Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2007


Warum der Eisvogel nicht im Eis,
sondern am Wasser lebt

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt

Lange Zeit - bis noch vor etwa 10 Jahren - stellte der farbenprächtige Eisvogel eine absolute Rarität in unserer Filderlandschaft dar. Für den Normalbürger gehörte als Spaziergänger schon eine gehörige Portion Glück dazu, um von Zeit zu Zeit eine Zufallsbekanntschaft im Reichenbach- oder Aichtal, seltener noch im Bombachtal zu machen.

Erfreulicherweise hat sich die Bestandssituation des Eisvogels in letzter Zeit zum Positiven gewendet - eine rühmliche Ausnahme im Vergleich zum Rückgang oder gar zum Verschwinden vieler anderer Vogelarten auf den Fildern. Stellvertretend seien hier nur Wiedehopf und Würger-Arten, aber auch Wendehals, Baumpieper und Grauammer als ehemalige Brutvögel genannt, die heute nicht mehr oder nur noch äußerst selten bei uns vorkommen.

Bevor wir uns mit dem "positiven Erscheinungsbild" auf den Fildern befassen, wollen wir den Eisvogel und seine Lebensweise näher kennenlernen.

Name, Herkunft des Namens und Verbreitung

Der Eisvogel (Alcedo atthis) zählt zur Ordnung der Rackenvögel und ist von Europa bis Ostasien als Brutvogel vertreten. Bei uns ist er meist nur lückenhaft verbreitet und deshalb in der Vorwarnstufe der "Roten Liste" aufgeführt. Bereits frühzeitig wählte ihn der NABU zum Vogel des Jahres 1973.

Unklar ist, wo der Name "Eis"-Vogel ursprünglich herrührt. Es gibt zwei Theorien:

  1. Von Vogel und Eisen, wegen seines metallisch glänzenden Gefieders.
  2. Von Vogel und Eis, wegen seiner Eigenschaft, in strengen Wintern entlang der Eisgrenze nach Süden zu wandern.

Sicher ist in jedem Fall, dass der Vogel nur an eisfreien Gewässern überleben kann, weil er nur dort in der Lage ist, seine Hauptnahrung (Kleinfische) zu erbeuten.

Vorkommen und Lebensraum

Hauptlebensraum des Eisvogels sind langsam fließende Flüsse oder Bäche, aber auch stehende Gewässer wie Teiche und Seen werden bewohnt. Wichtig sind ein reiches Angebot an Kleinfischen, gute Sichtverhältnisse (klares Wasser) sowie überhängende Äste als Ansitzwarten. Das Revier eines Vogels umfasst - je nach Nahrungsangebot - eine zwei bis vier km lange Uferstrecke bei Fließgewässern.

Zur Brutzeit wählt er ein Revier mit Steilufern und Abbruchkanten, wo er seine Bruthöhle bauen kann. Außerhalb der Brutperiode tritt er auch an Süßgewässern außerhalb des Brutgebiets auf, wenn es dort kleine Fische gibt.

Aussehen und Kennzeichen

Zur Beschreibung der Gefiederfärbung und der "exotischen" Erscheinung des Eisvogels werden teils überschwängliche Adjektive und Vergleiche herangezogen. Während das Gefieder der Oberseite als "glänzend", "leuchtend", "farbenprächtig", "bunt schillernd", "grünblau schimmernd", "metallisch-blau bis türkisfarben" oder "azur- bis kobaltblau schillernd" beschrieben wird, wird die Gesamterscheinung des Vogels in wahren Superlativen als "blauer Blitz", "fliegender Edelstein" oder "Smaragd unserer Vogelwelt" gelobt. Die orange-rostfarbene Unterseite ist weniger auffällig gefärbt. Hals und Wangen zieren deutlich sichtbare weiße Flecke. Trotz seiner bunten Gefiederfärbung ist der ansitzende Eisvogel farblich hervorragend an seine Umgebung angepasst und getarnt. Meist fällt er mit seinem leuchtend blauen Rücken nur auf, wenn er wegfliegt.

Mit 15 - 17 cm Länge ist der Eisvogel etwas größer als ein Sperling. Auffällig sind der bis zu 5 cm lange, gerade und kräftige Schnabel sowie der kurze Schwanz. Die Beine sind rot gefärbt und ebenfalls kurz gebaut. Die Erscheinung wirkt gedrungen, die Haltung aufrecht. Beim Abflug ist meist ein durchdringender, hoher und pfeifender Ruf zu hören, durch den man auf den Vogel aufmerksam wird

.

