzahl erfolgreicher Bruten
Anzahl beringter Jungvögel
Durchschnitt:
Jungvögel je Brut
Anzahl ausge-
fallener Bruten
1989
1
5
5,0
0
1990
1
4
4,0
0
1991
2
8
4,0
0
1992
2
7
3,5
0
1993
6
25
4,2
0
1994
8
21
2,6
2
1995
6
20
3,3
3
1996
8
25
3,1
2
Summe
34
115
3,4
7

Tabelle: Bruterfolge und Brutverluste in Filderstadt 1989 - 1996

Die Tabelle zeigt folgendes:

In den Jahren 1989 bis 1992 fanden jeweils nur 1 - 2 Bruten statt. Wegen der geringen Anzahl von Bruten sind die Ergebnisse (Anzahl Jungvögel je Brut) nicht sehr aussagekräftig. Es gab noch keinen Konkurrenzdruck und auch keine Brutausfälle; insofern sind die Bruterfolge mit 3,5 bis 5,0 juv. je Brut relativ hoch.

1993 war ein "sehr gutes Steinkauz-Jahr": die Anzahl erfolgreicher Bruten stieg auf 6, Brutverluste waren nicht zu verzeichnen. Hauptursache für den guten Erfolg mit 4,2 juv. je Brut war das reiche Nahrungsangebot (Mäuse-Gradation). In Bonlanden wurde die erste Steinkauz-Brut festgestellt.

1994 war ein zumindest teilweise erwarteter Einbruch zu verzeichnen: nach dem vorjährigen Höhepunkt sank die Mäusepopulation und damit das Hauptnahrungsangebot drastisch. Zudem fiel das Frühjahr naß und kühl aus, so daß in Bonlanden eine komplette, halbflügge Brut in einer undichten Röhre umkam. In Sielmingen fiel eine Brut dem Marder zum Opfer (1 Altvogel wurde ebenfalls mit abgebissenem Kopf aufgefunden). Insgesamt wurden nur noch 2,6 Jungvögel je Brut beringt.

1995 stieg zwar der Bruterfolg wieder auf 3,3 juv. je Brut an, obwohl erneut naßkalte Witterung in den Monaten Mai/Juni herrschte. Zu beklagen waren aber 3 Brutverluste, die vermutlich alle durch Raubzüge des Steinmarders ausgelöst wurden (1 Ausfall in Harthausen, 2 in Sielmingen).

1996 geht wieder als ein erfolgreiches Jahr in die Annalen ein: aus 8 erfolgreichen Bruten wurden immerhin 25 Jungvögel beringt. Bei 2 weiteren, begonnenen Bruten fehlte plötzlich das Gelege aus ungeklärten Gründen. Erstmals brütete ein Steinkauz-Paar in den Plattenhardter Obstwiesen.

Zusammenfassung: Insgesamt ist die Situation doch sehr erfreulich; immerhin wurden in acht Brutjahren 115 Jungvögel in Filderstadt beringt. Populationsdruck und damit eine Konkurrenzsituation ist möglicherweise in Sielmingen und Harthausen gegeben. Mangelndes Nahrungsangebot (vor allem bei Mäusen) und naßkalte Witterungseinflüsse können sich negativ auf den Bruterfolg auswirken; allerdings weicht der Steinkauz in solchen Jahren auf andere Beutetiere (z.B. auf Regenwürmer) aus. Problematisch ist dann jedoch der Eintrag von Feuchtigkeit und Erdschlamm in die Brutröhre: es kann zu Staunässe und starken Verschmutzungen im Gefieder der Jungvögel kommen. Es ist deshalb dringend darauf zu achten, daß kein Regenwasser in die Brutröhren eindringen kann. Sehr wichtig ist auch, daß den gerade die Höhle verlassenden Jungvögeln Kletterhilfen in der Nähe des Röhreneingangs angeboten werden; dadurch kann vermieden werden, daß die Jungen ins Gras unterhalb der Röhre fallen und dort möglicherweise wehrlos Raubfeinden zum Opfer fallen.

