Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1997/1998


"Kennen Sie Kishon ?"

oder: Wie man ein Feuchtbiotop anlegt

Carsten Wagner
Biotopkartierer Filderstadt

Im März 1997 wurde durch die Biotopkartierer ein kleiner Amphibientümpel im "Seefälle" angelegt. Dieser Tümpel ist einer von vielen Bausteinen zur Biotopvernetzung im Filderraum. Er wird gespeist von einer starken Quelle des ehemaligen Bonländer Sees. Die Realschule Bonlanden, die ganz in der Nähe liegt, übernimmt die Patenschaft für die Pflege und Entwicklung des Tümpels.

Im Laufe des nun 15-jährigen Bestehens der Gruppe der Biotopkartierer wurden schon viele ähnliche Tümpel, Weiher, Raine, Hecken, Heiden und Streuobstwiesen neu angelegt oder renaturiert. Dabei ist es stets das oberste Ziel, in einem stark zersiedelten und belasteten Gebiet wie den Fildern den allgemeinen Artenschwund zu begrenzen.

Keine der in den 15 Jahren durchgeführten Maßnahmen brachte jedoch solch einen Verwaltungsaufwand mit sich wie der Bau des kleinen Tümpels. Daher im folgenden einige Aspekte der Entstehungsgeschichte. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit den Erzählungen EPHRAIM KISHONS oder des braven Soldaten SCHWEJK sind rein zufällig.

Winter 1994/95:
Beim Bau eines Kanals wird in der Bachaue des Reutewiesentals der Quellhorizont des alten Bonländer Sees angeschnitten. In der Folge überschwemmen einige Äcker entlang des Baches.

Mai 1996:
Der Umweltbeirat berät zusammen mit einem Vertreter des Sportvereins SV Bonlanden über die Idee, einen Tümpel innerhalb dem nach § 24a Naturschutzgesetz geschützten Uferstreifen anzulegen. Der Antrag wird beschlossen.

Juli 1996:
Beim großen Ortstermin mit BM Lentz sowie Vertretern der Verwaltung, des Ältestenrats, des SV Bonlanden, der Biotopkartierer sowie der Landwirtschaft wird vor Ort die Lage des Tümpels festgelegt. Anschließende Geländeaufnahmen der Verwaltung legen fest, daß eine potentielle Erweiterung des Bonländer Sportplatzes nicht mit dem Biotop kollidiert.

Januar 1997:
Beim Wasserwirtschaftsamt, der Unteren Wasserbehörde sowie der Unteren Naturschutzbehörde wird anhand der vorgeschriebenen Baupläne ein Genehmigungsantrag für das Biotop gestellt.

Februar 1997:
Beim Ortstermin mit dem Wasserwirtschaftsamt, der Unteren Wasserbehörde, der Unteren Naturschutzbehörde, dem Naturschutzbeauftragten sowie der Bauverwaltung wird die Genehmigung zur Anlage des Tümpels unter Auflagen (z.B. Ausgleichsmaßnahmen am Bach) erteilt. Im Anschluß daran gibt auch die Fischereibehörde grünes Licht.

März 1997:
Vermessung der Biotopfläche; durch eine Spezialfirma werden die Erdarbeiten durchgeführt. Hierbei wird im Biotop eine Hauptgasleitung entdeckt, die während der einjährigen Planungszeit allen 13 Entscheidungsträgern entgangen war.

Frühjahr / Sommer 1997:
Nach Fertigstellung des Tümpels erklärt der SV Bonlanden seinen Einspruch gegen das neue Feuchtbiotop. In der Folge davon beschließt der Ausschuß für Technik, Umwelt und Soziales (ATUS) in einer Kompensation die Einleitung eines Planverfahrens für die Erweiterung des Bonländer Sportplatzgeländes.

Unabhängig davon erfolgt eine spontane Besiedelung des Tümpels mit einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, darunter auch Grasfrosch und Fadenmolch. Der Tümpel kann bereits im ersten Sommer für Unterrichtszwecke der Realschule dienen.

Fazit oder "Lernsätze fürs Leben":

1. Nicht nur bei EPHRAIM KISHON oder SCHWEJK gibt es Amtsvorgänge, die einer gewissen Tragikomik nicht entbehren.

2. Auch die frühzeitige Einschaltung von 13 Entscheidungsträgern hütet nicht vor verborgenen Gasleitungen und verspäteten Einsprüchen.

3. Auch kleine Tümpel können große Leute lange beschäftigen.

4. Trotz allem verlieren die Biotopkartierer nicht den Idealismus und den Glauben an den gesunden Menschenverstand.


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