Nahrung und Lebensweise

Das Nahrungsspektrum des Eisvogels besteht vor allem aus Kleinfischen bis zu 8 cm Länge (Moderlieschen, Stichlinge, Elritzen, Gründlinge, Bachforellen, Rotfedern, Plötzen usw.). Daneben werden aber auch Wasserinsekten, Flohkrebse, Asseln, Kaulquappen und andere kleine Amphibien erbeutet. Seine Jagdmethode ist das Stoßtauchen, das meist von einer Sitzwarte aus überhängenden Ästen ausgeübt wird (seltener aus dem Rüttelflug).

Klar ist, dass diese Jagdmethode nur erfolgreich angewandt werden kann, wenn die Gewässer eisfrei sind und wenn durch klares Wasser gute Sichtverhältnisse herrschen. In Kältewintern mit zugefrorenen Gewässern, bei Eintrübung durch Hochwasser oder bei Gewässerverschmutzung durch Schadstoffeinleitungen ist der Eisvogel gezwungen, aus dem angestammten Gebiet abzuwandern und sich Nahrungsquellen in geeigneteren Lebensräumen zu suchen. Je nach Wetterlage und Nahrungsangebot setzt sich deshalb der Bestand des eigentlich standorttreuen Eisvogels sowohl aus ganzjährig anwesenden Standvögeln (Regelfall), als auch aus umherziehenden Exemplaren (Strichvögel) und Kurzstreckenziehern (z.B. Zuwanderern aus klimatisch weniger begünstigten Gebieten) zusammen.

Kleinere Beute wird vom Eisvogel sofort verschluckt. Mittlere und größere Fische werden auf der Ansitzwarte zu Tode geschüttelt oder durch Schlagen gegen Zweige bzw. Äste getötet. Danach wird der ganze Fisch mit dem Kopf voran verschluckt, damit sich die Schuppen nicht im Schlund sträuben können.

Fortpflanzung und Brutbiologie

Wie oben bereits erwähnt, baut der Eisvogel seine Bruthöhle in die Steilwände von Uferböschungen aus Lehm- oder Sandboden. Beide Partner graben 1 - 2 Wochen lang mit Hilfe von Schnabel und Stützschwanz eine 50 - 100 cm lange Brutröhre, die schließlich in einem Brutkessel endet. In Ausnahmefällen kann die Bruthöhle auch mehrere Hundert Meter vom Wasser entfernt liegen.

Die Brutbiologie des Eisvogels ist ungewöhnlich: Die Brutsaison kann von Ende März bis in den Oktober hinein dauern! Während dieser Zeit ziehen die Altvögel normalerweise zwei, in guten Jahren sogar drei Bruten groß. Ein Gelege besteht aus 5 - 7 weiß glänzenden Eiern; nach 18 - 21 Tagen Brutdauer schlüpfen die Jungen. Nach weiteren 23 - 27 Tagen Nestlingszeit verlassen die flüggen Eisvögel die Brutröhre und werden von den Alttieren noch eine gewisse Zeit weiter versorgt. Oft finden "Schachtelbruten" statt, d.h. während das Männchen noch in einer Höhle füttert, sitzt das Weibchen bereits wieder auf einem Gelege in der nächsten Höhle.

Bestandsentwicklung: Allgemein und in Filderstadt

Junge Eisvögel erreichen die Geschlechtsreife bereits im frühen Alter von nur sieben Monaten. Durch die Fähigkeit, zwei bis drei Bruten (auch geschachtelt) aufzuziehen, kann ein Brutpaar durchaus 20 Jungvögel pro Jahr reproduzieren. Dieser hohen Vermehrungsrate steht andererseits aber eine hohe Sterblichkeit gegenüber: Nur wenige Eisvögel werden älter als drei Jahre und in strengen Wintern kann die Sterblichkeitsrate einer Population 80 - 90 % betragen! Nur dank seiner ungewöhnlichen Brutbiologie kann also der Eisvogel solche Verluste und Bestandsschwankungen wieder ausgleichen.