Ein Kapitel für sich ist der Marderschutz. Versuche, den Räuber durch Hundehaare oder Geruchsstoffe (Petroleum, lackiertes Metall usw.) von den Niströhren zu vertreiben, haben meist nur zeitlich begrenzten Erfolg gehabt. Recht erfolgreich scheinen jedoch die in 1996 begonnenen Maßnahmen zu sein: die Röhren wurden zu 3/4 mit Blech ummantelt, mit einem vorstehenden Blechdach am Röhreneingang. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, daß die Niströhren dadurch auch wasserdichter werden. Insgesamt hielten sich die Marderverluste in Filderstadt in Grenzen. Der Steinmarder ist und bleibt ein natürlicher Feind des Steinkauzes; in Naturhöhlen wären die Verluste vermutlich um einiges höher. Auch ist zu berücksichtigen, daß Marder vor allem dann ihre Beute im Baum und damit auch in den Nisthöhlen suchen, wenn sie am Boden ein schlechtes Nahrungsangebot vorfinden (Mäuseknappheit, Witterungseinflüsse).

3. Beringungen, Wanderungsverhalten

Bei den regelmäßig durchgeführten Niströhrenkontrollen wurden sowohl Alt- und Jungvögel beringt als auch bereits beringte Tiere überprüft. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze:

die meisten Jungvögel verbleiben in der näheren Umgebung, und zwar im Umkreis von maximal 20 - 30 km.

Der Austausch mit Vögeln aus weiter entfernten Populationen (z.B. aus dem Raum Ludwigsburg, Göppingen oder vereinzelt gar aus dem Bodenseeraum bzw. dem Frankenland) beträgt unter 10 %. Etwas häufiger sind Zu-/Abwanderungen von bzw. nach Wendlingen, Köngen oder Kirchheim/Teck.

Der älteste bekannte Steinkauz des Filderraums ist mindestens 10 Jahre alt und lebt im Wolfschlugener Raum.

4. Hilfsmaßnahmen zum Schutz des Steinkauzes

In erster Linie muß den obengenanten Gefährdungsfaktoren entgegengewirkt werden.

Dem Schutz des Lebensraums für den Steinkauz, vor allem dem Erhalt der Streuobstwiesen, kommt dabei höchste Priorität zu. Dazu sind folgende Maßnahmen geeignet:

Unterschutzstellung der bedeutenden Streuobstwiesengebiete durch
Ausweisung als Naturdenkmale oder als Landschaftsschutzgebiete.

Vermeidung der Zerstörung von Streuobstwiesen bei Bauland-
erschließungen, Straßenbauten und Flurbereinigungen.

Vermeidung von Rodungen alten Baumbestands, z.B. durch Information
und aufklärende Gespräche mit Grundstücksbesitzern.

Wenn möglich, Sicherung hohler Bäume und Seitenäste gegen Aus-
einanderbrechen (z.B. durch Stahlseile).

Unterstützen von Ersatzpflanzungen für abgängige Altbäume, z.B. durch
Förderprogramme und Ausgabe von Gutscheinen für Neupflanzungen.

Soweit möglich, kein Umbruch von Dauergrünland in Ackerland.

Als ergänzende Maßnahme, wenn in einem geeigneten Lebensraum bei ausreichendem Nahrungsangebot zu wenige Baumhöhlen vorhanden sind, empfiehlt sich die Anbringung von Nisthilfen. Besonders geeignet sind die von verschiedenen Herstellern angebotenen, mardergeschützten Brutröhren, die dem Steinkauz eine weitgehend sichere Jungenaufzucht ermöglichen können. Es gilt jedoch zu beachten, daß das Ziel aller Artenschutzprogramme nicht sein kann, ausschließlich Populationen in künstlichen Röhren vorzuhalten. Vielmehr sollen Nisthilfen dem Aufbau gesunder Steinkauz-Bestände dienen, die sich eines Tages in naturnahen Lebensräumen vor allem als Baumhöhlenbrüter fortpflanzen und erhalten können.

Literatur:

  • BEZZEL, E. (1984): Vögel - Band 2: Spechte, Eulen, Greifvögel, Tauben, Hühner u.a. BLV Verlagsgesellschaft mbH, München.

  • MEBS, T. (1987): Eulen und Käuze. - Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.

  • STANGE, CH. (1995): Steinkauz-Beringungsbericht 1995 (unveröffentlicht). Freiburg. 17 S.

  • BNA (1990): Der Steinkauz - vom Aussterben bedrohte Vogelart. Merkblatt des Bundesverbands für fachgerechten Natur- und Artenschutz, Hambrücken.

  • HÖLZINGER, J. (1987): Die Vögel Baden-Württembergs. Band 1, Teil 2: Artenschutzprogramm Baden-Württemberg, Artenhilfsprogramme. Karlsruhe. Verlag Eugen Ulmer.


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