Natur- und Umweltschutz in Filderstadt 2007


Wasserlinsen: Spezialisten stiller Gewässer

Dr. M. Schacke
Biotopkartierer Filderstadt

Obgleich Wasserlinsen recht häufig vorkommen und sie jeder schon mal gesehen hat, sind ihre besonderen Eigenschaften und ihre Lebensweise kaum bekannt. Dies zu Unrecht, denn diese kleinen Pflanzen sind überaus interessant, sie können schwimmen und tauchen, sie überstehen Frost und Trockenheit. Im Reich der Pflanzen halten sie sogar mehrere Weltrekorde!

1. Wasserlinsen sind Blütenpflanzen

Abb.1: Teppich von Wasserlinsen auf einem Teich

Fast alle Arten aus der Familie der Wasserlinsen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur aus einem einzigen kleinen Blättchen bestehen, auf dem Wasser schwimmen und im Sommer durch Massenvermehrung oft vollständige Überzüge über Pfützen, Gräben, Tümpel oder sogar Seen bilden können. - Sie werden im Volksmund auch "Entengrütze" genannt, was so viel wie Entenspeise bedeutet. Tatsächlich werden sie von Enten, vor allem deren Küken, gern gefressen. Es heißt sogar, dass Wasserlinsen u.a. Jod speichern, was eventuell als wachstumsfördernd anzusehen ist.


Wasserlinsen enthalten alle essentiellen Aminosäuren, bis zu 6% Fett und 17% Kohlenhydrate. In einigen tropischen Ländern wird die Wasserlinse als schnell verfügbares und stoffreiches Gemüse auch von Menschen als Nahrung genutzt. Mit den Linsen, die wir Schwaben kennen, haben die Wasserlinsen nichts zu tun.

Hebt man ein Pflänzchen aus dem Wasser, sieht man auch aus der Nähe nicht mehr als ein ovales bis rundes, etwas fleischig wirkendes Blättchen. Nichts deutet auf eine "richtige" Pflanze hin. Manche Arten haben an der Unterseite zwar noch ein oder mehrere fadenförmige Würzelchen, die aber keine Wurzelfunktion haben. Sie dienen der Lagestabilisierung und sind zur Photosynthese befähigt. Die kleinste Art ist die Zwergwasserlinse, sie wird nur etwa einen Millimeter groß, während die größte Art, die Teichlinse, etwa einen Zentimeter Durchmesser erreichen kann.

Abb.2: Bau einer Wasserlinse

Trotz ihrer offensichtlichen Einfachheit zählen die Wasserlinsen zu den hoch entwickelten Blütenpflanzen. Sie sind wie die Lilien oder Gräser einkeimblättrig. Zusammen mit der Kalla, dem Kalmus und dem Aronstab bilden sie die Ordnung der Aronstabartigen, die durch einfachsten Blütenbau und eine tütenförmige Blütenhülle gekennzeichnet sind.
Tatsächlich können auch die Wasserlinsen Blüten ausbilden, was in unseren Breiten allerdings nur selten geschieht. Die Blüte ist noch kleiner als das Blättchen, sie liegt in einer Vertiefung und besteht nur aus ein bis zwei Staubblättern und einem Stempel, die von einem winzigen Häutchen bzw. einer Blütenhülle (Spatha) umgeben sind, weshalb die Aronstabartigen auch "Hüllenblütler" (Spathiflorae) genannt werden.

Mit ihrem einfachen Bau verzichtet die Wasserlinse auf viele Errungenschaften der Evolution, wie z.B. Spross oder Wurzel. Sie ist deshalb aber nicht als Primitiv- oder gar Urpflanze zu verstehen, sondern als ein relativ moderner Organismus mit einem genial einfachen, aber effektiven Design, der die Anpassung an einen ganz speziellen Lebensraum optimal erreicht hat. Die Wasserlinsen sind aber nicht nur genial einfach, sie sind auch die kleinsten Blütenpflanzen der Welt!
Zusammen mit ähnlichen Spezialisten, wie z.B. dem Schwimmfarn oder dem Wasserschlauch, bilden sie die "Schwebe- und Schwimmgemeinschaft" der sogenannten Wasserlinsen-Gesellschaft.

2. Wasserlinsen sind Überlebenskünstler

Falls es zur Entwicklung einer Blüte kommt, erfolgt die Befruchtung durch kleine Insekten der Wasseroberfläche. Die Samen reifen in einem auf der Blattunterseite ausgebildeten Fruchtkörper und sinken bei dessen Zerfall auf den Gewässerboden. Mit dieser Strategie können die Wasserlinsen auch Trockenperioden unbeschadet überstehen, wodurch ihr Bestand auch in regelmäßig austrocknenden Gewässern gesichert bleibt.
Üblicherweise vermehren sie sich aber vegetativ durch Sprossung. Dabei werden am Blattrand kleine Blattsprosse gebildet, die nach ein paar Tagen ins freie Wasser entlassen werden und dann selbst wieder Sprosse bilden. Wasserlinsen sind unter günstigen Bedingungen die am schnellsten wachsenden Blütenpflanzen der Welt!
Neue Gewässer werden mit Hilfe von Wasservögeln besiedelt, von denen sie am Gefieder klebend eingeschleppt werden.

