Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2003


Zwölf Jahre Umweltbeirat in Filderstadt

Eberhard Mayer


Sprecher des Umweltbeirats, Biotopkartierer Filderstadt

Das Dutzend ist voll: Seit nahezu zwölf (Sitzungs-)Jahren gibt es in Filderstadt einen Umweltbeirat. Zeit und Anlass genug, um Aufgaben bzw. Selbstverständnis nochmals darzustellen, das Erreichte bzw. die Ergebnisse zu betrachten und sich mit verschiedenen Fragen und Problemen zu beschäftigen.

Zur Historie:

Auf Antrag der Biotopkartiergruppe beschloss der Gemeinderat Filderstadts im Juli 1990, einen Umweltbeirat zu gründen. Die erste, konstituierende Sitzung des neuen Gremiums fand am 17. Januar 1991 im Rathaus Plattenhardt statt.

Auftrag, Ziele, Kompetenzen:

Der Umweltbeirat hat die Aufgabe und das Selbstverständnis, sowohl die Stadtverwaltung als auch den Gemeinderat bzw. seine Ausschüsse in Fragen des Natur- und Umweltschutzes zu unterstützen und zu beraten. Die Sitzungen des Umweltbeirats sind nicht-öffentlich und finden durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr statt. Die Beschlüsse haben - wie bei allen Beiräten - nur empfehlenden Charakter, insofern ist der Umweltbeirat ein Vor-Gremium des Gemeinderats (politische Beschlüsse kann nach der Gemeindeordnung Baden-Württembergs nur der Gemeinderat selbst oder einer seiner Ausschüsse fassen). Mitglieder des Umweltbeirats können als "sachkundige Bürger" im Ausschuss für Technik und Umwelt oder im Gemeinderat zu relevanten Themen Stellung nehmen bzw. gehört werden, sie sind in diesen Gremien aber nicht stimmberechtigt.

Zusammensetzung, Mitglieder:

Die dem Natur- und Umweltschutz verpflichteten Vereine und Organisationen Filderstadts sind im Umweltbeirat vertreten und mit jeweils 1 Votum stimmberechtigt. Dazu zählen sowohl der private Naturschutz (Biotopkartierer, BUND, Naturschutz-bund/NABU, AK Wasser) als auch die Forstwirtschaft, Jägerschaft, Imker, Obst- und Gartenbauvereine, Albvereine, Heimatverein und Jugendgemeinderat. Die örtliche Landwirtschaft ist jeweils mit ihren Ortsvereinen vertreten und hat im Umweltbeirat somit insgesamt 5 Stimmen. Auch die Fraktionen des Gemeinderats nehmen an den Umweltbeiratssitzungen teil: ihre Vertreter sind beratende, aber nicht stimmberechtigte Mitglieder des Gremiums. Die Sitzungsleitung des Umweltbeirats liegt beim Referatsleiter bzw. Bürgermeister für Technik und Umwelt; die Geschäftsführung wird durch die Umweltschutzreferentin wahrgenommen. Aus seiner Mitte wählt der Umweltbeirat einen Sprecher mit Stellvertreter. Beide sind erste Ansprechpartner für Kontakte und Stellungnahmen und vertreten das Gremium nach außen (vor allem bei Gemeinderatssitzungen und anderen Veranstaltungen).

Sitzungen, Themenkomplexe:

Wie erwähnt, tagt der Umweltbeirat durchschnittlich zwei- bis dreimal jährlich. Nach 12 Jahren Sitzungstätigkeit lohnt sich ein statistischer Rückblick auf die behandelten Themenkomplexe und Tagesordnungspunkte:

übersicht 1: Sitzungshäufigkeit bzw. Umfang Tagesordnungen

JahrSitzungenTagesordnungspunkteBemerkungen
199128
19922131 Sonderbesprechung
1993212
1994215
1995315
1996313
1997121 Windkraft-Info-Fahrt
1998311
1999311
20002141 Solar-Info-Fahrt
2001314
2002316
insges.291443

Besonders interessant ist sicher eine Rückbetrachtung darüber, mit welchen Themenkomplexen sich der Umweltbeirat in seinen bisherigen 29 Sitzungen beschäftigt hat.

