Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2001Wiesenpflanzen im Stadtgebiet FilderstadtDr. Manfred SchackeBiotopkartierer Filderstadt |
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Ergebnisse einer zehnjährigen Bestandsaufnahme
1. Vorgehensweise bei der Kartierung
Seit über zehn Jahren befassen sich die Pflanzenkartierer unter den "Biotopern" Filderstadts mit der Vegetation im Gebiet
der fünf Teilorte. Schwerpunkt der bisherigen Begehungen waren die wald- und ackerfreien Areale, also vor allem Wiesen,
Raine und Hecken.
Bei der vorausgegangenen allgemeinen Sichtung des Stadtgebiets war zunächst erfreulich, daß wir hier noch eine ganze Reihe
verschiedener Wiesentypen vorfinden konnten. Neben den häufigen Wirtschaftswiesen mit ihrer recht einheitlichen
Artenzusammensetzung gibt es noch die botanisch interessanteren Magerwiesen, Streuobstwiesen und Feuchtwiesen. Interessant
waren auch die Säume entlang von Hecken, Wegen oder Gewässern. Da wir die kartierten Flächen absichtlich recht klein hielten,
meist lagen sie bei etwa 200 bis 800 Quadratmeter, war gewährleistet, daß die Begehungen häufig und sehr gründlich durchgeführt
werden konnten. Damit war es möglich, auch solche Pflanzen sicher anzusprechen, die im jeweiligen Gebiet nur in einzelnen
Exemplaren oder nur sehr kurzzeitig auftreten.
2. Ergebnisse
Hinsichtlich der Artenvielfalt im Untersuchungsgebiet ließ sich recht schnell ein Art Süd-Nord-Gefälle feststellen. Die
Landschaft der nördlichen Stadtteile (Bernhausen, Sielmingen) ist flacher und landwirtschaftlich bzw. gewerblich stärker
genutzt als die südlichen, weshalb sich der Norden deutlich artenärmer darstellt als der Süden. Besonders struktur- und
artenreich sind die Gebiete südlich von Bonlanden und Plattenhardt, wo sich die Filderhochfläche ins Aichtal absenkt. Diese
Gebiete sind weniger fruchtbar als etwa die Lößböden der Filderebene und werden von kleinen Tälern und Klingen durchzogen,
was eine Vielzahl von Sonderstandorten hervorbringt, z.B. trockene Hänge, kühle Talwiesen, feuchte Bachauen usw. Solche
Gegenden lassen eine intensive ackerbauliche Nutzung nicht mehr zu, hier herrschten bis in unsere Zeit extensive Nutzungsformen
vor, nämlich Wald, Schafweide oder Streuwiese.
In den untersuchten Standorten konnten wir bisher 409 verschiedene Arten von Blütenpflanzen feststellen. Diese hohe
Artenzahl hatten wir anfangs nicht erwartet, zumal wir ja die Wälder, äcker und Gewässer nicht in die Untersuchung einbezogen
hatten. Vorsichtig geschätzt, können wir im gesamten Stadtgebiet mit etwa 600 verschiedenen Blütenpflanzen rechnen, das ist
etwa ein Drittel der gesamten Flora Baden-Württembergs. Überragenden Beitrag zu diesem stolzen Ergebnis lieferten eine Wiese
im Bechtenrain bei Plattenhardt und der Sandbühl bei Bonlanden mit jeweils über 150 Arten. Neben diesen trockenen und
wärmebetonten Standorten waren auch die ungestörten Feuchtwiesen und Gewässersäume floristisch sehr ergiebig.
Doch leider sind diese Zahlen für sich genommen noch kein gültiges Maß, um den Zustand unserer Flora zu beurteilen. Wesentlich bedeutsamer für diese Fragestellung sind die Angaben über die Beständigkeit und Häufigkeit der aufgelisteten Arten. Manche nur in einzelnen Jahren beobachtet, weshalb sie nicht als dauerhafter Bestandteil der heimischen Flora angesehen werden dürfen, andere wiederum kommen auch in einem größeren Gebiet nur in einem oder wenigen Exemplaren vor, so daß mit einem baldigen Verschwinden dieser Art zu rechnen ist. Die Liste von rund 400 Wiesenpflanzen gibt also nur den potentiellen Reichtum unserer regionalen Flora wieder, nicht aber deren tatsächlichen. Dazu ein Beispiel: Der Fransen-Enzian taucht zwar in der Liste auf, wurde aber das letzte Mal am 10. Oktober 1998 im Sandbühlgebiet gesichtet. Vor rund 50 Jahren kam er sehr viel häufiger vor und heute muß er als verschollen angesehen werden. Ich möchte nun auf drei Artengruppen näher eingehen, die die Wiesen unserer Region charakterisieren und die in komprimierter Form unsere bisherigen Ergebnisse darzustellen vermögen. Der Klarheit wegen verzichte ich also auf den Abdruck der gesamten Artenliste, die aber im Umweltreferat Filderstadts einzusehen bzw. bei den Biotopkartierern angefordert werden kann. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Pflanzen, die in fast allen Kartiergebieten angetroffen wurden. Sie sind allgemein bekannt und können praktisch bei jedem Wiesenspaziergang in Augenschein genommen werden. Sie stellen den "harten Kern" unserer Wiesenflora dar, sie sind zahlreich und allgemein verbreitet. Was unter zahlreich und allgemein verstanden wird, läßt sich vielleicht folgendermaßen veranschaulichen: Suchen Sie sich einmal bei einem Spaziergang ein Stückchen Wiese aus, vielleicht so groß wie eine Tischdecke. Bei genauerem Hinsehen wird es Ihnen auch ohne Fachkenntnisse gelingen, etwa 10 bis 20 Blumen und Gräser zu unterscheiden. Die meisten dieser beobachteten Pflanzen finden Sie in der nachfolgenden Liste, sie wurden nach ihrer Häufigkeit sortiert.