Wir wissen nun, wie die Wasserlinse Trockenheit übersteht, aber was passiert mit ihr im Winter, wenn bei Frost u. U. die gesamte Fläche eines Gewässers zufriert?
Es ist klar, die Pflanze muss irgendwie verschwinden, wobei sich ihr nur die Möglichkeit des Abtauchens bietet und sie muss es irgendwie schaffen, auch wieder aufzutauchen.
Dieses nicht einfache Problem löst die Wasserlinse folgendermaßen: Im Herbst erhöht sie ihr Gewicht durch Speicherung von Stärke in ihrem Blättchenkörper oder in kleinen Sprossen, den sogenannten Turionen. Dadurch werden diese schwerer als Wasser und sinken auf den Gewässerboden, wo sie frostsicher den Winter überstehen können. An sonnigen Tagen ist sogar Photosynthese möglich, was sich durch das Eis sogar beobachten lässt. Während des Winters werden die Stärkevorräte verbraucht, so dass die Wasserlinsen wieder leichter werden, wie kleine Unterseeboote allmählich auftauchen und im Frühjahr schließlich wieder auf dem Wasser treiben. Bei ausreichendem Nährstoffangebot und genügend Sonne können diese Winzlinge selbst hektargroße Gewässer in relativ kurzer Zeit mit einem dichten Teppich kleinster Blättchen bedecken.

Die ebenfalls schwimmende Krebsschere oder Wasseraloe benutzt übrigens auch das Prinzip der Stärkespeicherung um abzutauchen. In sicherer Tiefe legt sie dann die Winterknospen an, in denen die Anlagen der Tochtertriebe für das kommende Jahr schlummern.
Die Schwimmblätter der Teich- und Seerosen sterben dagegen ab und müssen jährlich neu aus einem im Gewässergrund befindlichen Wurzelstock ausgetrieben werden.

3. Bei uns gibt es drei Wasserlinsenarten

Von den weltweit 34 Wasserlinsenarten kommen in Baden Württemberg sieben Arten vor. Da die meisten wärmere Gebiete bevorzugen, gibt es in unserer Gegend nur drei Arten, während alle sieben Arten im Gebiet des Oberrheins vorkommen.

Die drei bei uns heimischen Arten sind leicht voneinander zu unterscheiden.

Abb.3 Teichlinse

(1) Die Vielwurzelige Teichlinse hat mehrere Würzelchen und wird etwa pfenniggroß. Sie besiedelt stehende oder langsam fließende Gewässer, bis 2 Meter Tiefe, die leicht erwärmbar und nährstoffreich sind. Ihr Entwicklungsoptimum liegt im Juli-August. Ihre Vorkommen sind in Baden-Württemberg rückläufig.

(2) Die Kleine Wasserlinse hat nur ein Würzelchen, ist oval und deutlich kleiner als ein Pfennig. Sie besiedelt dieselben Gewässertypen wie die Teichlinse, kommt auch gemeinsam mit ihr vor und ist die häufigste Wasserlinse in Baden-Württemberg.

Abb.4: Kleine Wasserlinse

 

Abb.5: Dreifurchige Wasserlinse

(3) Die Dreifurchige Wasserlinse (Lemna trisulca) lebt untergetaucht und steigt im Juni, Juli zur Blüte an die Wasseroberfläche auf. Die Blättchen sind lanzettlich, gestielt und kreuzweise zusammenhängend. Sie bevorzugt ebenfalls nährstoff- und sauerstoffreiche Stillgewässer, die aber etwas kühler und beschattet sein dürfen.

4. Ökologische Gesichtspunkte

Bis auf die Wüstengebiete und die arktischen Regionen kommen die drei obengenannten Arten weltweit vor, was als Zeichen eines sehr effektiven, praktisch konkurrenzlosen Prinzips zu deuten ist. Bei einem solch riesigen Verbreitungsareal braucht man sicherlich nicht an Artenschutz denken. Aber aus floristischer Sicht sind die Wasserlinsen bei uns nicht ohne Bedeutung. Schließlich zeigt der Rückgang in Baden-Württemberg, dass sie überdurchschnittliche Ansprüche stellen und dadurch - wie viele andere Arten - einem "ökologischen Druck" ausgesetzt sind. Wahrscheinlich können auch sie wiederum Druck auf noch schwächere Systeme ausüben, denn bei einer Massenvermehrung entziehen sie einem Gewässer enorm schnell Licht und Nährstoffe.

Interessant ist noch folgendes: Wasserlinsen binden Stickstoff und Mineralien aus Abwässern. Da sie aber gleichzeitig sehr empfindlich für viele Schadstoffe sind, lassen sie sich als zuverlässige Indikatoren für nährstoffreiche, aber nicht belastete Gewässer ansprechen. Umgekehrt lassen spezifische Veränderungen in ihrem Wachstum auf die Einleitung von Schadstoffen schließen (monitoring). Aufgrund ihrer Gefräßigkeit gegenüber Stickstoff-, Phosphor- und Schwefelverbindungen gilt die Entengrütze inzwischen als "Wunderpflanze" und Alternative zur High-Tech-Abwasserbehandlung.

In Filderstadt kann man die Kleine Wasserlinse vielerorts antreffen, z.B. in den kleinen Waldteichen am Südrand des Stadtgebiets (Uhlberg, Bechtenrain).


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