Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1998/1999


Reptilien in Filderstadt

Teil 1: Echsen

Stefan Unte
Biotopkartierer Filderstadt

Durch dichte Besiedlung, hohes Verkehrsaufkommen und intensive Landwirtschaft gibt es nur noch an einigen naturnahen Stellen Filderstadts die Zauneidechse, die Waldeidechse und die Blindschleiche. Die Mauereidechse und die Smaragdeidechse gibt es im Filderraum nicht.

Bevor ich auf die drei bei uns vorkommenden Echsenarten näher eingehe, möchte ich ein paar Anmerkungen zum Nachdenken geben, die mir als Reptilienfreund sehr am Herzen liegen.

Jahr für Jahr verschwinden nicht nur ganze Tierpopulationen, sondern ganze Arten sterben aus, durch die Schuld der Menschen. Seit einigen Jahren geht der Naturschutz, vor allem aber der Artenschutz, wieder zurück, weil viele ihr Engagement vom Geld abhängig machen, welches für diesen Bereich aber leider immer weniger zur Verfügung steht. Ein ganz großes Lob an dieser Stelle einmal an all die vielen tausend freiwilligen Helfer bundesweit, die mit viel Mühe, Fleiß und ohne Bezahlung für den Naturschutz eintreten. Ohne diese Leute wäre vieles im Naturschutz gar nicht durchführbar. Wenn alle Menschen begreifen würden, daß wir ein Teil der Natur sind und wir den Kreislauf der Natur schon stark zerstört haben, würde sich manches zukünftige Schicksal vielleicht noch abwenden lassen. Genauso verhält es sich mit den Echsen. Wer macht sich schon Gedanken über Eidechsen? Dabei erfüllen Eidechsen einen wichtigen Zweck: Sie fressen Mücken, Fliegen, Wespen, Würmer, Schnecken, Raupen, etc.. Junge Eidechsen ernähren sich sogar fast ausschließlich von Blattläusen. Also ernähren sich Eidechsen ausschließlich von sogenannten Schädlingen, und wer hat noch nie über eine Mückenplage, Fliegenplage, Wespenplage, Raupen- oder Schneckenplage geklagt? Ich möchte verdeutlichen, daß wir uns selber schaden, wenn Tierarten aussterben oder deren Zahl dramatisch zurückgeht. Eidechsen sind sehr nützlich, tuen uns nichts und sind z.T. wunderschön.

Viele mögen denken, daß sie gar nichts für den Rückgang z.B. der Eidechsen können, aber wieviele Lebensräume von Tieren werden täglich zerstört? Wen interessiert schon beim Bau einer Straße, eines Hauses, einer Garage oder beim Anlegen eines Rasens, wieviele Tiere oder Eidechsen dort leben oder getötet werden? Dieses soll nicht bedeuten, daß keine Straße oder kein Haus mehr gebaut werden soll, aber wir müssen dafür an anderen Stellen den Lebensraum für diese Tiere erhalten und neu schaffen, z.B. für die Eidechsen naturnahe Gärten, Heideflächen, Trockenrasen, Trockenmauern sowie Waldlichtungen und -schneisen für die Waldeidechse. Bäume werden z.B. nachgezüchtet und wieder angepflanzt, Reptilien werden bei uns aber nicht nachgezüchtet und ausgesetzt. Es heißt: wir wollen nicht in die Natur eingreifen. Ist dieser Satz aber nicht absoluter Unsinn? Wir greifen doch täglich ein, indem wir Tierleben und deren Lebensraum zerstören. Warum sollten wir also nicht auch positiv eingreifen, indem wir versuchen, einen Teil des von uns angerichteten Schadens wieder gut zu machen?

Was nützt da die gesetzliche Unterschutzstellung, wenn täglich Lebensraum, u. a. durch intensive Landwirtschaft und Aufforstung, zerstört wird.

Ein ganz wichtiger Punkt an dieser Stelle: Alle heimischen Amphibien und Reptilien sind seit vielen Jahren streng geschützt. Dieses ist leider viel zu wenig publik gemacht worden, denn noch heute treffe ich ganze Familien, die z.B. Froschlaich aus der Natur entnehmen. Dieses ist eine Straftat, die mit Anzeige und hohen Geldbußen geahndet werden kann. Es wäre daher wünschenswert, wenn Eltern ihre Kinder darauf hinweisen könnten, denn einmal ganz ehrlich: Welches Kind kennt schon die genauen Lebensbedingungen und Ernährung der Tiere und wieviele sterben in der Gefangenschaft? Wer gerne ein Terrarium haben möchte, bekommt (leider) Amphibien und Reptilien im Zoogeschäft. Dort kosten die Tiere zwar etwas, dafür hat man aber auch Exoten, also etwas Besonderes; ferner gibt es für diese Tiere gute Bücher und man kann sich vom Zoogeschäft auch wichtige Tips für die Haltung geben lassen.

