Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2007


Der Kiebitz - ein Watvogel auf den Fildern

Peter Maasdorff
Biotopkartierer Filderstadt

Auf dem Frühjahrszug

Viele Gefiederte ziehen im Frühling von südlichen Gefilden zurück nach Nord- und Ostdeutschland oder nach Skandinavien und Sibirien zu ihren angestammten Brutplätzen. Bereits im März können wir Scharen von etwa taubengroßen, schwarz-grün-weißen Vögeln über dem Filderraum beobachten. Auf den noch unbestellten Äckern legen sie einen Zwischenstopp ein. Sie suchen Futter und sammeln Kraft für den Weiterzug.

Am gaukelnden Flügelschlag und unter Zuhilfenahme des Fernglases erkennen wir, es sind keine Elstern. Elstern überqueren mit ihren kurzen runden Flügel und ihrem langen Schwanz schnell flatternd waagrecht kürzere Distanzen. Auch sind die Elstern Standvögel. Sie treffen sich nach dem Winter in kleineren Gruppen, wenn sie auf Brautschau gehen.

Welche Reisenden sind es, die in großer Zahl den Himmel bevölkern? Gleicht das Flugbild dieser Luftakrobaten eher Krähen? Auch nicht, denn die Krähen rudern gleichmäßig mit langen Schwingen. Einige dieser putzigen Gesellen taumeln mit ihren breiten Flügeln merkwürdig über unsere Bachläufe und Wiesen. Jetzt in der Paarungszeit rufen sie ihren Namen: kih wit, kih wit, kih wit. In der Balz werden Steil- und Sturzflüge gezeigt und Kapriolen geschlagen. Wer mal seinen Urlaub an Nord- und Ostsee verbrachte, konnte auf den Viehweiden und im saftgrünen Marschland bestimmt den Kiebitz entdecken. Er ist in der norddeutschen Tiefebene mit anderen sogenannten Watvögeln vergesellschaftet. Ob Einzelnen im schwarz-weißen Rock die Filderebene als Brutgebiet zusagt? Trafen wir doch früher wenige zum Beispiel zwischen Flughafen und Echterdingen an. Allerdings hat im letzten Jahrzehnt der Bestand im gesamten Großraum Stuttgart stark abgenommen.

Ist der Kiebitz auf der Filder heimisch?

Nach den Aufzeichnungen der Biotopkartierer Filderstadt brütet der Kiebitz im Flughafen-Randgebiet, auf der übrigen Filderebene gilt er nur als unregelmäßiger oder seltener Brutvogel. Meine eigenen Beobachtungen belegen, dass für 2006 ein konkreter Brutverdacht besteht.

01.04. 2006

Ein Pulk Kiebitze fliegt östlich von Bernhausen in der Nähe der Markungsgrenze zu Neuhausen a.d.F. Im Gewann Endelbach befindet sich ein kleines Feuchtgebiet, das ein Wasser führender Graben durchquert und in das mehrere Tümpelchen eingestreut sind. Der Graben und der Endelbach sind geschützte Biotope nach § 32 Landesnaturschutzgesetz. In der feuchten Aue wachsen Riedgräser, Sumpfdotterblumen, Wilde Karde und Blut-Weiderich. So richtig geschaffen ist es für den Sumpf- und Wiesenvogel. In dieser Zeit hat der Kiebitz seine vier Eier gelegt und in einer Bodenmulde versteckt. Die genaue Stelle der Kinderstube kenne ich nicht.

07.05.2006

Ein Kiebitz flattert aufgeregt in der Nähe des Feuchtgebietes hinüber zum Endelbach. Der Altvogel möchte den "Störenfried" von seinen Jungen weglocken. Es wäre verkehrt, diese zu suchen. Der scheue Flugkünstler aus der Familie der Regenpfeifer würde das verübeln. Die Küken sind Nestflüchter und können bereits von Anfang an in der Umgebung umherlaufen. Wenn ihr Dottervorrat aufgebraucht ist, sind sie nach wenigen Tagen in der Lage, Insekten aufzupicken. Um zum Beispiel vor Füchsen sicher zu sein, hat ihr Daunenkleid eine perfekte Tarnfärbung. Die kleinen Federbälle bleiben für mich unsichtbar. Ich ziehe mich zurück.