Liste 1: Die 50 häufigsten Wiesenpflanzen im Stadtgebiet Interessant an dieser Liste ist nicht nur was drinsteht, sondern auch was fehlt: Man vermißt doch gerade die Pflanzen, die jedermann als Wiesenpflanzen aufzählen würde, z.B. Glockenblume, Margerite oder Salbei. Solche markanten und wohlbekannten Blumen gehören offenbar auch in ausgewählten Gebieten nicht mehr zu den geläufigen Pflanzen! Die Pflanzen der zweiten Gruppe sind wählerischer und bevorzugen spezielle Biotope, die in großen Teilen Baden-Württembergs selten geworden sind. Es handelt sich um nicht entwässerte und ungedüngte Standorte, also Magerwiesen, Streuwiesen, Staudenfluren und Gewässerränder. Für jeden Naturfreund haben solche Standorte einen besonderen Erlebniswert. Derartige Biotoptypen stehen seit den 90er Jahren meist unter besonderem Schutz. Der Pflanzenfreund findet hier eine spezielle Artenzusammensetzung und charakteristische Pflanzen, die andernorts nicht mehr anzutreffen sind. Diese zweite Liste wird nach Biotoptypen geordnet:
Liste 2 (A. bis E.): Anspruchsvolle Wiesenpflanzen Die fettgedruckten Arten wurden bei der Baden-Württemberg Kartierung der 80/90er Jahre für unseren Viertelquadranten nicht erfaßt. Das heißt wir haben in den Randgebieten Filderstadts noch einen gewissen Artenreichtum, der aber ausnahmslos an besondere Standorte geknüpft ist. Will man die Artenvielfalt erhalten, müssen diese Standorte zumindest geschont werden. Oftmals sind aber auch spezielle Pflegemaßnahmen notwendig. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um die botanischen Raritäten im Stadtgebiet. Dazu gehören:
Liste 3: Die seltenen Pflanzen im Stadtgebiet Zwei Pflanzen aus obiger Liste möchte ich hier kurz vorstellen, da sie wenig auffällig und auch allgemein nicht sehr bekannt sind. Beide gelten in der Roten Liste als gefährdet und haben hier natürliche Vorkommen. Es handelt sich um den Blaßgelben Klee (Trifolium ochroleucum), den wir an drei trockenwarmen Standorten noch nachweisen konnten und die Knollen-Kratzdistel (Cirsium tuberosum), eine kräftige Staude magerer Wiesen. - Beide Pflanzen lassen sich nachhaltig schützen, wenn man sie erkennt und ihre Standorte erst im Spätsommer mäht. Am Bechtenrain beispielsweise kommt die Knollen-Kratzdistel in den "unordentlichen" Wiesen noch vor und verschwindet sofort, wenn der Besitzer mehrmals im Jahr mäht. Daher die Bitte an die Wiesenbesitzer: Sollten Sie diese Pflanze in Ihrer Wiese erkennen, fahren sie mit dem Mäher um sie herum und schaffen kleine Inseln mit dieser hübschen Staude. Die Knollen-Kratzdistel mit ihren purpurroten, über 2 cm langen Blütenkörbchen unterscheidet sich von den anderen sehr ähnlichen Kratzdisteln vor allem durch den kaum beblätterten Stengel und die einzeln stehenden Blütenkörbe. Der Blaßgelbe Klee sieht auf den ersten Blick aus wie der sehr häufige Weißklee, hat aber keine herzförmigen Fiederblätter, sondern länglich-ovale. Außerdem ist sein Stengel verzweigt und die Blütenköpfchen von gelblich-weißer Farbe. Auch der Blaßgelbe Klee, der gern in warmen Randbereichen magerer Wiesen oder in Heckensäumen wächst, verschwindet durch frühes Mähen und bei Beschattung, z.B. wenn sich die Hecke ausbreitet oder Brombeeren das Kommando übernehmen. Jeder "Stücklesbesitzer" kann also durch das Schonen dieser beiden Pflanzen ohne finanzielle Einbußen dazu beitragen, wertvolle Biotope im Stadtgebiet zu schützen und dem Artenschwund in Baden-Württemberg entgegenzuwirken.
3. AusblickSeit einiger Zeit haben wir begonnen, auch ausgewählte Waldstücke und Gewässer zu kartieren. Damit komplettieren wir die Vegetationsaufnahmen von Filderstadt und werden die Ergebnisse in den nächsten Ausgaben von "Natur- und Umweltschutz in Filderstadt" vorlegen. Was dann noch ausstünde wäre die Flora unserer Äcker und Brachen. Allerdings müßte die Kartierung anders organisiert werden, da solche Standorte sehr instabil und kurzlebig sind, man denke z.B. an Baustellen oder Ruderalstandorte, die überall auftauchen können und rasch wieder verschwinden. Zum Schluß möchte ich allen Kartierkameraden für die tolle Zusammenarbeit danken und wünsche uns allen noch viele interessante Entdeckungen. |