Die Zauneidechse

Diese kräftige Eidechse mit einer Länge von max. 24 cm hat einen gedrungenen, nicht abgeflachten Körperbau und einen breiten, stumpfschnäuzigen Kopf. Männchen und Weibchen sind bei dieser Art deutlich zu unterscheiden. Die Männchen haben einen breiteren, kräftigeren Kopf und sind vom Frühjahr bis zum Hochsommer mindestens an den Flanken, z.T. auch auf dem Rücken leuchtend smaragdgrün. Die Weibchen sind ganz braun, teilweise jedoch mit gelblich-grüner Kehle. Die hellen Augenpunkte und die dunklen Flecken ergeben bei beiden Geschlechtern oft wunderschöne Muster.

Die Paarungszeit ist von April bis Mitte Juni, die Eiablage ca. 4 Wochen später. Aus den 5 - 14 Eiern schlüpfen ca. 5 - 9 Wochen nach Eiablage die ca. 5 cm langen Jungen (1).

Die Zauneidechse ist in recht unterschiedlichen Landschaften zu finden, bevorzugt aber sonnige, trockene und nur wenig feuchte Gebiete. Ihre Nahrung besteht aus Fliegen, Heuschrecken, Käfern, Spinnen, Asseln, Tausendfüßern, Wanzen, Wespen, Raupen, Larven, Hummeln u.a.. Leider haben sie sehr viele Feinde: Nattern, Hauskatzen, Greifvögel, Krähen, Würgerarten, Amseln, Hühner, Hunde, etc..

Die Zauneidechse findet man in Filderstadt noch öfter in besonnten, naturnahen oder verwilderten Gärten, wie z.B. an der Uhlberghalde. Besonders bevorzugt werden Brombeersträucher; sie bieten Schutz vor vielen Feinden.

Sollten Sie also einen naturnahen Garten haben oder irgendwo spazieren gehen, achten Sie doch einmal an Trockenmauern, unter Brombeergestrüpp oder oft auch nur an besonnten, nicht zugewachsenen Stellen mit Mauselöchern als Unterschlupf, zwischen März und Anfang Oktober auf Zauneidechsen. Bei nicht heißem Wetter kann man sie oft viele Stunden am Tag beobachten, bei heißem Wetter sieht man sie meistens nur vormittags oder spätnachmittags. Denn auch Eidechsen können verbrennen und meiden daher längere, starke Sonneneinstrahlung. Sie sind wechselwarm und benötigen daher nur soviel Sonne, um ihre Körpertemperatur je nach Eidechsenart auf über 30 Grad zu erwärmen. Sollten Sie bei Gartenarbeiten einmal kleine Eier finden, vergraben Sie sie bitte wieder wenige cm unter der Erde an einer besonnten Stelle. Auch Sie haben bestimmt Freude daran, Eidechsen in Ihrem Garten beobachten zu können.

Die Waldeidechse

Sie wurde früher wegen ihrer Vorliebe für feuchte Stellen auch Mooreidechse und wegen ihres Vorkommens sogar in über 2000 m Höhe auch Bergeidechse genannt. Die Waldeidechse ist mit einer max. Länge von 16 cm unsere kleinste Eidechse. Abgesehen von ihrer geringen Größe ist sie an einem langgestreckten Rumpf, kurzen Gliedmaßen, kleinem Kopf und einem kräftigen, in einer kurzen Spitze auslaufenden Schwanz zu erkennen (2). Männchen und Weibchen sind etwa gleich gefärbt. Die Färbungen sind sehr variabel und gehen von rötlichbraun über braun bis bronzefarben. Junge Waldeidechsen sind eindeutig an dem ins schwärzliche gehenden Schwanz zu erkennen.

Die Paarung ist zwischen Mai und Juni. Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Eidechsenarten bringt die Waldeidechse ca. 3 Monate nach der Paarung 3 - 10 Junge zur Welt (1), sie ist lebendgebährend und legt keine Eier. Waldeidechsen, vor allem aber die Jungtiere, sind sehr gesellig. Man sieht manchmal 4 oder 5 Stück unmittelbar neben- oder aufeinander. Die Waldeidechse, die bis zum Polarkreis vorkommt, findet man nicht im Hochwald, sondern nur am Waldrand, auf Schneisen, Kahlschlägen und Lichtungen. Meistens sieht man sie auf alten, morschen Holzstämmen und Wurzeln.