Einen weiteren ausgewachsenen Kiebitz erkenne ich mit dem Fernglas auf dem gegenüberliegenden Maisacker. Gut auszumachen ist die typische Federhaube, die er gern aufstellt. Von der Nähe besehen ist der Vogel oberseits schwarz-grün, unterseits weiß, am breiten Brustlatz schillernd dunkelgrün, blau und purpurn. Das große Auge ist braun, der Schnabel schwarz und der Fuß tief dunkelrot.

05.06.2006

Zwischen Endelbach und Flughafen sind fünf Kiebitze auf einem Wirsingacker versammelt. Ich schaue durchs Fernglas. Sicherlich handelte es sich bei den Fünfen um Alt- und Jungvögel. Der Nachwuchs ist herangewachsen und kann jetzt das Umfeld erkunden. Ich freue mich, dass diese bei uns seltenen Limikolen, trotz mancher Gefährdung im dicht bevölkerten Filderraum, ihre Jungen groß gezogen haben.

16.06.2006

Abends beobachte ich wiederum zwei Kiebitze. Dieses Mal an einer ganz anderen Stelle. Auf einer gemähten Wiese südlich des Gewannes "Horb", am Rande eines Streuobstgebietes vor Wolfschlugen, trippeln sie umher und stochern nach Würmern und Insektenlarven. Ich kann mir vorstellen, dass sich auf den Fildern noch weitere Brutplätze befinden.

Bereits im Sommer zu den Überwinterungsquartieren

Sobald die Jungen im Juni flügge geworden sind, verlässt die Kiebitz-Familie ihr Revier. Es ist schwierig, die Vögel mit den breiten Flügeln nach Beendigung der Brutzeit zu Gesicht zu bekommen. Schon Ende Juli bis Mitte August ziehen sie nach England, der Kanal- und Atlantikküste Frankreichs, in den Mittelmeerraum und in das südliche Asien. Dort werden sie die Herbst- und Wintermonate verbringen.

Vielfältige Flora und Fauna in unserer Region

Unsere Filderlandschaft ist Heimat für vielerlei Getier und Pflanzen. Auch zwischen Sielmingen und dem Flughafen kann der aufmerksame Beobachter so manches entdecken: Der Grasfrosch legt Ende Februar seine Laichballen in den Waagenbach. Der bei uns kaum noch vorkommende Neuntöter hat von Mai bis August in der Hecke des REWE-Zaunes eine Bleibe gefunden. Zwei Rebhühner fliegen schnurrend auf. Feldrehe eilen dem schützenden Riedwäldle zu. Auf der Wiese am Saum des Wäldchens wachsen der Beinwell und die Kuckuckslichtnelke. Über dem Steppachstausee gleiten die großen Greife Rot- und Schwarzmilan. Und der Kiebitz wird im nächsten erwachenden Frühling wieder seine taumelnden Schauflüge über Wiesen und Felder zeigen.

Wir kiebitzen im Bestimmungsbuch

Wir Biotopkartierer durchstreifen auf unseren Exkursionen Naturlandschaften, die interessanten Vogelarten Lebensraum bieten. Unser Jahresausflug in diesem Jahr führte uns in den Hegau und an den Bodensee. Oder wir besuchen zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb die Schafweiden, wo die Enziane blühen.

In Filderstadt erfassen wir in wechselnden Aktionen ausgesuchte Tier- und Pflanzenarten. So ermittelten wir die verschiedenen Spechtarten in den Streuobstwiesen der fünf Stadtteile und am Schönbuchrand. Die Standorte des seltenen Dunklen Wiesenknopf-Ameisen-Bläulings wurden von uns dokumentiert. Jedes Jahr zählen wir in Filderstadt die Nester der Rauch- und der Mehlschwalbe mit Bruterfolg und untersuchen deren Bestandsentwicklung. Wenn wir bei unseren Biotopertreffs im Bildungszentrum Seefälle in Bonlanden in geselliger Runde unsere Erlebnisse austauschen, können wir die - in unserem Besitz befindliche - naturkundliche Fachliteratur zu Rate ziehen. Um eine seltene Orchidee zu bestimmen, kiebitzen wir schon mal im aussagekräftigen Bestimmungsbuch.


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