übersicht 2: Behandelte Themenkomplexe im Umweltbeirat

ThemenkomplexWie oft behandelt?
übergeordnete Planungen (z.B. Messe),
Entwicklungskonzepte, Flächennutzungsplan, Landschaftsplan
5-mal
Bebauungspläne (Wohnungsbau)13-mal
Gewerbegebiete, Sonderflächen9-mal
Friedhöfe 4-mal
Verkehrsplanung, Umfahrungsstraßen18-mal
Radwege, -Beleuchtung3-mal
Biotopverbund, Landschaftspflege19-mal
Landschaftsschutzgebiete, Naturdenkmale, § 24a-Biotope3-mal
Ausgleichsmaßnahmen allgemein (z.B. ökokonto)6-mal
Artenschutz12-mal
Landwirtschaft, Feldwege, Direktvermarktung4-mal
Obstbau, Streuobstwiesen9-mal
Wald, Waldränder4-mal
Gewässerschutz8-mal
Lärmschutz3-mal
Klimaschutz, Luftreinhaltung5-mal
Energiesparen, Alternative Energien3-mal
Abfallwirtschaft, Deponien, Altlasten9-mal
Flughafen-Ausbau, incl. Ausgleichsmaßnahmen hierzu9-mal
Umweltbeirat allg. (Geschäftsordnung, Wahlen, Sitzungsunterlagen)6-mal
Sonstiges (z.B. Jahreshefte, allg. Angelegenheiten des Umweltschutzreferats,
öffentlichkeitsarbeit)
6-mal
insgesamt: (Mehrfachzuordnungen zu Themenkomplexen sind möglich)158

Als Schwerpunkte dominierten die lokalen und überörtlichen Planungs-Themen (FNP, Bebauungspläne, Ausgleichsmaßnahmen, Straßenplanungen, aber auch Flughafen und Neue Messe) mit 42 % aller Tagesordnungspunkte. Dicht gefolgt wurden sie von den Angelegenheiten des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes, die immerhin 32 % aller Tagesordnungspunkte ausmachten. Der Technische Umweltschutz betraf 18 % aller behandelten Themen; weitere 8 % ("Sonstiges") waren keinem dieser Hauptblöcke zuzuordnen.

Eindrücke und Erfahrungen aus der Gremientätigkeit:

Die Anfänge waren geprägt von einer Phase des Lernens und der Zurückhaltung. Offen und selbstkritisch ist zu sagen, dass sich die Mitglieder des Umweltbeirats zu Beginn recht schwer taten und sich in ihrer neuen Aufgabe - wie alle ehrenamtlich Tätigen - erst zurecht finden mussten. Wir (die Mitglieder!) haben anfangs sicher den Aufwand etwas unterschätzt und unsere Einflussmöglichkeiten überschätzt. Wir sind etwas blauäugig an die Aufgaben herangegangen und waren - nach erster Ernüchterung - sicher auch zu zurückhaltend und zu nachgiebig. Es waren Anstrengungen erforderlich, um zu einem effizienteren Arbeitsstil zu finden und um konstruktivere Arbeit zu leisten. Schließlich ging es ja nicht nur darum, bei zwei bis drei Sitzungen pro Jahr mitzuwirken. Neben der eigentlichen Gremientätigkeit fallen folgende, teilweise zeitaufwendige Aufgaben an:

  • Wichtige Sitzungsthemen sind intern vorzubereiten und teilweise mit der Verwaltung und anderen Beteiligten noch abzustimmen
  • im Rahmen vorzeitiger Beteiligung zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen sind fachliche Stellungnahmen abzugeben
  • zu wichtigen tagesaktuellen Themen (z.B. Bebauungsgebiete, Umfahrungsstraßen, Tennis-Parkplätze) sind kurzfristige Stellungnahmen und eventuelle Alternativvorschläge zu erarbeiten
  • in Ausschüssen, im Gemeinderat und bei Bürgerveranstaltungen sind die Postionen des Umweltbeirats vorzutragen und zu erläutern
  • in kleineren Arbeitsgruppen sind umweltrelevante Themen zu beraten und Vorschläge zu erarbeiten (z.B. für Ausgleichsmaßnahmen, ökokonto, Gewichtungsschlüssel für Bewertungen/Berechnungen)
  • in Konzepten zur Stadtentwicklung (STEP) und zur Bürgerbeteiligung ist eine konkrete Mitarbeit, auch in Arbeitsgruppen, erforderlich.