Die Bestandssituation des Eisvogels ist sicher regional unterschiedlich zu beurteilen. Erfreulich ist, dass während der letzten Jahre die Populationen sich vielerorts stabilisiert oder die Bestände sogar leicht zugenommen haben. Gründe dafür können sein:

  • Relativ viele milde Winter hintereinander brachten kaum Kälteverluste, (was auf die beiden letzten Winter allerdings nicht ganz zutrifft).
  • Die Wasserqualität konnte oft durch verbesserte Klärtechniken und strenge Umweltauflagen verbessert werden, was auch dem Fischbestand zugute kam.
  • Durch Rückbaumaßnahmen wurden Verbauungen und Kanalisierungen wieder beseitigt und Uferzonen wieder naturnah mit Flachwasserzonen und Altarmen gestaltet.
  • Sehr wirkungsvoll sind das Abstechen von Steilufern (für den Bau von Bruthöhlen), das Anpflanzen von Sitzwarten (Bäume/Sträucher) und die Anlage von Kleingewässern für den Nahrungserwerb.
  • Hilfreich für die Bestandsentwicklung kann auch ein Angebot an künstlichen Nisthilfen sein.

In Filderstadt hat sich die Bestandssituation - wie eingangs erwähnt - ebenfalls etwas entspannt und vor allem am Schönbuchrand zum Guten gewendet. Im Reichenbachtal ("Siebenmühlental") gibt es konkreten Brutverdacht. Eisvögel können hier relativ regelmäßig, teilweise sogar im Gelände der Sägemühlen, gesehen werden. Im benachbarten Aich- und Schaichtal gibt es stabile Brutpopulationen.

Auch am Bärensee, Flughafen-Stausee und an einigen Waldteichen wurden Eisvögel vermehrt bei der Ansitzjagd und beim Abflug beobachtet. Diese Stillgewässer haben jedoch den Nachteil, dass sie im Winter oft wochen- oder gar monatelang zufrieren und sich damit nicht mehr als Nahrungsbiotop eignen.

An ihre Stelle treten dann überraschenderweise Fließgewässer (Bäche), die man zunächst überhaupt nicht als Eisvogel-geeignet einstufen würde. Von November bis Februar/März gab es in den letzten Jahren Beobachtungen nahrungssuchender Eisvögel sogar am Fleinsbach und am Waagenbach. Diese Tatsache beweist, dass selbst in diesen als relativ verschmutzt geltenden Bächen ein ausreichender Bestand an Kleinfischen (Stichlinge?) vorhanden sein muss.

Freuen wir uns, dass wir diesen farbenprächtigen und fast exotisch anmutenden Vogel wieder häufiger bei uns antreffen und hoffen wir, dass der erfreuliche Aufwärtstrend von Dauer sein wird!

Zum Abschluss: Wissenswertes und Kurioses zum Eisvogel

Wussten Sie eigentlich,

  • dass die Familie der Eisvögel weltweit 87 verschiedene Arten umfasst, aber nur eine davon (Mittel-) Europa besiedelt?
  • dass ein Eisvogel nur selten älter als drei Jahre alt wird?
  • dass Eisvögel schon im Lebensalter von sieben Monaten geschlechtsreif sind?
  • dass in nassen Sommern mit vielen Hochwässern zahlreiche Eisvögel im reißenden Strom ertrinken oder verhungern, weil sie im verschmutzten Wasser keine Beute erspähen können?
  • dass eine Kleinfischart mit dem wenig appetitlichen Namen "Moderlieschen" die dickste "Freundin" des Eisvogels ist?
  • dass nach jedem Tauchgang das Gefieder ca. 20 Minuten lang eingefettet und gepflegt werden muss (das bedeutet etwa zwei Stunden Körperpflege pro Tag)?
  • dass nur etwa jeder fünfte Tauchgang von Erfolg gekrönt ist?
  • dass Eisvögel aus bis zu 10 Meter Höhe ins Wasser stürzen und dabei 1 - 2 Meter tief tauchen können?
  • dass Überreste der aufgenommenen Nahrung (z.B. Gräten und Schuppen von Fischen) als Speiballen ausgewürgt werden?
  • was man als "Eisvogelkarussell" bezeichnet?
    Lösung: Die jungen Eisvögel stellen sich zur Fütterung in Reih und Glied auf und wer gefüttert wurde und seinen Darm entleert hat, reiht sich hinten wieder in der Schlange ein.


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