Sie benötigt mehr Deckung, höhere Luftfeuchtigkeit und weniger besonnte Plätze als die Zauneidechse. Man kann sie alljährlich bei Sonnenschein und Temperaturen ab ca. 7 Grad im Schatten schon im Februar beobachten, sie ist eben viel weniger kälteempfindlich als unsere anderen Eidechsenarten.

Waldeidechsen fressen Spinnen, Tausendfüßer, Fliegen, Insektenlarven, Käfer, u.a.. Freßfeinde sind vor allem Schlingnatter, Kreuzotter, Hauskatzen und viele Vögel. Die Kreuzotter, um unberechtigten Ängsten vorzubeugen, ist in Filderstadt und dem größeren Umkreis ausgestorben. Sollten Sie einmal das Glück haben, im Filderraum eine heimische Schlange zu sehen, handelt es sich entweder um die meist olivgrüne Ringelnatter oder die viel seltenere gräuliche oder bräunliche Schlingnatter. Beide Schlangen sind harmlos und ungiftig.

Wenn man einmal eine neugeborene, max. 4,5 cm lange Waldeidechse gesehen hat, glaubt man, daß diese Winzlinge sogar von Laufkäfern überwältigt werden (2). Ca. 90 % der Neugeborenen überleben nicht das 1. Lebensjahr (2). Die Waldeidechse ist neben vielen Freßfeinden auch gefährdet durch die Vernichtung von Rainen, durch Aufforstungen von Waldlichtungen und Entfernung alter Holzstapel und Totholz, ferner durch den Massenansturm auf die Wälder durch Spaziergänger, Jogger, Reiter und Fahrradfahrer.

Die Blindschleiche

Auch zu den heimischen und in Filderstadt vorkommenden Echsen zählt die schlangenähnliche Blindschleiche. Sie ist aber durch ihre metallisch glänzende Haut, ihre starren Bewegungen, ihre beweglichen Augenlider und durch ihre geringe Größe eindeutig von allen Schlangen zu unterscheiden.

Der Name Blindschleiche ist irreführend, da sie keineswegs blind ist. Dieser Name wurde wahrscheinlich von dem althochdeutschen Begriff plint abgeleitet, was soviel wie glänzend bedeutet.

Blindschleichen werden erst nach 4 Jahren geschlechtsreif und können sehr alt werden. In Gefangenschaft wurden 30 Jahre schon überschritten, sie werden damit älter als unsere Eid-echsen. Die Blindschleiche kann wie unsere Eidechsen ihren Schwanz abwerfen. Sie hat einen kleinen, kaum vom Rumpf abgesetzten, stumpfschnäuzigen Kopf. Die Färbung geht über verschiedene Brauntöne bis grau und kupferfarben. Weibchen haben eine dunklere bis schwarze Bauchseite, Männchen eine hellere bis gelbliche. Blindschleichen erreichen eine Länge von max. 40 - 45 cm, ganz selten bis 50 cm.

Blindschleichen sind wie Waldeidechsen lebendgebährend. Die Paarung ist im April oder Mai, ca. 12 Wochen später schlüpfen 5 - 12 Junge, ganz selten mehr; sie sind dann ca. 8 cm lang. Die Blindschleiche besiedelt ganz Deutschland, sie benötigt leicht feuchtes Gelände mit Beschattung und Sonnenplätzen. Sie bohrt mit Vorliebe Gänge in die Erde und ist sowohl tag- als auch nachtaktiv. Sie ist sehr nützlich für jeden Gartenbesitzer, denn sie frißt fast ausschließlich Nacktschnecken, Regenwürmer und Insektenlarven. Meistens sieht man sie an Waldrändern. Sie hält sich aber auch besonders gerne in Komposthaufen, Laubhaufen, Grashaufen oder Strohhaufen auf. Dort ist es warm und es gibt viele Regenwürmer. Auch unter Steinen, Holz oder Platten liegen sie gerne. Haben Sie keine Angst, wenn Ihnen bei der Gartenarbeit eine Blindschleiche begegnet, sie kann Ihnen nichts tun. Fassen Sie sie nach Möglichkeit nicht an, da sie ihren Schwanz abwerfen könnte und nehmen Sie im Garten und anderswo etwas Rücksicht auf dieses sehr nützliche und gefährdete Reptil. Betrachten Sie doch diese harmlose Echse als kostenlosen Ungezieferverzehrer.

Literatur:

1) BLAB/VOGEL: Amphibien und Reptilien - Kennzeichen, Biologie, Gefährdung -
Spektrum der Natur - BLV - Intensivführer 1989

2) STEINBACHS NATURFÜRER: - Lurche und Kriechtiere,
Mosaik Verlag, 1986


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