Verbesserungsfähig:

Da lediglich 2-3 Sitzungen pro Jahr stattfinden, mangelt es teilweise an der Aktualität der Tagesordnungspunkte. Wichtige Themen werden im Umweltbeirat oft erst behandelt, wenn die Entscheidungen im Gemeinderat schon gefallen sind. Bei wichtigen Themen sollten deshalb mehr Sondersitzungen anberaumt werden. Umfang und Informationsgehalt der Sitzungsunterlagen gaben immer wieder Anlass zu Klagen; erfreulicherweise ist hier in letzter Zeit eine deutliche Qualitätsverbesserung eingetreten. Merke: die Qualität einer Sitzung bzw. Besprechung hängt auch maßgeblich von der Qualität der Vorbereitung ab! Zu Unmut führt in Einzelfällen das heikle Thema des Informations-Austauschs zwischen Verwaltung und Umweltbeirat. Obwohl der Umweltbeirat zu Stellungnahmen und frühzeitigen Anhörungen gebeten wird, werden aus unserer Sicht die notwendigen Informationen von Teilen der Stadtverwaltung nicht immer im erforderlichen Umfang oder erst sehr spät weitergegeben. Der Schlüssel zu erfolgreicher Zusammenarbeit ist aber ein gleicher Informationsstand bzw. gleiche Informationspolitik für alle Beteiligten, damit Motivation und Sachverstand durch die Bürger eingebracht werden können. Es kann nicht sein, dass ein Feilschen um Informationen im Gange ist, denn der Umweltbeirat ist keine Gruppe von Blockierern oder Verhinderern. Wir würden uns wünschen, dass mehr Informationen seitens der Verwaltung "aktiv" (aus eigenem Antrieb) an die Beiräte und nicht erst auf mehrfache Anforderung erteilt werden! Erfreuliche Anzeichen für eine Verbesserung der des Informationsaustauschs sind in den letzten Monaten auch hier spürbar. Protokolle, aber auch aktuelle Infos des Umweltbeirats könnten (kostenfrei) über Internet-Mail an interessierte Mitglieder dieses Gremiums verschickt werden, sofern dies rechtlich zulässig ist. Die Mitglieder ohne Internet-Anschluss können dann - wie bisher - das Protokoll im Umweltschutzreferat oder beim Sprecher einsehen.

Erfolge im Umweltbeirat:

Durch die gemeinsame Tätigkeit im Umweltbeirat ist eine gute Vertrauensbasis vor allem zwischen den Vertretern des Naturschutzes und den Vertretern der Land- und Forstwirtschaft sowie der Jagd entstanden, die in ihrer Offenheit beispielhaft ist. Dies war früher nicht so und ist aus unserer Sicht eines der größten Verdienste des gegründeten Umweltbeirats! Auch im privaten Natur- und Umweltschutz wird an einem Strang gezogen: Biotopkartierer, BUND und NABU arbeiten vorbehaltlos und konstruktiv zusammen.

Fazit:

Wir haben gelernt, dass man seine fachliche Meinung vertreten muss und auch in schwierigen Situationen dazu stehen muss. Wir haben aber auch gelernt, dass Ablehnungen allein manchmal nicht ausreichen. Soweit es uns möglich erscheint, erarbeiten wir Alternativ-Vorschläge und tragen sie als Empfehlung im Ausschuss oder Gemeinderat vor. Damit haben wir gerade in der letzten Zeit mehr Glaubwürdigkeit, Akzeptanz und auch Erfolge erreichen können (siehe Tennis-Parkplätze, Osttangente Plattenhardt). Durch Negativerlebnisse darf man sich nicht entmutigen lassen. Auch nach politischen Niederlagen (z.B. Bebauung Lailensäcker) arbeiten wir weiterhin kritisch, aber konstruktiv an Planungen, Projekten und Ausgleichsmaßnahmen mit. Der Umweltbeirat ist zu einem Gremium geworden, dessen Mitglieder sich eben nicht als "Verhinderer" verstehen, sondern die ihre Stadt Filderstadt mitgestalten wollen, ohne dass die Natur dabei auf der Strecke bleibt.


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