Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1997/1998


Das Rebhuhn-Vorkommen in der Feldflur Filderstadts

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt
Fortsetzung Teil 2

6. Gefährdungsursachen

Generell werden nachstehend genannte Faktoren für den fortschreitenden Rückgang des Rebhuhnbestands in Filderstadt verantwortlich gemacht. Hauptursache für die anhaltende Gefährdung ist jedoch meist das Zusammentreffen mehrerer dieser Faktoren:

1. Hoher Landschaftsverbrauch durch Bau von Verkehrswegen (Straßen, Flughafen) sowie Wohn- und Gewerbegebieten; auch die Fildermesse würde massiv in die Feldflur der Filderebene eingreifen.

2. Lebensraumschwund durch Flurbereinigungsmaßnahmen.

3. Lebensraum- und Nahrungsverluste durch Intensivierung und Modernisierung der Landwirtschaft (Technisierung, Monokulturen, frühere Mahd, Einsatz von chemischen Behandlungsmitteln und Düngemitteln).

4. Lebensraumverlust durch Beseitigung von Hecken, Feldrainen und Gräben.

5. Übertriebene landschaftspflegerische Maßnahmen im Außenbereich: durch radikales Abmähen und Mulchen von Feldrainen, Gräben, Weg- und Heckensäumen gehen winterliche Deckungsmöglichkeiten verloren.

6. Asphaltierung und Betonierung von Feldwegen, dadurch Zerstörung von Erd- und Graswegen, die für Rebhühner besonders wertvolle Lebensräume darstellen.

In einzelnen Teilgebieten kommen noch folgende Gefährdungsursachen erschwerend hinzu:

1. Zunehmender Freizeitbetrieb, ausgehend von den befestigten Feldwegen und hauptsächlich verursacht durch Spaziergänger und Radfahrer mit freilaufenden Hunden. Aber auch Beeinträchtigungen durch Pferdehöfe und Geländereiter (vor allem Teilgebiete IV, V, VII und X) sowie durch Modellflieger (Teilgebiete IV und VIII) wirken störend auf die Rebhuhnbestände.

2. Gefährdungen durch Beutegreifer: Die teilweise starke Vermehrung des Fuchses, wildernde Katzen und Hunde sowie Verluste durch ganzjährig hohe Bestände an Rabenvögeln (Teilgebiete IX und X) wirken sich vor allem dort negativ aus, wo die Feldflur ausgeräumt ist und deshalb ohnehin geringe Deckungsmöglichkeiten für Rebhühner gegeben sind. Natürliche Verluste durch Beutegreifer (auch Greifvögel) können jedoch normalerweise bei einem gesunden, lebensfähigen Bestand kompensiert werden.

7. Praktische Verbesserungsmaßnahmen

Wie unter Kapitel 5 erwähnt, schreitet der Bestandsrückgang beim Rebhuhn immer weiter voran. Auch in Filderstadt besteht die Gefahr, daß sich der negative Trend fortsetzt und daß die Populationen in einzelnen Teilflächen zusammenbrechen werden.

Wie können wir dem Rebhuhn helfen?

Völlig verfehlt wäre es, die vorhandenen Rebhuhnbestände durch Aussetzen gezüchteter Tiere "aufzufrischen", wovon auch die Landesanstalt für Umweltschutz und der Landesjagdverband abraten. Erfahrungsgemäß erleiden die ausgewilderten Rebhühner hohe Verluste, da sie sich ihrer Umwelt nur schwer anpassen können. Dagegen können stabile Bestände die naturbedingten Einwirkungen durch Witterung und tierische Feinde ausgleichen, wenn die Lebensraumverhältnisse günstig sind.

Es gilt deshalb vor allen anderen Überlegungen, die Umweltbedingungen zu verbessern und weiterem Landschaftsverbrauch und Lebensraumverlust Einhalt zu gebieten. Eine wirksame Hilfe ist allerdings nur möglich, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten und gemeinsame Wege beschreiten: Stadtverwaltung und aufgeklärte Bürger, Landwirte und Verbraucher, Naturschützer und die Jägerschaft. Folgende praktische Maßnahmen sind denkbar:

  • Schutz der freien Feldflur vor weiterer Zerschneidung und Zersiedlung. So hätte z.B. eine Sielminger Ostumfahrung - wie auch von den Bauern befürchtet - sehr negative Auswirkungen auf Landwirtschaft, Flora und Fauna in diesem bisher relativ ungestörten Bereich. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die zunehmende Zersiedlung durch Lagerhallen, Aussiedler- und Reiterhöfe den Lebensraum des Rebhuhns weiter einschränkt.
  • Verzicht auf asphaltierte bzw. betonierte Feldwege; stattdessen Anlage von Spurwegen mit Mittelstreifen.
  • Anpachtung oder Erwerb minderwertiger Äcker und Streifen durch die Stadt oder z.B. durch Pflegegemeinschaften zwischen Naturschützern und Jägern; anschließend biotopverbessernde Gestaltung und Pflege dieser Flächen.
  • Verstärkte Förderung unbewirtschafteter Feld-, Graben- und Bachrandstreifen (Säume) nach dem städtischen Ökologieprogramm.
  • Anlage bzw. Pflanzung von Ackerrainen, Böschungen und Hecken mit entsprechenden Säumen für Altgras und Wildkräuter.
  • Verzicht auf übertriebene Landschaftspflege durch Grundstücksbesitzer und den städtischen Bauhof. Aus falsch verstandenem Ordnungsdenken werden die meisten Hecken- und Grabensäume im Herbst abgemäht und damit dem Rebhuhn jegliche Winterdeckung in der ausgeräumten Feldflur verwehrt. Sind Pflegearbeiten unabdingbar, sollten sie zwischen Mitte Juli bis Mitte August ausgeführt werden, damit sich bis zum Herbst wieder ein etwas höherer Aufwuchs einstellen kann. Oft genügt auch das (stufenweise) Abmähen eines 1 - 2 m breiten Streifens, ohne daß die gesamte Saumfläche bearbeitet wird.
  • Aufklärung und Zusammenarbeit mit den örtlichen Landwirten, um Verständnis für die bedrohliche Situation des Rebhuhns und aller anderen Bodenbrüter zu wecken. Der Erhalt unserer kleinparzellierten Landwirtschaft und damit abwechslungsreicher Feldstrukturen bzw. Fruchtarten kommt auch dem Rebhuhn zugute. Vorteilhaft ist der Anbau von Hackfrüchten (auch wegen Deckungsmöglichkeiten im Herbst/Winter), weniger gut der teilweise vorhandene, großflächige Maisanbau. Eine Förderung des integrierten bzw. umweltverträglichen Landbaus ist wünschenswert.
  • Vermeidung unnötiger Störungen durch ausufernden Freizeitbetrieb. Appelle an die Hundehalter durch Hinweise in der Lokalpresse und im Amtsblatt, evtl. auch durch Hinweistafeln, ihre Tiere in sensiblen Bereichen und während der Brutzeit an der Leine zu führen. Stärkere Verkehrskontrollen auf den für die Allgemeinheit gesperrten Feldwegen (ein spezielles Filderstädter Problem auf dem stattlich ausgebauten Feldwegenetz, insbesondere zwischen Sielmingen und Harthausen!).
  • In Wintern mit hoher Schneelage können Fütterungen eine direkte Hilfe für das Rebhuhn bedeuten.. Wichtig ist, daß in einem Gebiet mehrere geschützte Futterstellen an geeignetem Ort eingerichtet werden, um einen "Falleneffekt" durch Beutegreifer auszuschließen.

8. Danksagung

Allen an der Rebhuhnzählung beteiligten Personen und Helfern ist an dieser Stelle zu danken. Ohne ihren ehrenamtlichen Einsatz wäre diese Ausarbeitung nicht möglich gewesen:

Wolfgang Birnbaum, Harald Burkhart, David Eggeling, Peter Endl, Günter Holl, Bernhard Holoch, Thomas Krämer, Wolfgang Krönneck, Peter Maasdorff, Roland Mack, Eberhard Mayer, Peter Pfeilsticker, Brigitte und Hartmut Spahr, Carsten Wagner.

Für die gewährte Unterstützung möchten wir uns beim Umweltschutzreferat der Stadt Filderstadt bedanken. Lobend zu erwähnen ist auch das Verständnis und die vorurteilsfreie Zusammenarbeit mit der örtlichen Jägerschaft.

Literatur:

  • BEZZEL, E. (1984): Vögel - Band 2: Spechte, Eulen, Greifvögel, Tauben, Hühner u.a.
    BLV Verlagsgesellschaft mbH, München.

  • GATTER, W. (1970): Die Vogelwelt der Kreise Nürtingen und Esslingen,
    Stuttgart.

  • GLÄNZER, U., P. HAVELKA & K. THIEME (1993): Rebhuhn-Forschung in Bad.-Württ. -
    Beih. Veröff. Naturschutz und Landschaftspflege Bad.-Württ.,
    70; Karlsruhe.

  • HERMANN, G. & H. RECK (1991): Artenhilfsprogramm für Vögel in Filderstadt,
    unveröff. Gutachten im Auftrag der Stadtverwaltung Filderstadt.

  • HÖLZINGER, J. (1987): Die Vögel Baden-Württembergs. - Band 1, Gefährdung und Schutz. Teil 2: Artenschutzprogramm Baden-Württemberg, Artenhilfsprogramme. Karlsruhe. Verlag Eugen Ulmer.

  • LEINFELDEN-ECHTERDINGEN (1996): Biotopkartierung - Bericht Avifauna Vögel der Feldflur,
    Stadt Leinfelden-Echterdingen (Hrsg.).

  • MATTHÄUS, G. (1993): Vögel auf dem Flughafen Stuttgart. -
    Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1993,
    Umweltschutzreferat und Umweltbeirat der Stadt Filderstadt.

  • NABU DEUTSCHLAND (DBV) UND LANDESJAGDVERBAND BAD.-WÜRTT. (1991):
    Das Rebhuhn - Vogel des Jahres 1991.
    Merkblatt zur gemeinsamen Ausstellung DBV, LJV, WFS.


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